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Seit einiger Zeit wird ja der Gedanke diskutiert, dass die ausserhalb der EU verbliebenen 6 Staaten des westlichen Balkan (WB6: Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien) eine Zollunion bilden sollten. Nachdem es zwischenzeitlich etwas ruhiger darüber wurde, hat die Diskussion jetzt wieder Fahrt aufgenommen:
Westbalkan
Pläne für ein Mini-Jugoslawien
Andreas Ernst, Belgrad 12.9.2017, 07:00 Uhr
Die Integration des Westbalkans in die EU bleibt auf absehbare Zeit illusorisch. Serbien macht sich daher stark für eine Zollunion in der Region. Die Idee stösst nicht überall auf Gegenliebe.
Wer mit dem Auto die Landesgrenzen im westlichen Balkan überquert, kennt den Anblick: Dutzende, manchmal Hunderte von Lastwagen stehen am Strassenrand und warten stunden- und tagelang auf die Zollabfertigung. Die Fahrer dösen oder spielen Karten. Nur im Halbstundentakt bewegt sich die Kolonne wenige Meter. Das kostet viel Geld. Nach Schätzungen der serbischen Regierung verursachen bürokratische Hemmnisse in der Region des westlichen Balkans (WB6: Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien) doppelt so hohe Logistikkosten wie in der Europäischen Union üblich.
Es sind solche Missstände, die im Februar den damaligen serbischen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Aleksandar Vucic veranlassten, dem österreichischen Bundeskanzler Christian Kern eine Westbalkan-Zollunion vorzuschlagen. Der nahm die Idee positiv auf. Österreich unterstützt zusammen mit Deutschland, Italien und Frankreich den sogenannten Berlin-Prozess. Diese Initiative versucht seit 2014, die regionale Integration des Westbalkans voranzubringen. Die Reformdynamik war damals erlahmt, nachdem Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein fünfjähriges Moratorium für neue Mitgliedschaften in der EU verkündet hatte. Bisher sind die Resultate des Berlin-Prozesses bescheiden. Umso mehr begrüssen Brüssel und Berlin den Vorschlag aus der Region, der auf ihrer Linie liegt.
Hohe Jugendarbeitslosigkeit
Die Ausgangslage ist indes trüb: Die sechs nationalen Märkte auf dem Westbalkan sind zu klein und zu kompliziert, um private Investoren in grossem Stil anzuziehen. Würden sie zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum verschmelzen, hätte dieser immerhin knapp 20 Mio. Einwohner – und einheitliche Regulierungen. Heute gibt es in allen Ländern eine hohe Jugendarbeitslosigkeit von 40 bis über 50%. Entsprechend gross ist die Abwanderung von jungen, gut Ausgebildeten.
...
Die Länder schotten sich mit nichttarifären Handelshemmnissen ab und zetteln periodisch kleine Handelskriege an, um ihre Märkte vor Konkurrenz zu schützen. Die bürokratischen Schranken für die Freizügigkeit von Kapital und Arbeit sind hoch. Das Handelsvolumen mit der EU beträgt 57,4%, jenes innerhalb der Region nur 18,5%. Die Schaffung der Zollunion soll nach serbischer Vorstellung die Krönung einer regionalen Wirtschaftszone sein. Dank verbesserten Verkehrswegen, gegenseitiger Anerkennung von Diplomen, Öffnung der Arbeitsmärkte und Breitband-Internetverbindungen soll ein von Exporten angetriebenes Wachstum stimuliert werden.
...
Der Absender zählt
Doch es sind nicht die Erklärungen aus Belgrad, die in den vergangenen Wochen einen positiven Stimmungsumschwung in der Region eingeleitet haben. Es war unter dem Vorsitz von EU-Erweiterungs-Kommissar Johannes Hahn, dass die sechs Ministerpräsidenten im albanischen Durres einen Aktionsplan für eine regionale Wirtschaftsunion beschlossen. Plötzlich scheint man sich einig, wohin die Reise gehen soll. Es spielt auf dem Westbalkan eben weiterhin eine Rolle, ob eine Botschaft aus Brüssel oder aus Belgrad kommt.
https://www.nzz.ch/wirtschaft/westbalkan-plaene-fuer-ein-mini-jugoslawien-ld.1315641
Eigentlich eine vernünftige und durchaus naheliegende Idee...
Westbalkan
Pläne für ein Mini-Jugoslawien
Andreas Ernst, Belgrad 12.9.2017, 07:00 Uhr
Die Integration des Westbalkans in die EU bleibt auf absehbare Zeit illusorisch. Serbien macht sich daher stark für eine Zollunion in der Region. Die Idee stösst nicht überall auf Gegenliebe.
Wer mit dem Auto die Landesgrenzen im westlichen Balkan überquert, kennt den Anblick: Dutzende, manchmal Hunderte von Lastwagen stehen am Strassenrand und warten stunden- und tagelang auf die Zollabfertigung. Die Fahrer dösen oder spielen Karten. Nur im Halbstundentakt bewegt sich die Kolonne wenige Meter. Das kostet viel Geld. Nach Schätzungen der serbischen Regierung verursachen bürokratische Hemmnisse in der Region des westlichen Balkans (WB6: Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Serbien) doppelt so hohe Logistikkosten wie in der Europäischen Union üblich.
Es sind solche Missstände, die im Februar den damaligen serbischen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Aleksandar Vucic veranlassten, dem österreichischen Bundeskanzler Christian Kern eine Westbalkan-Zollunion vorzuschlagen. Der nahm die Idee positiv auf. Österreich unterstützt zusammen mit Deutschland, Italien und Frankreich den sogenannten Berlin-Prozess. Diese Initiative versucht seit 2014, die regionale Integration des Westbalkans voranzubringen. Die Reformdynamik war damals erlahmt, nachdem Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ein fünfjähriges Moratorium für neue Mitgliedschaften in der EU verkündet hatte. Bisher sind die Resultate des Berlin-Prozesses bescheiden. Umso mehr begrüssen Brüssel und Berlin den Vorschlag aus der Region, der auf ihrer Linie liegt.
Hohe Jugendarbeitslosigkeit
Die Ausgangslage ist indes trüb: Die sechs nationalen Märkte auf dem Westbalkan sind zu klein und zu kompliziert, um private Investoren in grossem Stil anzuziehen. Würden sie zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum verschmelzen, hätte dieser immerhin knapp 20 Mio. Einwohner – und einheitliche Regulierungen. Heute gibt es in allen Ländern eine hohe Jugendarbeitslosigkeit von 40 bis über 50%. Entsprechend gross ist die Abwanderung von jungen, gut Ausgebildeten.
...
Die Länder schotten sich mit nichttarifären Handelshemmnissen ab und zetteln periodisch kleine Handelskriege an, um ihre Märkte vor Konkurrenz zu schützen. Die bürokratischen Schranken für die Freizügigkeit von Kapital und Arbeit sind hoch. Das Handelsvolumen mit der EU beträgt 57,4%, jenes innerhalb der Region nur 18,5%. Die Schaffung der Zollunion soll nach serbischer Vorstellung die Krönung einer regionalen Wirtschaftszone sein. Dank verbesserten Verkehrswegen, gegenseitiger Anerkennung von Diplomen, Öffnung der Arbeitsmärkte und Breitband-Internetverbindungen soll ein von Exporten angetriebenes Wachstum stimuliert werden.
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Der Absender zählt
Doch es sind nicht die Erklärungen aus Belgrad, die in den vergangenen Wochen einen positiven Stimmungsumschwung in der Region eingeleitet haben. Es war unter dem Vorsitz von EU-Erweiterungs-Kommissar Johannes Hahn, dass die sechs Ministerpräsidenten im albanischen Durres einen Aktionsplan für eine regionale Wirtschaftsunion beschlossen. Plötzlich scheint man sich einig, wohin die Reise gehen soll. Es spielt auf dem Westbalkan eben weiterhin eine Rolle, ob eine Botschaft aus Brüssel oder aus Belgrad kommt.
https://www.nzz.ch/wirtschaft/westbalkan-plaene-fuer-ein-mini-jugoslawien-ld.1315641
Eigentlich eine vernünftige und durchaus naheliegende Idee...