FOLTERTOD DES KLEINEN NICOLAS
Lebenslang für tyrannische Großmutter
Tyrannisch, autoritär, sadistisch: Das Geschworenengericht in Straßburg hatte keine Zweifel an der Hauptschuld der Großmutter am qualvollen Tod des neunjährigen Nicolas. Ihr Enkel war wochenlang geschlagen, getreten und gefesselt worden.
Straßburg - Sieben Tage lang hörte die Großmutter des an einem qualvollen Foltertod gestorbenen kleinen Nicolas im Straßburger Gerichtssaal ungerührt zu, während Gutachter die Leiden des Kindes beschrieben. Und auch als das Gericht gestern Abend die Höchststrafe "lebenslänglich" verkündete, zeigte die untersetzte Frau keine Regung. Auch die Eltern und ein Onkel des Kindes blieben bei der Urteilsverkündung regungslos. Die 34 Jahre alte Mutter, die dem bereits delirierenden Kind die vermutlich tödlichen Schläge auf den Kopf versetzt hatte, wurde zu 26 Jahren Haft verurteilt, ihr 23-jähriger Bruder zu 16 und der Vater des Kindes zu zehn Jahren. Die Geschworenen folgten damit weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Die Verurteilten hatten den neun Jahre alten Jungen im Sommer 2003 mehrere Wochen lang geradezu sadistisch zu Tode gequält. Nicolas wurde täglich geohrfeigt, mit Kochlöffeln blau geprügelt, gefesselt und bekam trotz der Sommerhitze kaum zu trinken. Nachts musste er oft geknebelt und an den Füßen gefesselt auf dem Boden knien. Wenn er vor Müdigkeit umkippte, bekam er Ohrfeigen.
Tagsüber musste das Kind stundenlang Strafarbeiten schreiben. In seine Hefte schrieb es beispielsweise 2772 Mal den Satz: "Nachts stehe ich nicht auf, um heimlich zu trinken." Gestorben ist der kleine Junge am 9. August 2003 an einer Hirnblutung, die von Schlägen auf den Kopf herrührte. Sein Körper war von rund 70 Wunden und Blutergüssen bedeckt und wegen des Wasserentzugs stark ausgetrocknet. "Das Kind hat eine lange, qualvolle Agonie durchlebt", sagte ein Gutachter.
Das Martyrium hatte Ende Juni 2003 begonnen, nachdem die aus Portugal stammende Großmutter mit ihrem Sohn zu ihrer Tochter, deren Mann und den vier Kindern des Paares gezogen war. Die 55-Jährige, die von Gutachtern als herrschsüchtig und gefühlsarm beschrieben wurde, sei die treibende Kraft bei den Misshandlungen gewesen, befand das Gericht. Die übrigen Familienmitglieder hätten sich zu ihren Werkzeugen machen lassen.
Vor allem die Mutter und der Onkel des Kindes beteiligten sich aktiv an den Misshandlungen, die das Gericht als "Folter und Barbarei" wertete. Der Vater malträtierte seinen Sohn zwar weniger brutal, ließ die anderen aber gewähren. Der 58-Jährige war vor Gericht als einziger unter Tränen zusammengebrochen, als Gutachter die Qualen seines Kindes schilderten. Schauplatz des Martyriums war eine heruntergekommene, enge Wohnung in einem Straßburger Sozialwohnungsviertel, in der die vier Erwachsenen und vier Kinder mit sieben Katzen und vier Schildkröten zusammengepfercht hausten.
Die Verteidiger machten geltend, dass die Peiniger des kleinen Nicolas alle selbst als Kinder von Angehörigen geprügelt worden waren. Außerdem warfen sie den Sozialämtern schwere Versäumnisse vor. Die Geschworenen ließen dies jedoch nicht als mildernde Umstände gelten.
Thérèse Jauffret, AFP :evil: