Belgrads Verstrickung in die Bürgerkriege in Bosnien-Herzegowina und Kroatien ist jetzt amtlich: Der frühere jugoslawische Generalstabschef Momcilo Perisic ist wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 27 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er wurde vom Haager UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) unter anderem des Mordes sowie der Verfolgung von Zivilisten in Bosnien und Kroatien in den 1990er Jahren für schuldig befunden.
Damit ist erstmals gerichtlich festgestellt, dass Serbien und das damals noch gemeinsam mit Montenegro gebildete Jugoslawien, maßgeblich in die kroatischen und bosnischen Bürgerkriege verwickelt waren. Dieser Nachweis dürfte bei verschiedenen Klagen gegen Serbien vor Internationalen Gerichten in Zukunft eine Rolle spielen. Möglicherweise könnten sich darauf auch Schadensersatzansprüche gründen.
Der Vorsitzende Richter des UNO-Tribunals, Bakone Moloto, erklärte am Dienstag zur Urteilsbegründung, damit werde auch Perisics Rolle beim Massaker von Srebrenica im Juli 1995 geahndet. Damals waren die bosnisch-serbischen Truppen in die UNO-Schutzzone Srebrenica einmarschiert und hatten rund 8.000 bosnische Muslime verschleppt und getötet.
Der 67-jährige Perisic habe in den 1990er Jahre als damaliger Generalstabschef der jugoslawischen Armee für "die substanzielle Unterstützung" der Serben in den Bürgerkriegen in Bosnien-Herzegowina (1992-1995) und Kroatien (1991-1995) gesorgt, begründete das Gericht am Dienstag seine Entscheidung. Die serbischen Armeen in diesen beiden Staaten hätten ohne die von Perisic organisierte Unterstützung mit Waffen, Soldaten und Offizieren nicht ihre Verbrechen durchführen können, hieß es in der Urteilsbegründung weiter. Auch habe die Lieferung von Munition und Ersatzteilen die bosnischen und kroatischen Serben erst in die Lage versetzt, dort "Kriegsverbrechen" und "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" zu verüben.
Perisic sei für die "extensive logistische Unterstützung" der Serben in den beiden Nachbarländern verantwortlich gewesen, beschrieb das Gericht die Rolle des damals höchsten Militärs in Belgrad. Er habe in enger Kooperation mit dem damaligen serbischen Autokraten Slobodan Milosevic und dem bosnisch-serbischen Militärführer Ratko Mladic "riesige Mengen von Infanterie- und Artilleriemunition, Treibstoff, Ersatzteile und das Training und die technische Hilfe" bereitgestellt. Auch Mladic wird zur Zeit in Den Haag der Prozess gemacht.
Für die von Perisic gesicherte Unterstützung der serbischen Militärs in Bosnien und Kroatien sei vor allem "die große Zahl von Soldaten und Offizieren" wichtig gewesen, die aus der jugoslawisch-serbischen Armee in die serbischen Armeen dieser beiden Nachbarländer wechselten. Diese von Perisic organisierten Offiziere hätten weiter auf den Gehaltslisten der jugoslawischen Armee in Belgrad gestanden. Sie hätten maßgeblich die Verbrechen in diesen beiden Nachbarländern geplant und beaufsichtigt.
Perisic war von 1993 bis 1998 Generalstabschef der jugoslawischen Armee. Die Staatsanwaltschaft forderte Ende März lebenslange Haft. Der 67-Jährige, dessen Prozess im Oktober 2008 begann, hatte auf nicht schuldig plädiert.