[h2] Kosovo[/h2]
Serbiens Mafia kennt keine Grenzen
Von Thomas Roser 15. Juni 2008, 23:57 Uhr
Die Verfassung des Kosovo tritt am Sonntag in Kraft, aber im serbischen Norden hat sie keine Bedeutung.
Zvecan - Dunkle Berge überragen die ausgeweideten Werkshallen einer stillgelegten Zeche. Doch auch am vermeintlichen Ende der Welt röhren unverdrossen die Motoren. Aus den rostigen Auspuffen der wartenden Vehikel knattern dunkle Abgaswolken in die Sommerluft. Die abgetakelte Tankstelle am Ortsausgang des Weilers Zvecan im Norden der geteilten Kosovo-Stadt Mitrovica ziert weder ein schmuckes Firmenschild noch der übliche Minimarkt. Dennoch kann Eigentümer Sveta über mangelnden Zuspruch nicht klagen. "Das ist guter Kraftstoff, kommt direkt aus der Raffinerie in Pancevo. Es ist das gleiche Benzin wie bei Jugopetrol - nur billiger", versichert der Kosovo-Serbe grinsend.
Zufrieden streicht der Mann mit den schwieligen Händen das Bündel der Euro- und Dinar-Scheine seiner Tageseinnahme glatt. 78 Dinar, weniger als ein Euro, kostet der Liter bleifreies Benzin bei dem Tankstellenbetreiber mit den zahlreichen Zahnlücken. Dass seine Kunden beim Benzinkauf weder Mehrwert- noch Straßensteuer entrichten, liege ganz im Interesse von Serbiens Regierung in Belgrad, behauptet Sveta. Belgrad wolle den Kosovo-Serben helfen, "damit wir mehr Geld in der Tasche haben".
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Dass am Sonntag die Regierung in Pristina die neue Verfassung in Kraft setzen will, interessiert die Serben in Mitrovica nicht. Sie leben weiter, als sei der Norden des Kosovo noch immer Bestandteil des serbischen Mutterlandes; für sie bedeutet das Grundgesetz keine "Umwandlung des Kosovo in einen souveränen Staat", wie Regierungschef Hashim Thaci verkündet.
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Zwei Tage nach der Ausrufung der Unabhängigkeit hatten hier im Norden Hunderte maskierte Demonstranten am 19. Februar zwei Grenzübergänge nach Serbien in Brand gesetzt. Panisch ergriffen UN-Polizisten und Kosovo-Zöllner die Flucht, erst die anrückenden Kfor-Soldaten konnten die Lage wieder beruhigen. Die Verwüstungen seien im "Einklang mit der Regierungspolitik", ließ der nationalkonservative Kosovo-Minister Slobodan Samardzic verlauten.
Das Abfackeln der Grenzposten habe für die Schmuggelbanden "die Bahn frei gemacht", seufzt im Süden der geteilten Stadt Mitrovica Polizeisprecher Besim Hoti. Mit der Bekämpfung des Benzinschmuggels habe die Kosovo-Polizei KPS nun "alle Hände voll zu tun". Direkten Kontakt mit seinen serbischen Kollegen im Norden hat der Staatsdiener seit der Ausrufung der Unabhängigkeit allerdings keinen mehr. Diese weigern sich, Anordnungen von der KPS-Zentrale in Pristina entgegenzunehmen - und kommunizieren mit der albanischen KPS-Führung nur noch schriftlich über die UN-Verwaltung Unmik.
Wegen des serbischen Widerstands gegen die eigentlich für den 15. Juni geplante Einsetzung der von der EU geführten Eulex-Mission wird die Unmik zumindest im Nordkosovo wohl länger bleiben als ursprünglich geplant.
"Nichts" habe sich durch die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo für die Serben im Norden geändert, sagt auch Ökonom Andreja Mijanovic in Nord-Mitrovica: "Wir leben weiter in einer total anderen Welt als Pristina. Nichts, was in Pristina passiert, hat irgendeine Auswirkung auf das Leben hier." Es gebe kein Gericht, keine wirksame Grenzkontrolle, niemand wisse, wer eigentlich die Polizei kontrolliert: "Man kann nur froh sein, dass es hier noch nicht zu einem explosionsartigen Anstieg der Kriminalität gekommen ist."
Eine nachhaltige Entwicklungsstrategie für das Nordkosovo habe Belgrad aber nicht, so Mijanovic. Fast zwei Drittel der im Norden verdienten Einkommen entstammten Belgrads Staatsschatulle. Nur deshalb hätten die Bewohner von Mitrovica oft ein höheres Einkommen als in Belgrad: "Aber lebensfähig ist das hier kaum. Sollte Belgrad den Hahn zudrehen, droht der totale Kollaps. Man gibt Fisch. Aber man lernt uns nicht zu fischen."
Kosovo: Serbiens Mafia kennt keine Grenzen - Nachrichten Politik - WELT ONLINE