Für das Jahr 2003 wurden 1 815 Fälle von aktiver Sterbehilfe in den Niederlanden gemeldet, was einen Rückgang von 300 Fällen im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Was sich wie eine gute Nachricht anhört, bedeutet jedoch, dass es eine steigende Dunkelziffer gibt. Es ist anzunehmen, dass in weit mehr als den gemeldeten Fällen aktive Sterbehilfe vorgenommen wird. Auch die Staatssekretärin im niederländischen Gesundheitsministerium, Clémence Ross-van Dorp, geht von einem nachlassenden Meldeverhalten der beteiligten Ärzte aus und kündigte in einem Schreiben an das niederländische Parlament eine Untersuchung der Hintergründe an.
Es ist davon auszugehen, dass diese Fälle deshalb nicht an die regionalen Kontrollkommissionen gemeldet wurden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt wurden. Besonders bedenklich stimmt, so die Bayerische Stiftung Hospiz, die relativ geringe Zahl der aus Krankenhäusern und Pflegeheimen gemeldeten Fälle, da es sich dabei in der Regel um Personen handele, die auf die Pflege und Fürsorge anderer angewiesen seien und die häufig nicht mehr in der Lage seien, ihren Willen frei zu äußern. Die Stiftung Hospiz berichtet, dass in Belgien und den Niederlanden inzwischen immer mehr Menschen eine so genannte Lebensverfügung bei sich tragen, mit der sie sich vor Maßnahmen zur ungewollten Lebensbeendigung schützen wollen.
( ... )
Nach dem im Jahr 2001 in Kraft getretenen niederländischen Euthanasie-Gesetz, mit dem die seit 1994 geltende Sterbehilferegelung neu gefasst wurde, bleiben aktive Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid unter bestimmten Voraussetzungen von einer Strafverfolgung befreit. Danach hat ein Arzt bestimmte Sorgfaltskriterien zu erfüllen: Er muss zu der Überzeugung gelangt sein, dass der Patient „freiwillig und nach reiflicher Überlegung“ um Sterbehilfe gebeten hat. Er muss außerdem davon ausgehen können, dass der Zustand des Patienten „aussichtslos und sein Leiden unerträglich war“. Der Patient sollte über seinen Zustand und sein Leiden informiert sein, und der Arzt musste zu der Überzeugung gelangt sein, dass es in dem Stadium, in dem sich der Patient befand, keine andere Lösung gab. Ein Kollege musste zu Rate gezogen werden, und er hatte nachzuweisen, dass er „die Lebensbeendigung medizinisch sorgfältig ausgeführt hat“. Ob ein Arzt die gesetzlich vorgeschriebene Sorgfaltspflicht verletzt hat, überprüft eine regionale Prüfkommission. Dieser gehören ein Arzt, ein Jurist und ein Ethiker an. Auch Minderjährige dürfen um „Lebensbeendigung oder Hilfe bei Selbsttötung“ bitten, Minderjährige unter 16 Jahren benötigen das Einverständnis der Eltern.