Der Mord an den Armeniern durch türkische Truppen war der erste Genozid des 20. Jahrhunderts – und wird bis heute verschwiegen.
"Überall auf den Straßen lagen die Leichen, das ganze Land … war ein Schlachthaus." So erlebte es der amerikanische Konsul im ostanatolischen Harput 1915.
"In Deir Zor war ein großes Konzentrationslager für Armenier aus der ganzen Türkei aufgebaut", berichtete ein deutscher Arzthelfer. "Als ich dort war, gab es dort nur noch circa 60.000 Menschen, meist wandelnde Skelette, ihr Antlitz war vom Hunger entstellt, ihr Gesicht hatte nur noch wenig Menschliches." Angekommen waren zumeist nur noch Frauen und Kinder. Die Männer hatten die Soldaten schon vorher aussortiert.
Die schwedische Missionsschwester Alma Johansson, erinnerte sich: "Die verhafteten armenischen Männer wurden in Hölzer eingeklemmt, die Füße mit Nägeln beschlagen wie Pferde. Die Barthaare, Augenwimpern, die Nägel an den Fingern und die Zähne herausgezogen. Sie wurden mit Füßen nach oben gehängt. Viele sind gestorben, manche überlebten, kamen in ärztliche Behandlung. So haben wir diese Verletzungen zu sehen bekommen."
"Es ging darum", sagte der deutsche Generalkonsul Mordmann in Istanbul, "das hat mir Talat Pasa selbst bestätigt, die Armenier zu vernichten."
Talat Pasa machte aus dem Verbrechen selbst keinen Hehl. Er fragte damals den amerikanischen Generalkonsul in Istanbul, ob dieser ihm die Listen der Armenier besorgen könne, die Policen bei US-Versicherungen abgeschlossen hätten. Talat Pasa meinte, die Armenier seien jetzt tot, sie hätten auch keine Nachkommen mehr. Anspruchsberechtigt sei jetzt die türkische Regierung.
Deutsche Diplomaten und Missionare im Osmanischen Reich waren entsetzt über die Morde und Vertreibungen. Doch das Deutsche Reich war im Ersten Weltkrieg mit der jungtürkischen Regierung verbündet, deutsche Offiziere und Generäle dienten im Osmanischen Heer, Berlin wurde zum schweigenden Komplizen. Auf die Berichte seines empörten Botschafters in Istanbul antwortete der deutsche Reichskanzler Bethmann-Hollweg: "Unser einziges Ziel war, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig, ob darüber Armenier zugrunde gingen oder nicht."
Viele türkische Muslime zeigten damals mehr Mitgefühl als der deutsche Kanzler. Manche versuchten, Armeniern zu helfen. Doch viele erstarrten auch vor der Brutalität ihrer Regierung, die sich sicher sein konnte, nie zur Rechenschaft gezogen zu werden. Zu Recht. Der Gründervater der Türkei, Kemal Atatürk, schwieg. Seither leugnet der säkulare Nationalstaat den Völkermord, verfolgt die kemalistische Justiz alle, die das Verbrechen beim Namen nennen.
Westliche Regierungen schweigen zur Sache. Viele Türken wissen nichts davon oder wollen nichts wissen, einige ahnen etwas, manche haben mit der Aufarbeitung begonnen. Konferenzen, Ausstellungen, eine Unterschriftenaktion "Wir bitten um Vergebung" und Massendemonstrationen für einen 2007 erschossenen armenischen Journalisten zeugen davon.
An Talat Pasas Ruhestätte liegen heute Blumen, seine Opfer haben noch nicht mal ein Grab.
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