Die Odyssee von Stalins kleinem Spatz ist vorbei
Ihre Herkunft machte Stalins Tochter Swetlana zu einem Spielball zwischen Washington und Moskau. Auch in der Schweiz fand sie keine Zuflucht. Nun ist sie im Alter von 85 Jahren in den USA gestorben.
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Lana Peters bewegtes Leben ist vorbei: Die Tochter Josef Stalins starb am 22. November an Darmkrebs. Es ist der Schlussstrich unter eine Vita, welche die 85-Jährige zwischen Ost und West hin- und herpendeln liess – inklusive Zwischenstopp in der neutralen Schweiz.
Geboren wurde Lana Peters am 28. Februar 1926 als Swetlana Stalina. Sie war die einzige Tochter des sowjetischen Diktators Josef Stalin, der seinen «kleinen Spatz» anno dazumal küsste, knuddelte und mit Geschenken überhäufte, unter denen sogar US-Filme waren. Nicht nur der blutrünstige Vater liebte sie, sondern auch Mütterchen Russland: Swetlana wurde ein beliebter Babyname und selbst ein Parfum wurde nach ihr benannt.
«Ha! Er kann noch nicht mal richtig schiessen!»
1932 musste die Kleine jedoch einen tragischen Tiefschlag einstecken: Als sie sechs Jahre alt war, brachte sich ihre Mutter um. Und der Vater liess sie ein Jahrzehnt lang glauben, der Blinddarm habe Nadehda Alliluyeva hinweggerafft. Im Vergleich ging es Swetlana noch gut – vielleicht auch, weil ihr rotes Haar und ihre Sommersprossen Stalin an ihre Mutter erinnerten, wie Lana Peters später vermutete.
Ihr Bruder Jakob aus Stalins erster Ehe dagegen hatte gar nichts zu lachen. Als er sich ob des zerrütteten Verhältnisses zum Staatsführer selbst töten wollte und versagte, reagierte der Diktator mit Hohn, erzählte dem «Atlantic»: «Mein Vater hat sich über ihn lustig gemacht und spottete: ‹Ha! Er kann noch nicht mal richtig schiessen.›» Als die Nazis Jakob gefangen nahmen und gegen einen General austauschen wollten, lehnte Stalin ab. Was er selbst nicht hinbekam, erledigte der Feind: Jakob wurde erschossen.
Zehn Jahre Arbeitslager für den ersten Lover
Swetlanas erste grosse Liebe, ein jüdischer Filmemacher, wurde von Stalin für zehn Jahre nach Sibirien geschickt. Statt Literatur musste sie Geschichte studieren und wurde Lehrerin und Übersetzerin. Dann traf sie Grigory Morozov: Auch diesen jüdischen Mann wollte Stalin nicht kennenlernen. Wenigstens liess er das Paar 1945 heiraten. Sie bekamen Sohn Josef und liessen sich nach zwei Jahren wieder scheiden. 1949 heiratete sie mit Andrei Zhdanov den Sohn eines Freundes ihres Vaters, doch auch diese Ehe zerbrach nach der Geburt von Tochter Yekaterina wieder.
1953 schliesslich starb Josef Stalin und das Leben für Swetlana wurde härter. Sie verliebte sich in einen indischen Kommunisten, den sie aber nicht heiraten durfte. Als Brijesh Singh starb und sie 1967 seine Asche in seine Heimat überführte, nutzte sie die Gelegenheit und flüchtete in die US-Botschaft in Neu-Delhi. Der CIA brachte sie über Italien in die neutrale Schweiz, während Präsident Lyndon B. Johnson überlegte, was er mit Stalins Kind machen soll. Er entschied sich, Swetlana in die USA zu holen.
2,5 Millionen Dollar für Biographie
Im April 1967 erreichte Swetlana New York und schon Ende des Jahres lag ihre erste Biographie vor. «Twenty Letters to a Friend» war ein Verkaufsschlager und brachte der Autorin 2,5 Millionen Dollar ein. Ihre Reise aus der Sowjetunion verarbeitete sie 1969 in der zweiten Biographie «Only One Year». Das Diktatorenkind verbrannte öffentlich den alten Pass: Der KGB zog angeblich ein Attentat in Betracht, verwarf den Plan laut «Washington Times» aber, weil der Urheber zu offensichtlich gewesen wäre.
Ihren Vater nannte Swetlana damals ein «moralisches und seelisches Monster», das kommunistische System «hochgradig korrupt» und der KGP wie die Gestapo. Dennoch vermisste sie ihren Sohn Josef und Tochter Yekaterina, die 22 und 17 Jahre alt waren, als die Mutter flüchtete. Doch 1970 traf sie wieder einen Mann, der sie trösten konnte: Sie ehelichte William Wesley Peters, mit dem sie 1972 Tochter Olga bekam. 1973 war die Ehe jedoch schon wieder geschieden. 1978 wurde «Lana» Peters eine amerikanische Staatsbürgerin.
Plötzlich wieder pro Sowjets
1984 kehrte sie nach einem Aufenthalt in England in die Sowjetunion zurück und widerrief alles, was sie in den USA gesagt hatte. Sie habe im Westen «nicht einen Tag» in Freiheit gelebt. Als ein ABS-Reporter sie in Moskau darauf ansprach, schrie sie: «Ihr seid Wilde! Ihr seid unzivilisierte Menschen!» Obwohl Swetlana und Tochter Olga wieder sowjetische Staatsbürger wurden, mieden Josef und Jekaterina die Verwandtschaft. Über das Hin und Her in ihrem Leben sagte Svetlana laut «New York Times»: «Wo auch immer ich bin: hier, in der Schweiz, in Indien oder sonst wo. Australien. Irgendeine Insel. Ich werde immer eine politische Gefangene meines Vaters sein.»
Nach einem Zwischenstopp in Georgien landete Swetlana Peters 1986 wieder in den USA. Olga ging nach England. 1991 starb der letzte Ex-Mann Peters, 2008 ihr Sohn Josef Morozov, der Physiker geworden war. «Lana» verarmte und lebte zuletzt in einem Altenheim. Ihre erste Tochter Jekaterina «Katya» Zhdanov arbeitet heute als Vulkanologin auf der Halbinsel Kamtschatka, während Olga seit ihrer Hochzeit Evans heisst. Sie bat nach dem Tod ihrer Mutter um die Achtung ihrer Privatsphäre.