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"Warum haben Sie mein Lämmchen getötet?" -" Die Welt verhöhnt Opfer und Angehörige"

Architekt des NSU als V-Mann enttarnt

Von Andreas Förster




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Schauplatz des NSU-Prozesses: der Gerichtssaal 101 im OLG München.
Foto: REUTERS/Michael Dalder

Ein weiterer führender Neonazi aus Thüringen ist als ehemaliger V-Mann enttarnt worden. Er soll das Konzept für den NSU geliefert haben, auch Kontakte zu Uwe Mundlos sind nicht ausgeschlossen.

Ex-Neonazi: Architekt des NSU als V-Mann enttarnt | Neonazi-Terror - Berliner Zeitung
 
Neonazi-Skandal Der flirtende Agent, der einen Mord übersah


Berlin - Der Europasaal im Paul-Löbe-Haus des Bundestags ist an diesem Dienstag überfüllt. Hier tagt der Neonazi-Untersuchungsausschuss. Eigentlich sollte mittags die Sitzung beginnen. Aber der Sessel für die Zeugen ist noch leer. Er spiegelt sich in unzähligen Kameraobjektiven. Alle warten auf den kuriosesten Nebendarsteller der unsäglichen Mordserie, die hier verhandelt wird.

In der zweiten Reihe lässt sich derweil ein Mann nieder, der als unscheinbar zu beschreiben wäre, wenn er nicht einen glänzenden Siegelring und einen schon vor 20 Jahren aus der Mode gekommenen Krawattenclip zur Schau tragen würde. Glatze, Kaufhausbrille, brauner Anzug: der Mann kommt daher wie ein Schalterbeamter der Post – was er einmal war. Doch er benimmt sich so auffällig unauffällig, dass es keines hochgeklappten Trenchcoatkragens bedarf, um ihn als Mitarbeiter des Verfassungsschutzes zu identifizieren. Er ist der Zeuge, der heute befragt werden soll. Erstmals tritt er öffentlich auf. Er will aber erst auf dem Zeugenstuhl Platz nehmen, wenn Fotografen und Kameraleute des Saales verwiesen sind.

Der Mann spielt eine dubiose Rolle. Er war vor Ort, als am 6. April 2006 in Kassel Halit Yozgat erschossen wurde, das letzte der Neonaziopfer. 41 Sekunden vor dem Mord will er Yozgats Internetcafé verlassen haben, so hat die Polizei errechnet. Und er war der Einzige am Tatort, der sich nicht als Zeuge gemeldet hat. Dazu kommt: dieser Mann war Agent des hessischen Verfassungsschutzes. Er hatte beruflich mit der Neonaziszene zu tun – und selbst eine braune Vergangenheit. Deshalb wurde er in seinem Dorf der „kleine Adolf“ genannt.

Der Reihe nach: Andreas Temme, so der bürgerliche Name des Zeugen, hatte sich vom Postboten zum Oberinspektor des Geheimdienstes hochgearbeitet. Als solcher betreute er so genannte V-Leute, darunter einen Spitzel aus rechtsextremistischen Kreisen. Auch Kontakte zum Rockermilieu wurden ihm nachgewiesen. Außerdem besaß er mehrere Waffen – Temme war Mitglied eines Schützenvereins. Obwohl frisch verheiratet, suchte er in seiner Freizeit häufig Internetcafés auf. Dort verwandelte sich der Oberinspektor in „wildman70“. Unter diesem Pseudonym flirtete er online mit Frauen. So auch am Mordtag .
„Das Ganze hatte mit mir als Mensch zu tun, aber nicht mit mir als Verfassungsschützer“, erzählt er rückblickend. Der leitende Ermittler von damals glaubt nach wie vor, dass Temme die tödlichen Schüsse gehört und die Leiche gesehen haben müsste. Der ehemalige Agent, inzwischen in eine harmlosere Behörde versetzt, behauptet aber vor dem Untersuchungsausschuss: „Ich war’s nicht. ich hab’ nichts wahrgenommen. Und es gibt auch keinen Grund, warum ich etwas, was ich wahrgenommen haben könnte, verschweigen sollte.“

Die Polizei war Temme mit Hilfe der Internetprotokolle auf die Schliche gekommen. Der Mann hatte sich bei der Flirtline zwar mit falschem Namen, aber mit echter Handynummer angemeldet. Sein Verhalten nach dem Mord war ähnlich professionell. Er habe sich geschämt, seiner schwangeren Ehefrau die virtuellen Seitensprünge zu beichten, und seine Anwesenheit am Tatort deshalb verschwiegen, sagt Temme. Als er davon erzählt, tonlos, unartikuliert wie die gesamte stundenlange Zeugenaussage, da bricht seine Stimme ab, er blickt zu Boden, entschuldigt sich – und redet weiter, als wäre alles nur einstudiert, wenn auch miserabel inszeniert.

Ende 2006 wurde Temme festgenommen, kam in U-Haft. Aber das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Die hessische Landesregierung verhindert, dass Temmes V-Mann von der Polizei vernommen werden kann, obwohl er sich mit diesem über die Tat unterhalten hat. Der Grüne Wolfgang Wieland spricht seinen Kollegen im Untersuchungsausschuss aus der Seele, als er zu Temme sagt: „Treten Sie mal einen Schritt neben sich und fragen Sie sich, ob Sie das alles selbst glauben würden.“

Neonazi-Skandal: Der flirtende Agent, der einen Mord übersah - Politik - Stuttgarter Zeitung

Schon krass !
 
Wichtiger Zeuge im Auto verbrannt

Ein junger Mann verbrennt Mitte September bei Stuttgart in seinem Auto. Die Polizei geht von einem Suizid aus. Doch ein Abschiedsbrief ist nicht gefunden worden. Er starb, kurz bevor ihn der Staatsschutz zu möglichen Komplizen der rechten Terrorgruppe NSU befragen wollte.

Ein mysteriöser Todesfall in Baden-Württemberg heizt Spekulationen um mögliche noch unbekannte Komplizen der rechten Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) weiter an. Ein 21-jähriger Mann aus dem Landkreis Heilbronn war vor zwei Wochen in seinem Auto verbrannt – nur wenige Stunden bevor ihn offenbar der Staatsschutz über Neonazis in der Region befragen wollte.
Die Polizei geht von einem Selbstmord aus, angeblich aus Liebeskummer. Demnach habe sich das Opfer am 16. September in seinem eigenen Auto verbrannt. Einen Abschiedsbrief gibt es aber nicht. Auch hatten Zeugen eine Explosion beobachtet, kurz nachdem der Mann nahe dem Cannstatter Wasen in Stuttgart in sein Auto eingestiegen war. Erst danach habe das Fahrzeug Feuer gefangen und sei ausgebrannt, sagen diese Zeugen.
Bei dem Toten handelt es sich um Florian H., der bereits im Januar 2012 zum Polizistenmord in Heilbronn befragt worden war. Zuvor soll es einen anonymen Hinweis gegeben haben, wonach H. Kenntnisse über den Mord an der Beamtin Michele Kiesewetter haben könnte. Die Tat vom April 2007 wird dem NSU zugerechnet. In der Vernehmung bestritt H. allerdings, etwas von dem Mordanschlag zu wissen. Dafür soll er jedoch Hinweise auf eine weitere rechtsterroristische Gruppe gegeben haben. Dies wurde erst jetzt, kurz vor seinem Tod, bekannt – durch den Anfang September veröffentlichten Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag.

Treffen in Öhringen

In diesem Bericht gibt der Ausschuss einen Ermittlungsbericht des Landeskriminalamtes (LKA) in Stuttgart vom 30. März 2012 wieder. Danach habe H. in seiner Vernehmung im Januar 2012 davon gesprochen, dass es in Baden-Württemberg eine Gruppe namens „Neoschutzstaffel“ (NSS) gebe. Diese NSS sei von H. als „zweite radikalste Gruppe“ neben dem NSU bezeichnet worden. Den Aussagen des Zeugen zufolge hätten sich auch Aktivisten beider Gruppierungen einmal in Öhringen, etwa 25 Kilometer östlich von Heilbronn gelegen, getroffen. Wann dieses Treffen stattgefunden haben soll, wusste H. jedoch nicht. Auch das LKA konnte offenbar nichts Näheres in Erfahrung bringen. Laut dem Ermittlungsbericht konnten die Angaben des Zeugen „nicht verifiziert“ werden.
Dass der baden-württembergische Staatsschutz H. jetzt ein weiteres Mal befragen wollte, hängt mit der Ermittlungsgruppe „Umfeld“ zusammen, die im Stuttgarter LKA vor einigen Monaten zu arbeiten begann. Die SoKo soll mit sogenannten Strukturermittlungen die rechtsextreme Szene im Land aufklären. Dazu sollte nun auch H., der von den Sicherheitsbehörden als Mitläufer der rechten Szene eingestuft wurde, erneut befragt werden.

Indizien im Brandmüll

Bislang gibt es aber nur Mutmaßungen darüber, ob H.s Tod mit seiner Vorladung beim Staatsschutz zu tun haben könnte. Eine mögliche Verbindung von baden-württembergischen Rechtsextremisten zum NSU ist hingegen nicht weit hergeholt. Während ihres Lebens im Untergrund unterhielten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe über Jahre hinweg persönliche Verbindungen in die Region um Heilbronn und Ludwigsburg. Auch weilten sie dort wiederholt zu Besuchen bei Gesinnungsfreunden.
Im Münchner NSU-Prozess waren zuletzt weitere Indizien bekannt geworden, die auf bislang unbekannte Komplizen des Terrortrios hinweisen. So fanden sich im Brandschutt der Zwickauer Wohnung Artikel aus bayerischen Regionalzeitungen über die NSU-Morde. Diese Zeitungen werden in Zwickau nicht vertrieben. Sie könnten dem Trio von Mitwissern zugeschickt worden sein. Die Bundesanwaltschaft beharrt in ihrer Anklage gegen Beate Zschäpe jedoch darauf, dass das Trio keine Komplizen bei ihren Mordtaten hatte.


Dann ist ja gut...
 
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