04.06.2010 17:36
Ungarn lässt Euro unter 1,20 Dollar fallen
Bis unter die Schwelle von 1,20 Dollar ist der Euro am späten Nachmittag gefallen. Fundamentale Gründe können die Volkswirte für den plötzlichen Schwächeanfall nicht erkennen. Doch hat sich heute die Schuldenkrise zurückgemeldet, diesmal aus Osteuropa.
Am Pranger steht diesmal Ungarn. Die vor wenigen Wochen gewählte konservative Regierung des EU-Landes hat ein massives Haushaltsdefizit eingeräumt. Der Fehlbetrag wird auf bis zu 7,5 Prozent geschätzt - doppelt so viel wie bisher angenommen. "Wir finden ständig neue Leichen im Keller", sagte ein Sprecher.
Spätestens Anfang kommender Woche soll das ganze Ausmaß der Haushaltsmisere bekanntgegeben werden. Maximal 72 Stunden später will die Regierung detaillierte Pläne für den Schuldenabbau verkünden.
Experten mahnen jedoch zur Besonnenheit. Erst kürzlich hatten Bankvolkswirte das Minus auf lediglich fünf Prozent des Haushalts beziffert, die Notenbank geht sogar nur von 4,3 bis 4,5 Prozent aus. Beobachtern zufolge ist es deshalb nicht ausgeschlossen, dass die gerade erst gewählte Mitte-Rechts-Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban mit den höheren Defizit-Schätzungen ein Horror-Szenario an die Wand malt, um ihre Wahlversprechen zu Steuersenkungen nicht einhalten zu müssen.
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20 Milliarden Euro Hilfszusagen
Dass Ungarn in einer heiklen Lage steckt ist zudem nichts Neues, muss doch das Land bereits seit Oktober 2008 vom Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der EU gestützt werden. Insgesamt sind Hilfen von rund 20 Milliarden Euro an die Donau geflossen, darunter 6,5 Milliarden aus Brüssel. Der frühere ungarische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany hatte die Finanzhilfe dringend erbeten, damit sein Land seinen finanziellen Verpflichtungen weiter nachkommen kann. Dieser Betrag könnte sich nun als unzureichend erweisen.
Deshalb hat die Schuldenmeldung für extreme Verunsicherung gesorgt. Die ungarische Landeswährung Forint fiel gegenüber dem Euro auf den tiefsten Stand seit einem Jahr und notierte bei 286,15 Forint. Der Preis für eine fünfjährige Ausfallversicherung (CDS) für ungarische Staatsanleihen schoss auf 430 von 314 Basispunkten hoch.
Der zuvor stabil bei 1,22 Dollar notierte Euro fiel wie ein Stein in Richtung 1,20-Dollarmarke und unterschritt diese kurz nach 17:30 Uhr. Im Sog der Euro-Schwäche drehte auch der Dax ins Minus, der fast zwei Prozent tiefer schloss.
Zu der Verunsicherung trugen die enttäuschenden US-Arbeitsmarktdaten bei: Was in normalen Zeiten zu einer Stabilisierung der Europa-Währung gegenüber dem Dollar geführt hätte, versetzte dem Euro einen weiteren Schlag. Denn derzeit gilt der Dollar an den internationalen Finanzmärkten - ob zu Recht oder Unrecht - bei unübersichtlichen Marktlagen als "sicherer Hafen", während der Euro als Risiko-Investment wahrgenommen wird.