Macedonian
μολὼν λαβέ
Souli - Der Griechisch-Albanische Staat im Staat (Das Bild widme ich den tapfaren Souliotischen Kriegern)
Fotos:
http://www.ch-herrmann.com/suli/seiten/d/gallery/index.html
Souli - Geschichte eines vergessenen Ortes
Quelle:
"Suli", kolorierter Stahlstich, Buchillustration aus der Mitte des 19. Jahrhunderts
Der Reisende, der von Igoumenitsa oder Preveza kommend, der Küstenstraße durch den Epirus folgt, erreicht südlich von Parga eine weite, von Flüssen und Bewässerungskanälen durchzogene Ebene. Der Acheron, der Unterweltsfluß der Antike, hat hier ein Delta geschaffen, das im Osten von einer hohen Gebirgswand überragt wird. Bis zu 1600 m ragen hier Berggipfel aus der küstennahen Ebene steil in den Himmel. Es sind die Berge von Suli.
Wann diese Berge erstmals besiedelt wurden ist unklar, sicher ist jedoch, dass sich dort albanische Stämme niederließen, die während der Islamisierung Albaniens an ihrem christlichen Glauben festhielten. Der Epirus war damals ein gemischter, griechisch-albanischer Kulturraum. Im heutigen griechischen Teil ist dies -als Folge des zweiten Weltkriegs- nur noch an einzelnen Ortsnamen ablesbar. Im nördlichen, heute albanischen Teil, ist dies deutlicher, auch wenn die dortigen Griechen einem starken Assimilationsdruck ausgesetzt sind. Im osmanischen Reich unterschieden die türkischen Besatzer nach Religionszugehörigkeit, nicht nach ethnischer Zugehörigkeit, und so wurde Suli auch eine Zuflucht für Griechen, die mit der türkischen Obrigkeit in Konflikt geraten waren. In Suli bildete sich ein "Staat im Staat", der über lange Zeit eine regionale Autonomie verteidigen konnte.
"Das Tal von Suli und der Acheron", Stahlstich aus einer englischen Reisebeschreibung. Zu sehen ist der Fußweg entlang des Acheron. Er noch heute begehbar.
Mitte des 18. Jahrhunderts umfasste die "Konföderation von Suli" 60 Dörfer. Ihr Zentrum waren die Dörfer Suli und Samoniva, die Festungen Kiafa, Kunghi und Avarikos. Die Ruinenfelder um das heutige Dorf Suli lassen auch heute noch den Umfang der damaligen Besiedlung ahnen. Einige Tausend Menschen lebten hier. Eine Armee von 2000 Kämpfern sicherte die Unabhängigkeit der Gebirgsrepublik. Ein Zeitzeuge schrieb: "Kein Suliote geht dem Handel nach, oder hat irgendein Handwerk erlernt. Alles was sie von Kindheit an erlernt haben, ist der Gebrauch ihrer Waffen."
Die Türken versuchten wiederholt ihre Kontrolle über die aufständische Region wieder herzustellen. 1731 wurde Hatzi Achmet, Pascha von Ioannina, vom Sultan beauftragt, Suli zu unterwefen. Seine Armee von 8000 Mann scheiterte. 1754 erlitt Mustafa Pascha mit einer ebenso großen Armee das selbe Schicksal. In den folgenden Jahren versuchten es Mustafa Kokka mit 4000 Soldaten und Bekir Pascha mit 5000, beide vergebens. 1759 wurde Dost Bey, der Kommandeur von Dhelvinou, von den Sulioten geschlagen. Maxoud Aga von Margariti, Gouverneur von Arta, erging es 1762 nicht besser. 1772 griff Suleiman Tsapari Suli an, seine 9000 Mann starke Armee wurde vernichtet. 1775 scheiterte eine Expedition von Kurt Pascha.
Als 1788 der berüchtigte Ali Pascha Herrscher über das Paschalik Ioannina wurde, versuchte er 15 Jahre lang Suli zu unterwerfen. Zunächst vergebens. 1790 scheiterte eine Armee von 3000 Albanern. Auch durch die Geiselnahme einiger ihrer Führer ließen sich die Sulioten nicht bezwingen. Im darauf folgenden Angriff auf die Gebirgsrepublik töteten allein die suliotischen Frauen 700 von Alis Soldaten und verfogten die Überlebenden.
"Die Felsen von Suli", Zeichnung von Edward Lear, 1849
Unterstützung erhielten die Sulioten aus dem Ausland, vor allem von Russland und England. Sie lieferten Waffen und Munition. Die europäischen Großmächte sahen in den Sulioten ein willkommenes Mittel das osmanische Reich zu schwächen. Als es der englischen Diplomatie jedoch opportuner erschien die Türkei gegen Napoleon zu stabilisieren, wurden die Waffenlieferungen eingestellt. Ohne Nachschub und unter dem Druck jahrelanger Belagerung zerbrach die Einheit der suliotischen Clans. Der einflussreiche Botsaris-Clan verhandelte mit Ali Pascha. Er vereinbarte die Übergabe der Festungen gegen freien Abzug auf die ionischen Inseln, die von England besetzt waren. Weihnachten 1803 zogen die meisten Sulioten ab. Diejenigen, die blieben, leisteten erbitterten Widerstand gegen die anrückende türkische Armee. Der Mönch Samuil sprengte sich und andere auf der Festung Kunghi selbst in die Luft. Unterdessen brach Ali Pascha seine Zusage über freien Abzug. Die osmanische Armee griff die Abziehenden an, der Abzug geriet zur Katastrophe. Bei Zalongo stürzte sich eine Gruppe von suliotischen Frauen mit ihren Kindern von einer Felsklippe, um der Gefangennahme durch die Türken zu entgehen. Eine andere Gruppe sprengten sich in der Festung des Küstendorfes Riza selbst in die Luft. Viele jedoch erreichten den englischen Hafen Parga und ließen sich dort oder auf den benachbarten ionischen Inseln nieder.
Der Tod des Markos Botsaris war ein beliebtes Motiv für Propagandadrucke, die in Europa für die Unterstützung des griechischen Freiheitskampfes warben.
Katharina "Rosa" Botsaris war Hofdame im Dienste von Königin Amalia von Griechenland. Sie war eine bewunderte Schönheit ihrer Zeit an europäischen Höfen.
Gemälde von J. Stieler, München, 1841.
Die politische Instabilität auf dem Balkan nahm in den folgenden Jahren zu. Als sich die Anzeichen für einen Aufstand der Griechen gegen die türkische Herrschaft mehrten, sah Ali Pascha seine Chance den Epirus als eigenständigen Staat aus dem osmanischen Imperium zu lösen.
1820 rief er die Sulioten zur Hilfe, sie kehrten auf das Festland zurück und unterstützten ihren ehemaligen Feind gegen den Sultan. Das Unternehmen scheiterte, die türkische Armee nahm Ioannina ein und tötete Ali Pascha. Viele Sulioten schlossen sich daraufhin dem griechischen Aufstand an, der 1821 begonnen hatte. Mit Markos Botsaris und Kitsos Tsavellas stellten sie zwei der berühmtesten Revolutionsgeneräle.
Suliotische Einheiten kämpften auf dem gesamten nördlichen Festland. Gemeinsam mit Kriegsfreiwilligen aus ganz Europa ließen viele von ihnen ihr Leben bei der Verteidigung von Messolongi. Lord Byron, der prominenteste europäische Freiwillige der Revolutionsarmee und kommandierender General in Westgriechenland, versuchte sie in eine reguläre Armee zu integrieren und scheiterte damit. Die Clan-Struktur der Sulioten ließ sich nicht in die Armee integrieren.
Die Befreiung ihrer Heimat erlebte keiner der damals lebenden Sulioten. Bis 1909 unterhielt die türkische Armee einen Stützpunk auf der Festung Kiafa. Erst 1913, im Balkankrieg, eroberte die griechische Armee große Teile des Epirus und gliederte sie Griechenland an.
Der Preis, den die Sulioten für ihre Unbeugsamkeit zahlten, war hoch. Der griechisch-albanische Stamm, der soviel für das Entstehen eines griechischen Nationalstaats leistete, ist als Gemeinschaft von der Geschichte vernichtet worden. Sein Herkunftsort ist eine Trümmerwüste. Seine Nachkommen leben über Griechenland und die ganze Welt verstreut.
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