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Kingovic
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Am Freitag sind die Augen der serbischen Öffentlichkeit auf Den Haag gerichtet. Der Ex- Militärchef der bosnischen Serben, Ratko Mladic, soll nach 16- jähriger Flucht zum ersten Mal vor seinen Richtern im UNO- Tribunal für Kriegsverbrechen in Jugoslawien erscheinen. Opferangehörige hoffen auf Gerechtigkeit für ermordete Familienmitglieder. Für Serbien könnte der Prozess äußerst unangenehm werden.
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Serbiens Augen am Freitag auf Den Haag gerichtet - Politik - Aktuelle Nachrichten - Vorarlberg OnlineIm Jahre 2014 läuft die Frist ab, in welcher Bosnien- Herzegowina gegen ein Urteil des Internationalen Gerichtshofes (IGH) berufen kann. Serbien war 2007 von der Verantwortung für den Genozid in Srebrenica freigesprochen worden, die Richter stellten allerdings fest, dass Belgrad nicht alles, was in seiner Macht gestanden sei, getan habe, um dem Massaker, das schwerste Verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa, vorzubeugen. Mit seinen Aussagen könnte Mladic die Geschehnisse in der ehemaligen UNO- Schutzzone nun in ein anderes Licht rücken, womöglich auch direkt auf die Mitverantwortung Belgrads hinweisen.
Nach der Einnahme der Kleinstadt Srebrenica am 11. Juli 1995 wurden von bosnisch- serbischen Truppen rund 8.000 Muslime vor den Augen der Blauhelme aussortiert und anschließend ermordet. Die Militäroperation war von Mladic höchstpersönlich angeleitet worden. Es genügte, würde im Urteil des UNO- Tribunals stehen, dass man in Belgrad gewusst habe, was Mladic in Srebrenica vorgehabt habe, sagte Safet Softic, der Vertreter Bosniens im Prozess vor dem IGH nach der Festnahme des ehemaligen bosnisch- serbischen Militärchefs in der Vorwoche. Die Fahndung nach Mladic hatte Serbien jährlich zwischen zehn und zwölf Millionen Euro gekostet, eine eventuelle Kriegsentschädigung an Bosnien würde in die Millionen gehen.
Der ehemalige Militärchef der bosnischen Serben während des Bosnien- Krieges (1992 bis 1995) wird von Zeitzeugen als eitel, arrogant, jähzornig und wenig mitfühlend beschrieben. Eitelkeit legte Mladic nach Ansicht von Beobachtern auch nach der Festnahme in Serbien an den Tag. "Ich bin General; ich will wissen, wer ihr seid", soll Mladic laut Medienberichten in einem ersten Kontakt mit den Tribunalsvertretern auf dem Flughafen Rotterdam erklärt haben. Seine Familie und sein Belgrader Anwalt Milos Saljic waren in den letzten Tagen nach Kräften bemüht zu beweisen, dass seine Gesundheit gar keine Prozessführung zulassen würde. Das serbische Justizpersonal hatte allerdings einen ganz anderen Eindruck bekommen: Er sei sehr kommunikativ gewesen und habe dem Wachpersonal in Belgrad Befehle erteilt, hieß es in Medienberichten.
Für das Massaker in Srebrenica fühlt sich Mladic offenbar nicht verantwortlich. "Ihr habt Milosevic gewählt, nicht ich", erklärte er vor dem Belgrader Ermittlungsrichter. Er zeigte sich auch gut über die Geschehnisse während seiner Fluchtjahre informiert. "Menschen und Völker sind keine Murmeln oder Schlüssel, die man aus einer in die andere Hosentasche stecken kann ...," soll Mladic im Mai 1992 angesichts der Kriegspläne der damaligen politischen Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic und Momcilo Krajisnik, gesagt haben. "Menschen, dies ist Genozid", warnte der damalige jugoslawische Offizier bei einer Sitzung des bosnisch- serbischen Parlamentes. Wenige Tage später war er zum Militärchef der bosnischen Serben bestellt worden. Von einem einstigen jugoslawischen Offizier, der auf die "Brüderlichkeit und Einheit" schwor, war er zum willigen Vollstrecker der nationalistischen Ziele der Politiker geworden. Der ehemalige bosnisch- serbische Parlamentspräsident Krajisnik war vor zwei Jahren vor dem Haager Gericht zu 20 Jahren Haft verurteilt worden, Karadzic steht seit eineinhalb Jahren vor Gericht.
Bis der Prozess gegen Mladic wirklich startet, werden vermutlich noch Monate vergehen. Derzeit hat der Angeklagte noch keine Verteidiger bestellt. Dass sich Mladic wie der redegewandte Serbenführer Karadzic selbst verteidigen werde, glaubt man derzeit nicht. Die Haager Anklage gegen Mladic wurde in der Vorwoche an jene gegen Karadzic angepasst. Zwei von elf Anklagepunkten betreffen Genozid in Srebrenica und weiteren acht bosnischen Gemeinden - Bratunac, Foca, Kljuc, Kotor Varos, Prijedor, Sanski Most, Vlasenica und Zvornik. Weitere Punkte beziehen sich auf Verfolgung, Ausrottung, Morde, Deportationen und unmenschliche Behandlung, Terror, aber auch die Geiselnahme von 200 UNO- Blauhelmen im Mai 1995. Bei den Anklagen zu Terror und zu gesetzwidrigen Angriffen geht es auch um die jahrelange Einkesselung und den anhaltenden Beschuss der bosnischen Hauptstadt Sarajevo vom April 1992 bis November 1995. In der Anklage werden insgesamt 70 Ereignisse an 60 Stellen beschrieben.
Um die Geschehnisse in Srebrenica und eine eventuelle direkte Verwicklung Belgrads geht es derzeit auch in einem anderen, vor dem UNO- Tribunal laufenden Prozess, jenem gegen den früheren jugoslawischen Generalstabschef Momcilo Perisic, der während der Srebrenica- Operation im direkten Kontakt mit Mladic stand. Mladic wird von seiner Familie bis heute vor Schuldzuweisungen wegen der Ereignisse von Srebrenica in Schutz genommen. Sein Vater habe "mit Srebrenica nichts zu tun gehabt", sagte sein Sohn Darko über das Massaker. "Er hat Frauen und Kinder gerettet. Sein Befehl war es, die Verwundeten, Frauen und Kinder zu evakuieren", so Darko Mladic unter Berufung auf seinen Vater.