Der Mörderstaat der Ustascha
Der "Unabhängige Staat Kroatien" - die katastrophalste Schöpfung von Hitlers "Neuordnung"
Adolf Hitler brütete schon über den Karten Russlands, als sein Kumpan Mussolini, der von dem annektierten Albanien aus mutwillig einen Krieg gegen Griechenland begonnen hatte, in arge Nöte geriet. Die Griechen warfen die Eindringlinge zurück, eine Niederlage schien unvermeidbar. Hitler fürchtete vor dem bereits konzipierten Überfall auf die Sowjetunion eine durch englisches Eingreifen drohende Balkanfront.
Deutsche Truppen sollten über das befreundete Bulgarien Mussolini aus der Patsche helfen. Deshalb der Versuch, auch Jugoslawien durch Einbeziehung in die Achse ruhig zu stellen.
Serbische Offiziere machten dem "Führer" einen Strich durch die Rechnung. Zwei Tage nach der Unterzeichnung des Dreimächtepakts in Wien stürzten sie den deutschfreundlichen Regierungschef, schickten Prinzregent Paul ins Ausland und ließen sich die Kursänderung vom minderjährigen König Peter bestätigen. Womit sie allerdings in Überschätzung ihrer Armee nicht gerechnet hatten, war, dass der am 6. April 1941 mit schweren Bombardements einsetzende "Blitzkrieg", unterstützt von Ungarn und Bulgarien, in elf Tagen beendet sein würde. Der "Verrat" Jugoslawiens wurde sofort durch dessen Auflösung bestraft.
In Rom wie in Berlin wusste man von den Schwierigkeiten, die eine Autonomie verlangende Kroaten Belgrad seit langem bereitet hatten. In Zagreb war die Wehrmacht sogar von der Bevölkerung freundlich begrüßt worden. Schon am 10. April hatte ein ehemaliger k. u. k. Offizier in Zagreb die Unabhängigkeit Kroatiens ausgerufen. Berlin zeigte Interesse, den Führer der Bauernpartei, Vladko Macek, zum Chef einer Satellitenregierung zu machen. Aber der winkte als Mitglied der letzten jugoslawischen Regierung ab. Nun kam Italien, dem Hitler ohnedies den Balkan als Interessengebiet zugestanden hatte, zum Zug. Und Mussolini setzte den ins italienische Exil geflüchteten Ustascha-Führer Ante Pavelic zum Herrn des neuen Staates ein. Der Preis, den Pavelic zahlen musste, war hoch: Die dalmatinische Küste bis Split und die Bucht von Kotor mussten an Italien abgetreten werden, und Kroatien sollte einen König aus dem italienischen Königshaus bekommen (Aimone von Savoyen nannte sich in Anknüpfung an das Mittelalter Tomislav II., aber er zog es vor, den heißen Boden Kroatiens nie zu betreten). Zum Ausgleich wurden dem "Unabhängigen Staat Kroatien" (NDH) Bosnien-Herzegowina und damit mehr als zwei Millionen orthodoxe Serben und 800.000 bosnische Muslime überlassen. Dagegen lebten nun 600.000 Kroaten auf italienischem Gebiet - eine für die nationalistische Propaganda der Ustascha, alle Kroaten vereinen zu wollen, eine von Anfang an schwere Belastung. Und wie "unabhängig" dieser Staat Kroatien wirklich war, lässt sich schon daran ermessen, dass sein gesamtes Gebiet in eine deutsche (von Zagreb bis Sarajewo) und drei italienische Besatzungszonen eingeteilt war.
Der "Poglavnik" (Führer), wie sich Pavelic nennen ließ, suchte seinen Staat von Anfang an durch Terror zusammenzuhalten, zumal sofort nach dem Waffenstillstand in Serbien und Bosnien die serbischen Tschetniks einen Untergrundkampf gegen die deutschen und italienischen Besatzer des Landes begannen und zugleich die bosnischen Muslime drangsalierten. Sehr bald trat an die Stelle des scheinbar so rasch beendigten Kriegs der Bürgerkrieg. Als Hitler die Sowjetunion überfiel, bekam dieser eine zusätzliche Note dadurch, dass nun auch die Kommunisten mit ihrem Führer Josip Broz-Tito, die sich zunächst abwartend verhalten hatten, den Partisanenkampf aufnahmen.
Pavelic schaltete zunächst jede politische Konkurrenz aus und ließ die Bauernpartei, hinter der zwanzig Jahre hindurch die Mehrheit der Kroaten gestanden war, verbieten und Macek, obwohl dieser zu Loyalität mit dem neuen Regime aufgerufen hatte, einsperren. Dann stellte er Ustascha-Milizen auf, die das Programm der "Kroatisierung" des Landes mit blutigem Terror begannen. Er richtete sich nicht nur gegen Juden und Roma, denen nach deutschem Vorbild alle bürgerlichen Rechte genommen wurden, sondern vor allem gegen die Serben. Die Ustascha richtete in den Serbengebieten grauenhafte Blutbäder an, Bedenken des Bevollmächtigten Generals für Kroatien, Glaise-Horstenau (er war 1936-38 "nationaler" Minister im Kabinett Schuschnigg gewesen) wischte Hitler mit der Bemerkung weg, "die Kroaten sollen sich nur austoben". Die Folge war, dass viele Serben sich den Partisanen oder den Tschetniks anschlossen. Der Versuch, Serben auf der einen Seite durch Zwangskatholisierung und Massentaufen zu Kroaten zu machen und auf der anderen Seite Zehntausende Serben in Konzentrationslager zu deportieren - das berüchtigtste war Jasenovac - führte zur Massenflucht von Ser- ben in das von Deutschen besetzte Gebiet Serbiens.
Hitlers permanenter Hunger nach Soldaten zwang auch die Kroaten, obwohl von den Italienern dabei behindert, zu der Domobranen-Heimwehr eine einsatzfähige Armee aufzustellen, Kanonenfutter zu liefern. So wurden im Kampf um Stalingrad auch kroatische Truppen verheizt. Eine schwere Demütigung fügte Himmler dem "Poglavnik" zu, als er die bosnisch-muslimische SS-Division "Handschar" aufstellte und vom Großmufti von Jerusalem segnen ließ, weil ihm die Kroaten zu unzuverlässig waren.
Der Kampf gegen die Tito-Partisanen war wechselvoll und wurde von allen Seiten gnadenlos geführt; der ins Abseits gedrängte Tschetnik-Führer Mihailovic, zunächst lange von der Londoner Exilregierung König Peters als Kriegsminister gehalten, kollaborierte dabei zunehmend mit der italienischen Besatzungsmacht. Zeitweilig waren große Gebiete des NDH-Staates in Bosnien völlig unter Titos Kontrolle, einer groß angelegten "Säuberungsaktion" entkam der Marschall, nun immer mehr auch von den Westmächten unterstützt, in letzter Minute.
Nach der Kapitulation Italiens durfte Pavelic die von Italien okkupierten Gebiete seinem Staat anschließen, so weit sie nicht in der Hand der Partisanen waren; Ansprüche auf Rijeka/Fiume und Istrien aber wurden zurückgewiesen, weil sie dem Gauleiter von Kärnten als "Operationszone Adriatisches Küstenland" unterstellt worden waren.
Bei Kriegsende flüchteten Hunderttausende Ustaschi, kroatische Soldaten und Zivilisten mit den deutschen Truppen nach Kärnten, um sich den Engländern zu ergeben. Diese lieferten sie an Titos Volksbefreiungsarmee aus, was für Zehntausende den Tod bedeutete. Pavelic allerdings, der über italienische Klöster nach Argentinien gelangte, war dort Gast von Präsident Peron und lebte nach dessen Sturz unbehelligt bis zu seinem Tod in Franco-Spanien