Y
Yunan
Guest
07.07.2011
Wut über Portugal-Abwertung
Europa macht Front gegen die Rating-Riesen
EU-Binnenmarktkommissar Barnier: Bewertung kriselnder Euro-Staaten gesetzlich verbieten?
Politiker, Zentralbanker, Wirtschaftsexperten: Nach der Herabstufung Portugals durch Moody's greift die europäische Finanzelite die Rating-Riesen scharf an. Um deren Einfluss einzudämmen, erwägt die EU-Kommission gar gesetzliche Verbote.
Brüssel/Frankfurt am Main - Die Rating-Agenturen stehen wegen ihrer Rolle in der Euro-Krise immer massiver in der Kritik. Nach der Herabstufung Portugals durch Moody's am Dienstag fordern Vertreter aus Politik, Wissenschaft und der Europäischen Zentralbank konkrete Schritte, um den Einfluss der drei großen Rating-Agenturen einzudämmen. Die EU-Kommission denkt gar über gesetzliche Schritte nach.
Demnach erwägt EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, Rating-Agenturen die Bewertung von kriselnden Euro-Staaten per Verbot zu untersagen. Barnier kann sich vorstellen, die Ratings für Staaten auszusetzen, die internationale Finanzhilfen erhalten. Es sei fraglich, ob es Sinn ergebe, solche Länder zu bewerten, teilte Barnier in einem am Donnerstag verbreiteten Statement mit. Bis zum Herbst wird die EU-Kommission laut Barnier Vorschläge zu diesem zentralen Thema machen.
Zudem forderte der Binnenmarktkommissar, die Rating-Agenturen müssten besser von der Politik beaufsichtigt werden. "Wir müssen mehr tun: mehr Wettbewerb schaffen, ihre Arbeitsweise transparenter machen, ihre Methoden über die Bewertung der Staatsschulden verschärfen und ihre quasi-institutionelle Rolle im System, also ihre Macht und ihren Einfluss, verringern."
Trichet und Juncker wettern gegen Rating-Agenturen
Auch Euro-Zentralbanker Jean-Claude Trichet schließt sich der deutlichen Kritik an den Rating-Agenturen an. "Es ist klar, dass eine kleine oligopolistische Struktur nicht wünschenswert ist auf der Ebene des globalen Finanzsystems", sagte der Präsident der Europäischen Zentralbank am Donnerstag in Frankfurt am Main. Die Arbeitsweise der Rating-Agenturen wirke prozyklisch, und dies sei nicht optimal. Erst am Mittwoch hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble das Vorgehen der Agentur scharf kritisiert und erklärt: "Wir müssen den Einfluss der Rating-Agenturen begrenzen."
Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker prognostiziert den Rating-Agenturen eine schwindende Bedeutung, sollten sie ihre Arbeitsweise nicht ändern. Falls sich die Bonitätswächter weiter so verhielten wie bisher, würden sie an Bedeutung verlieren, sagte Juncker am Donnerstag. Länder wie Portugal dürften nicht zu einer Zeit herabgestuft werden, in der sie Reformen umsetzten. Juncker sagte, er sei weiter für die Schaffung einer europäischen Rating-Agentur. Diese bringe jedoch nichts, wenn sie in der selben Art und Weise arbeite wie die bestehenden Agenturen.
"Sie gießen Öl statt Wasser ins Feuer"
Aus dem deutschen Regierungslager gab es erneut Forderungen nach einer Zähmung der Rating-Riesen: Der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Klaus-Peter Flosbach, verlangte eine stärkere Regulierung der Agenturen. Die eigenständige Risikobeurteilung durch Investoren solle zudem verstärkt werden. Die Aufsichtsbehörden sollten außerdem überprüfen, ob die Risikobeurteilung angemessen ist und eingehalten wird. Flosbach will darüber hinaus zivilrechtliche Haftungsregelungen für die Agenturen einführen.
OECD-Ökonom Pier Carlo Padoan warf den Rating-Riesen vor, sie verschärften wirtschaftliche Krisen durch "sich selbst erfüllende Prophezeiungen", wie Padoan der italienischen Zeitung "La Stampa" sagte. Die Unternehmen übermittelten nicht einfach Informationen, sondern gäben Urteile ab, die bereits bestehende Tendenzen verstärkten, sagte Padoan. "Das ist, als würde ein am Rande des Abgrunds Stehender hinabgestoßen."
Auch Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), kritisierte Moody's und Co. harsch: Die Agenturen hätten inzwischen auch politische Macht erlangt, die es ihnen "erlaubt, die Regierungen vor sich herzutreiben". Im Deutschlandradio Kultur sagte er, die Agenturen hätten viel früher warnen müssen und nicht jetzt, wo es darum gehe, Probleme zu lösen. "Sie gießen jetzt Öl statt Wasser ins Feuer und verschärfen das Problem." Es wäre begrüßenswert, die Marktmacht der Agenturen zu brechen.
fdi/dpa/Reuters/dapd/AFP
Wut über Portugal-Abwertung
Europa macht Front gegen die Rating-Riesen
EU-Binnenmarktkommissar Barnier: Bewertung kriselnder Euro-Staaten gesetzlich verbieten?
Politiker, Zentralbanker, Wirtschaftsexperten: Nach der Herabstufung Portugals durch Moody's greift die europäische Finanzelite die Rating-Riesen scharf an. Um deren Einfluss einzudämmen, erwägt die EU-Kommission gar gesetzliche Verbote.
Brüssel/Frankfurt am Main - Die Rating-Agenturen stehen wegen ihrer Rolle in der Euro-Krise immer massiver in der Kritik. Nach der Herabstufung Portugals durch Moody's am Dienstag fordern Vertreter aus Politik, Wissenschaft und der Europäischen Zentralbank konkrete Schritte, um den Einfluss der drei großen Rating-Agenturen einzudämmen. Die EU-Kommission denkt gar über gesetzliche Schritte nach.
Demnach erwägt EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, Rating-Agenturen die Bewertung von kriselnden Euro-Staaten per Verbot zu untersagen. Barnier kann sich vorstellen, die Ratings für Staaten auszusetzen, die internationale Finanzhilfen erhalten. Es sei fraglich, ob es Sinn ergebe, solche Länder zu bewerten, teilte Barnier in einem am Donnerstag verbreiteten Statement mit. Bis zum Herbst wird die EU-Kommission laut Barnier Vorschläge zu diesem zentralen Thema machen.
Zudem forderte der Binnenmarktkommissar, die Rating-Agenturen müssten besser von der Politik beaufsichtigt werden. "Wir müssen mehr tun: mehr Wettbewerb schaffen, ihre Arbeitsweise transparenter machen, ihre Methoden über die Bewertung der Staatsschulden verschärfen und ihre quasi-institutionelle Rolle im System, also ihre Macht und ihren Einfluss, verringern."
Trichet und Juncker wettern gegen Rating-Agenturen
Auch Euro-Zentralbanker Jean-Claude Trichet schließt sich der deutlichen Kritik an den Rating-Agenturen an. "Es ist klar, dass eine kleine oligopolistische Struktur nicht wünschenswert ist auf der Ebene des globalen Finanzsystems", sagte der Präsident der Europäischen Zentralbank am Donnerstag in Frankfurt am Main. Die Arbeitsweise der Rating-Agenturen wirke prozyklisch, und dies sei nicht optimal. Erst am Mittwoch hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble das Vorgehen der Agentur scharf kritisiert und erklärt: "Wir müssen den Einfluss der Rating-Agenturen begrenzen."
Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker prognostiziert den Rating-Agenturen eine schwindende Bedeutung, sollten sie ihre Arbeitsweise nicht ändern. Falls sich die Bonitätswächter weiter so verhielten wie bisher, würden sie an Bedeutung verlieren, sagte Juncker am Donnerstag. Länder wie Portugal dürften nicht zu einer Zeit herabgestuft werden, in der sie Reformen umsetzten. Juncker sagte, er sei weiter für die Schaffung einer europäischen Rating-Agentur. Diese bringe jedoch nichts, wenn sie in der selben Art und Weise arbeite wie die bestehenden Agenturen.
"Sie gießen Öl statt Wasser ins Feuer"
Aus dem deutschen Regierungslager gab es erneut Forderungen nach einer Zähmung der Rating-Riesen: Der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Klaus-Peter Flosbach, verlangte eine stärkere Regulierung der Agenturen. Die eigenständige Risikobeurteilung durch Investoren solle zudem verstärkt werden. Die Aufsichtsbehörden sollten außerdem überprüfen, ob die Risikobeurteilung angemessen ist und eingehalten wird. Flosbach will darüber hinaus zivilrechtliche Haftungsregelungen für die Agenturen einführen.
OECD-Ökonom Pier Carlo Padoan warf den Rating-Riesen vor, sie verschärften wirtschaftliche Krisen durch "sich selbst erfüllende Prophezeiungen", wie Padoan der italienischen Zeitung "La Stampa" sagte. Die Unternehmen übermittelten nicht einfach Informationen, sondern gäben Urteile ab, die bereits bestehende Tendenzen verstärkten, sagte Padoan. "Das ist, als würde ein am Rande des Abgrunds Stehender hinabgestoßen."
Auch Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), kritisierte Moody's und Co. harsch: Die Agenturen hätten inzwischen auch politische Macht erlangt, die es ihnen "erlaubt, die Regierungen vor sich herzutreiben". Im Deutschlandradio Kultur sagte er, die Agenturen hätten viel früher warnen müssen und nicht jetzt, wo es darum gehe, Probleme zu lösen. "Sie gießen jetzt Öl statt Wasser ins Feuer und verschärfen das Problem." Es wäre begrüßenswert, die Marktmacht der Agenturen zu brechen.
fdi/dpa/Reuters/dapd/AFP