Zu schwul für Serbien?
VON SILVIA TSCHUI
19.05.2008 | 11:46:48
BELGRAD. Morgen beginnt mit dem ersten Halbfinal der Eurovision Song Contest 2008: Politik, Tunten und ein homophobes Serbien, das sein Image aufmöbeln will.
Der Beitrag von Aserbeidschan
Im osteuropäischen Raum sorgt der Eurovision Song Contest (ESC) nicht nur für Unterhaltung, sondern hat auch politischen Stellenwert. Die Länder Ex-Jugoslawiens beobachten sehr genau, wer für wen stimmt. Dieses Jahr steht für Serbien einiges auf dem Spiel: Grosse Teile der Bevölkerung wollen in die EU. Da kommt das mediale Grossinteresse wegen des Song Contests gerade recht, um – westeuropäischen Werten gemäss – das serbische Image um die Begriffe Weltoffenheit und Toleranz zu erweitern. Gleichzeitig sind aber weite Kreise der Bevölkerung zutiefst religiös, nationalistisch und – homophob.
Aufmarsch der Publikumstunten
Homosexuelle aus ganz Europa reisen zum diesjährigen Tralalamarathon nach Belgrad. Doch Belgrad ist anscheinend so schwulenfeindlich, dass internationale Schwulenverbände Warnungen ausgeben. Man solle sich lieber nicht «auffällig» verhalten. «Schwule» Gesten und feminin inspirierte Kleider seien zu meiden. «In Belgrad würde ich sicher nicht auf der Strasse schmüselen», bestätigt Moel Volken von der schweizerischen Schwulenorganisation Pink Cross.
Die European Pride Organizers Association hat sich sogar beim Generalsekretär des Eurovision Song Contest erkundigt, ob das Land die Sicherheit der schwulen Fans garantieren könne. Der versichert: «Alles kein Problem, Präsident Boris Tadic und die örtliche Polizei werden sich um die Sicherheit des schwulen Publikums kümmern.» Dabei übersieht er, dass die Belgrader Polizei 2001 nicht einschritt, als homophober, nationalistischer Pöbel schwule Teilnehmer des Christopher-Street-Days in Belgrad verprügelte. Faschistische Gruppierungen wie «Obraz» sind laut Professor Dr. Ljubiša Rajic von der Universität Belgrad bekannt dafür, dass sie gewohnheitsmässig Schwule verprügeln. Und eine Umfrage zeigt laut «bild.de», dass 70 Prozent der Serben glauben, Homosexualität sei eine Krankheit. Da hilft auch der letztjährige Gewinn der lesbischen Serbin Marija Serifovic nichts.
Abmarsch der Sängertunten
Tunten und Transen gehören eigentlich seit zehn Jahren zur Eurovision wie die Butter aufs Brot. Seit 1998 die israelische Transsexuelle Dana International für einen Skandal sorgte, stand jedes Jahr mindestens ein transsexueller oder schwuler Interpret auf der Bühne. Dieses Jahr sucht man vergebens nach ihnen. Einzig Samir aus Aserbeidschan sieht mit seinen Engelsflügeln ziemlich tuntig aus. Doch schon sein nur leicht homoerotisch angehauchtes Video sorgt bereits für Kommentare: «Ist das in Aserbeidschan nicht Religionsverrat, was die zwei da bieten? Ich dachte, im muslimischen Glauben ist das verboten», schreibt ein Schweizer ESC-Fan im Forum
Eurovision Song Contest • Der Grand Prix Eurovision de la Chanson.