Hungersnot in Somalia: Erstmals Milizen aus Mogadischu vertrieben
Mitten in der schwersten Hungerkrise seit Jahren bahnen sich in Somalia wichtige politische Veränderungen an: Die Regierung hat nach eigenen Angaben die radikalislamischen Milizen der al-Schabab in nächtlichen Kämpfen aus der Hauptstadt Mogadischu vertrieben.
Al-Schabab sprach von einem taktischen Rückzug und kündigte Vergeltung an. In dem Bürgerkriegsland, das besonders hart von der Dürrekatastrophe in Ostafrika betroffen ist, gibt es seit 20 Jahren keine funktionierende Zentralregierung mehr.
Der somalische Präsident Scharif Scheich Ahmed lobte die Sicherheitskräfte für die Vertreibung der "Friedenhasser und Terroristen" aus der Hauptstadt. "Ich rufe die somalische Bevölkerung dazu auf, ihren Soldaten zu helfen und sie zu unterstützen und alle Al-Schabab-Mitglieder auszuliefern, die sich in ihren Häusern verstecken", sagte er am Sonnabend. Es sei Zeit, "die Früchte des Friedens zu ernten".
Ministerpräsident Abdiweli Mohamed Ali bestätigte in seinem schwer gesicherten Regierungssitz, dass Mogadischu nun unter der kompletten Kontrolle der Regierung sei: "Wir werden damit fortfahren, al-Schabab in allen Regionen Somalias zu vernichten." Die vom Westen unterstützte somalische Regierung beherrscht bisher nur kleine Teile des seit dem Bürgerkrieg von 1991 zerrissenen Landes. Selbst die Hauptstadt war bisher nicht völlig unter ihrer Kontrolle. Die 2009 nach einer Friedensregelung gebildete Regierung wird von Friedenstruppen der Afrikanischen Union Amisom unterstützt. Sie wird jedoch von der Al-Schabab-Miliz bekämpft, die große Teile Südsomalias beherrscht, wo die Hungersnot besonders schlimm ist. Erst am Freitag hatte sich aber gezeigt, wie wenig die Regierung selbst ihr eigenes Militär unter Kontrolle hat: Bei einem bewaffneten Angriff auf UN-Lastwagen mit Lebensmitteln für die Hungernden waren mehrere Menschen getötet worden. Medienberichten zufolge sollen Regierungssoldaten für die Plünderung verantwortlich gewesen sein.
Dennoch gilt der Rückzug der al-Schabab als Durchbruch: "Erstmals seit 20 Jahren haben die Somalier jetzt die goldene Gelegenheit zu sehen, dass ihre Regierung Mogadischu vollständig beherrscht", sagte ein Regierungssprecher. Die Regierungstruppen seien nach einem Angriff von Milizionären gegen die Islamisten vorgegangen. "Es gibt heute Morgen keine al-Schabab mehr in Mogadischu." Dagegen erklärte Al-Schabab-Sprecher Scheich Ali Mohamud Rage: "Wir haben unsere Taktik geändert. Deshalb haben wir uns aus Mogadischu zurückgezogen." Nun würden die Angriffe verdoppelt.
Der Bürgerkrieg erschwert die Versorgung der Hungernden in der größten Dürre seit Jahrzehnten. Seit Jahren lassen die Rebellen nur bedingt Hilfslieferungen an die leidende Bevölkerung zu. Sie begründen dies damit, dass viele westliche Organisationen politische Ziele verfolgten. Zuletzt drohten sie mit Angriffen auf die Lager in und um Mogadischu, in denen mehr als 100 000 Hungernde Zuflucht gesucht haben. Die Schabab-Milizen kämpfen für einen islamischen Gottesstaat am Horn von dpa
Afrika, der sich an einem weltweiten Dschihad beteiligt.
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