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[h2]Wer die Wahrheit schreibt, lebt in Russland gefährlich[/h2]
Von David Nauer, Iwanowo. Aktualisiert vor 56 Minuten
In Russland gibt es keine freie Presse? Stimmt nicht. Aber kritische Journalisten riskieren jeden Tag ihr Leben.
Ein Russischer Journalist notiert sich Auszüge aus einer Rede Putins. (Bild: Keystone)
Valeri Smetanin, 32, hat viele Feinde. Er ist Chefredaktor von «Iwanowo-Press», der einzigen unabhängigen Zeitung in Iwanowo, einer Kleinstadt 300 Kilometer nordöstlich von Moskau. «Wir schreiben über das wirkliche Leben», beschreibt er das Konzept des Blattes. Und da kommt Woche für Woche einiges zusammen. Der Chef des örtlichen Parlaments will sich auf Staatskosten einen BMW kaufen; Bürokraten kassieren sechsstellige Schmiergelder; der Gouverneur protzt beim Neujahrsempfang. «Die lokale Machtelite raubt unsere Region aus», sagt Smetanin.
Daneben bringt die Zeitung auch leichtere Kost: Kochrezepte und Gesundheitstipps, das Fernsehprogramm. Doch die Auflage sinkt dramatisch, von einst 18'000 auf noch 5000. Dahinter stecke der Gouverneur, sagt Smetanin. Er verbiete Kioskbesitzern, «Iwanowo-Press» zu verkaufen. «Wer es trotzdem tut, der verliert sein Geschäft.» Nicht einmal gedruckt werden kann das Blatt in der Region. Die Besitzerin von «Iwanowo-Press», eine unabhängige Juristin, musste eine Druckerei in der Nachbarregion suchen.
Dazu kommen die ständigen Druckversuche gegen Smetanin: Morddrohungen, seltsame Anrufe, Leute, die ihn verfolgen – das alles ist längst zur Gewohnheit geworden. Dabei ist er kein Einzelfall. Michail Beketow, Chefredaktor einer kleinen Zeitung im Moskauer Vorort Chimki, wurde im Herbst brutal verprügelt. Er hatte sich für die Erhaltung eines Waldes eingesetzt, den korrupte Beamte an Investoren verschachern wollten. Er liegt bis heute im Spital. Noch schrecklicher endete ein Anschlag vorige Woche in Moskau: Ein unbekannter Killer erschoss den Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow und die Journalistin Anastasia Baburowa. Die Hintergründe der Tat liegen im Dunkeln, und viele Beobachter befürchten, dass dies auch so bleibt. Gewalttaten gegen Journalisten und Andersdenkende werden in Russland kaum aufgedeckt. Es herrsche, beklagt die Organisation Reporters Sans Frontières, «ein Klima der Straflosigkeit».
Dabei hatte Wladimir Putin, als er im Jahr 2000 Präsident wurde, eine «Diktatur des Gesetzes» angekündigt. Und auch Putin-Nachfolger Dmitri Medwedew bekennt sich gerne zur Rechtsstaatlichkeit. Auf die Realität im Land haben sich diese schönen Worte bisher nicht ausgewirkt. Statt die Opfer zu schützen, richtet sich der Staat oftmals sogar gegen sie. So wie jenes Gericht in Iwanowo, welches den Journalisten Smetanin zu einer Busse wegen Verleumdung verurteilte. Sein Vergehen: Er hatte über korrupte Machenschaften des Gouverneurs berichtet. Leute wie Smetanin sind deswegen gezwungen, sich selber zu schützen – so gut es geht. Am Telefon ist der Journalist stets kurz angebunden, weil er Angst hat, abgehört zu werden. Auf ein Auto verzichtet er, damit er nicht so leicht verfolgt werden kann. Und für alle Fälle trägt er immer eine Art Pfefferpistole auf sich.
Warum tut er sich das alles an? Warum wechselt er nicht den Job? «Ich suche die Probleme ja nicht», sagt Smetanin. «Ich bin einfach Journalist und mache meine Arbeit.» (Tages-Anzeiger)
Erstellt: 27.01.2009, 22:21 Uhr
Von David Nauer, Iwanowo. Aktualisiert vor 56 Minuten
In Russland gibt es keine freie Presse? Stimmt nicht. Aber kritische Journalisten riskieren jeden Tag ihr Leben.
Valeri Smetanin, 32, hat viele Feinde. Er ist Chefredaktor von «Iwanowo-Press», der einzigen unabhängigen Zeitung in Iwanowo, einer Kleinstadt 300 Kilometer nordöstlich von Moskau. «Wir schreiben über das wirkliche Leben», beschreibt er das Konzept des Blattes. Und da kommt Woche für Woche einiges zusammen. Der Chef des örtlichen Parlaments will sich auf Staatskosten einen BMW kaufen; Bürokraten kassieren sechsstellige Schmiergelder; der Gouverneur protzt beim Neujahrsempfang. «Die lokale Machtelite raubt unsere Region aus», sagt Smetanin.
Daneben bringt die Zeitung auch leichtere Kost: Kochrezepte und Gesundheitstipps, das Fernsehprogramm. Doch die Auflage sinkt dramatisch, von einst 18'000 auf noch 5000. Dahinter stecke der Gouverneur, sagt Smetanin. Er verbiete Kioskbesitzern, «Iwanowo-Press» zu verkaufen. «Wer es trotzdem tut, der verliert sein Geschäft.» Nicht einmal gedruckt werden kann das Blatt in der Region. Die Besitzerin von «Iwanowo-Press», eine unabhängige Juristin, musste eine Druckerei in der Nachbarregion suchen.
Dazu kommen die ständigen Druckversuche gegen Smetanin: Morddrohungen, seltsame Anrufe, Leute, die ihn verfolgen – das alles ist längst zur Gewohnheit geworden. Dabei ist er kein Einzelfall. Michail Beketow, Chefredaktor einer kleinen Zeitung im Moskauer Vorort Chimki, wurde im Herbst brutal verprügelt. Er hatte sich für die Erhaltung eines Waldes eingesetzt, den korrupte Beamte an Investoren verschachern wollten. Er liegt bis heute im Spital. Noch schrecklicher endete ein Anschlag vorige Woche in Moskau: Ein unbekannter Killer erschoss den Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow und die Journalistin Anastasia Baburowa. Die Hintergründe der Tat liegen im Dunkeln, und viele Beobachter befürchten, dass dies auch so bleibt. Gewalttaten gegen Journalisten und Andersdenkende werden in Russland kaum aufgedeckt. Es herrsche, beklagt die Organisation Reporters Sans Frontières, «ein Klima der Straflosigkeit».
Dabei hatte Wladimir Putin, als er im Jahr 2000 Präsident wurde, eine «Diktatur des Gesetzes» angekündigt. Und auch Putin-Nachfolger Dmitri Medwedew bekennt sich gerne zur Rechtsstaatlichkeit. Auf die Realität im Land haben sich diese schönen Worte bisher nicht ausgewirkt. Statt die Opfer zu schützen, richtet sich der Staat oftmals sogar gegen sie. So wie jenes Gericht in Iwanowo, welches den Journalisten Smetanin zu einer Busse wegen Verleumdung verurteilte. Sein Vergehen: Er hatte über korrupte Machenschaften des Gouverneurs berichtet. Leute wie Smetanin sind deswegen gezwungen, sich selber zu schützen – so gut es geht. Am Telefon ist der Journalist stets kurz angebunden, weil er Angst hat, abgehört zu werden. Auf ein Auto verzichtet er, damit er nicht so leicht verfolgt werden kann. Und für alle Fälle trägt er immer eine Art Pfefferpistole auf sich.
Warum tut er sich das alles an? Warum wechselt er nicht den Job? «Ich suche die Probleme ja nicht», sagt Smetanin. «Ich bin einfach Journalist und mache meine Arbeit.» (Tages-Anzeiger)
Erstellt: 27.01.2009, 22:21 Uhr