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Ardian
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Essay: Der Westen wollte lange nicht sehen, daß Milosevic ein albanerfreies Kosovo plant
Von Dunja Melcic
Wenn die Welt sich darüber gewundert hat, daß Slobodan Milosevic den Vertrag von Rambouillet nicht unterschreiben wollte, so bekommt sie jetzt die ebenso brutale wie klare Antwort. Er hat doch nicht die Autonomie des Kosovo 1989 annulliert und sich damit bei seinen Landsleuten den Namen des größten Serben verdient, um sie wieder zuzulassen, noch dazu unter internationaler Kontrolle. Ein wirklich autonomes Kosovo, wie die westlichen Vermittler es vorschlugen, bedeutet in Milosevic' Denksystem eine Niederlage.Die Antwort auf die Drohung der Nato war ja auch schon lange bekannt. Formuliert hat sie der Ultranationalist Vojislav Seselj, der wiederholt erklärte: "Nato-Angriffe werden uns wahrscheinlich große Schäden zufügen, dafür werden wir aber die Albaner restlos abschlachten." Milosevic hat nicht nur die Zerstörungen des eigenen Landes durch die Bombardements in Kauf genommen, er scheint die Angriffe der Nato geradezu einkalkuliert zu haben, um dem großen serbischen Traum vom albanerfreien Kosovo ein erhebliches Stück näher zu kommen. Schon im vorsozialistischen Jugoslawien war es eine Obsession serbischer Intellektueller und Politiker, Wege zu finden, um die Zahl der Albaner im Kosovo zu dezimieren. So schlug der serbische Historiker Vaso Cubrilovic 1937 der jugoslawischen Regierung ein Programm zur "Aussiedlung der Albaner" vor, nachdem alle sonstigen repressiven Maßnahmen erfolglos erschienen. Die politische Weltlage schätzte er als günstig ein: Wenn Hitler straflos "Zehntausende Juden aus dem Land jagen kann, wird die Vertreibung von einigen hunderttausend Albanern auch keinen Weltkrieg auslösen". In Cubrilovic' Denkschrift wurde zum ersten Mal von der "Säuberung von Albanern" gesprochen. Der geistige Erfinder der Säuberung des Kosovo von seinen albanischen Bewohnern erscheint im Vergleich mit der gegenwärtigen großserbischen Intellektuellenclique geradezu besonnen, obwohl er als junger Mann zum Kreis jener bosnischen Serben gehörte, die den Anschlag von Sarajevo 1914 zu verantworten hatten. Ein Krieg galt Cubrilovic offensichtlich nach dem Ersten Weltkrieg als ein Übel, die Ideenspender Milosevic' dagegen scheinen ihn sich herbeizuwünschen.Für die serbischen Niederlagen kennen sie nur einen Grund: die "neue Weltordnung" der Amerikaner, und mit Vorliebe spekulieren sie über eine serbische Zukunft, nachdem die Amerikaner einmal nicht mehr Herren der Weltordnung sein werden. Doch das Bewußtsein davon, daß die Weltlage gegenwärtig die Verwirklichung serbischer Träume nicht begünstigt, führte nicht dazu, daß man auf ihre Realisierung verzichten würde. Seit Jahren schon klagen serbische Professoren und Akademiemitglieder, daß nach allen Verlusten von "serbischen Ländern" nun auch das Kosovo verloren sei. Ein Kosovo, in dem die Albaner gleichberechtigt wären, gar ein Kosovo mit einer mehrheitlich albanischen Regierung und mit Schulen und TV in albanischer Sprache gilt den Serben als verloren. So empfanden sie damals schon, als das Kosovo im sozialistischen Jugoslawien autonom verwaltet wurde. Die Aufhebung dieser Selbständigkeit begrüßten sie mit der Parole: "Slobo gab uns das Kosovo zurück.""Slobo" fand nun, daß ihm die Luftangriffe der Nato auf dem Boden freie Hand für den totalen Krieg gegen die Kosovo-Albaner lassen. Der vierte Krieg Milosevic' ist sein schlimmster Ausrottungszug. Das Kosovo steht in jeder Hinsicht unter der vollkommenen Kontrolle seiner Polizei, seiner Sicherheitskräfte und seiner Soldateska. Die ganze Verwaltung und die gesamte Infrastruktur sind fest in Milosevic' Hand. In aller Ruhe konnte der Vernichtungszug vorbereitet werden, während der Westen sich mit illusionären Plänen zur "Konfliktlösung" beschäftigte. Gerade weil Milosevic nichts - inklusive das Kosovo - für die Zukunft retten kann, blieb ihm nur Neros Weg der Brandstiftung, der verbrannten Erde.Der Haß der Serben auf die anderen Völker ist grenzenlos. Der Tod eines Slowenen, sagte der Dichter Matija Beckovic während des Krieges in Slowenien im serbischen Fernsehen, berühre ihn "soviel wie der Tod einer Robbe". Dieser Haß entlud sich auf die Kroaten in Vukovar und vielen anderen Ortschaften des Grauens, die im Westen systematisch ignoriert wurden. Um ein vielfaches gesteigert, tobte er in Bosnien-Herzegowina gegenüber den Bosniaken. Doch der serbische Haß auf die Albaner gleicht dem Schwarzen Loch: undurchdringbar, mit kaum vorstellbarer zerstörerischer Negativkraft. Daß Milosevic die Luftangriffe der Nato dazu nützt, den Vernichtungszug gegen die Albaner in eine beschleunigte Endlösung zu verwandeln, ist der Nato nicht anzulasten. Doch die jetzige Katastrophe der Kosovo-Albaner hat auch mit der Unfähigkeit des Westens zu tun, rechtzeitig zu handeln. Die westlichen Politiker wollten, daß Milosevic in den von ihm entfachten Kriegen als eine Konfliktpartei in unübersichtlichen Bürgerkriegen gilt. Statt sich um Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen für Milosevic' schutzlosestes Opfer zu bemühen, haben sie sich in eine Sackgasse hineinmanövriert: Das Handeln der Nato liefert die Albaner des Kosovo ans serbische Messer. Das Schlimmste aber ist: Sollte die Nato aufhören, würde der totale Krieg Milosevic' auf dem Boden nur noch fürchterlicher.
https://www.welt.de/print-welt/article569305/Serbiens-Hass-auf-die-Albaner.html
Von Dunja Melcic
Wenn die Welt sich darüber gewundert hat, daß Slobodan Milosevic den Vertrag von Rambouillet nicht unterschreiben wollte, so bekommt sie jetzt die ebenso brutale wie klare Antwort. Er hat doch nicht die Autonomie des Kosovo 1989 annulliert und sich damit bei seinen Landsleuten den Namen des größten Serben verdient, um sie wieder zuzulassen, noch dazu unter internationaler Kontrolle. Ein wirklich autonomes Kosovo, wie die westlichen Vermittler es vorschlugen, bedeutet in Milosevic' Denksystem eine Niederlage.Die Antwort auf die Drohung der Nato war ja auch schon lange bekannt. Formuliert hat sie der Ultranationalist Vojislav Seselj, der wiederholt erklärte: "Nato-Angriffe werden uns wahrscheinlich große Schäden zufügen, dafür werden wir aber die Albaner restlos abschlachten." Milosevic hat nicht nur die Zerstörungen des eigenen Landes durch die Bombardements in Kauf genommen, er scheint die Angriffe der Nato geradezu einkalkuliert zu haben, um dem großen serbischen Traum vom albanerfreien Kosovo ein erhebliches Stück näher zu kommen. Schon im vorsozialistischen Jugoslawien war es eine Obsession serbischer Intellektueller und Politiker, Wege zu finden, um die Zahl der Albaner im Kosovo zu dezimieren. So schlug der serbische Historiker Vaso Cubrilovic 1937 der jugoslawischen Regierung ein Programm zur "Aussiedlung der Albaner" vor, nachdem alle sonstigen repressiven Maßnahmen erfolglos erschienen. Die politische Weltlage schätzte er als günstig ein: Wenn Hitler straflos "Zehntausende Juden aus dem Land jagen kann, wird die Vertreibung von einigen hunderttausend Albanern auch keinen Weltkrieg auslösen". In Cubrilovic' Denkschrift wurde zum ersten Mal von der "Säuberung von Albanern" gesprochen. Der geistige Erfinder der Säuberung des Kosovo von seinen albanischen Bewohnern erscheint im Vergleich mit der gegenwärtigen großserbischen Intellektuellenclique geradezu besonnen, obwohl er als junger Mann zum Kreis jener bosnischen Serben gehörte, die den Anschlag von Sarajevo 1914 zu verantworten hatten. Ein Krieg galt Cubrilovic offensichtlich nach dem Ersten Weltkrieg als ein Übel, die Ideenspender Milosevic' dagegen scheinen ihn sich herbeizuwünschen.Für die serbischen Niederlagen kennen sie nur einen Grund: die "neue Weltordnung" der Amerikaner, und mit Vorliebe spekulieren sie über eine serbische Zukunft, nachdem die Amerikaner einmal nicht mehr Herren der Weltordnung sein werden. Doch das Bewußtsein davon, daß die Weltlage gegenwärtig die Verwirklichung serbischer Träume nicht begünstigt, führte nicht dazu, daß man auf ihre Realisierung verzichten würde. Seit Jahren schon klagen serbische Professoren und Akademiemitglieder, daß nach allen Verlusten von "serbischen Ländern" nun auch das Kosovo verloren sei. Ein Kosovo, in dem die Albaner gleichberechtigt wären, gar ein Kosovo mit einer mehrheitlich albanischen Regierung und mit Schulen und TV in albanischer Sprache gilt den Serben als verloren. So empfanden sie damals schon, als das Kosovo im sozialistischen Jugoslawien autonom verwaltet wurde. Die Aufhebung dieser Selbständigkeit begrüßten sie mit der Parole: "Slobo gab uns das Kosovo zurück.""Slobo" fand nun, daß ihm die Luftangriffe der Nato auf dem Boden freie Hand für den totalen Krieg gegen die Kosovo-Albaner lassen. Der vierte Krieg Milosevic' ist sein schlimmster Ausrottungszug. Das Kosovo steht in jeder Hinsicht unter der vollkommenen Kontrolle seiner Polizei, seiner Sicherheitskräfte und seiner Soldateska. Die ganze Verwaltung und die gesamte Infrastruktur sind fest in Milosevic' Hand. In aller Ruhe konnte der Vernichtungszug vorbereitet werden, während der Westen sich mit illusionären Plänen zur "Konfliktlösung" beschäftigte. Gerade weil Milosevic nichts - inklusive das Kosovo - für die Zukunft retten kann, blieb ihm nur Neros Weg der Brandstiftung, der verbrannten Erde.Der Haß der Serben auf die anderen Völker ist grenzenlos. Der Tod eines Slowenen, sagte der Dichter Matija Beckovic während des Krieges in Slowenien im serbischen Fernsehen, berühre ihn "soviel wie der Tod einer Robbe". Dieser Haß entlud sich auf die Kroaten in Vukovar und vielen anderen Ortschaften des Grauens, die im Westen systematisch ignoriert wurden. Um ein vielfaches gesteigert, tobte er in Bosnien-Herzegowina gegenüber den Bosniaken. Doch der serbische Haß auf die Albaner gleicht dem Schwarzen Loch: undurchdringbar, mit kaum vorstellbarer zerstörerischer Negativkraft. Daß Milosevic die Luftangriffe der Nato dazu nützt, den Vernichtungszug gegen die Albaner in eine beschleunigte Endlösung zu verwandeln, ist der Nato nicht anzulasten. Doch die jetzige Katastrophe der Kosovo-Albaner hat auch mit der Unfähigkeit des Westens zu tun, rechtzeitig zu handeln. Die westlichen Politiker wollten, daß Milosevic in den von ihm entfachten Kriegen als eine Konfliktpartei in unübersichtlichen Bürgerkriegen gilt. Statt sich um Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen für Milosevic' schutzlosestes Opfer zu bemühen, haben sie sich in eine Sackgasse hineinmanövriert: Das Handeln der Nato liefert die Albaner des Kosovo ans serbische Messer. Das Schlimmste aber ist: Sollte die Nato aufhören, würde der totale Krieg Milosevic' auf dem Boden nur noch fürchterlicher.
https://www.welt.de/print-welt/article569305/Serbiens-Hass-auf-die-Albaner.html