Die sezessionistischen Konfliktparteien in Kroatien, Bosnien-
Herzegowina und im Kosovo bedienten sich bei ihrem propagandistischen
Kampf für die Loslösung von Jugoslawien ebenfalls einer
PR-Agentur. Das
US-amerikanische Unternehmen Ruder Finn hatte
bereits 1967 die Sezession Biafras aus dem nigerianischen Staatsverband
propagandistisch vorbereitet; damals war die Selbständigkeit
der Provinz insbesondere gegenüber US-amerikanischen Meinungsführern
in Regierung, Parlament, Wirtschaft und Massenmedien
als »historische Notwendigkeit« dargestellt worden. Ähnlich wie in
den neunziger Jahren bei ihrem Engagement für die jugoslawischen
Teilrepubliken ging es Ruder Finn schon im Fall Biafras darum, die
Zentralregierung als Protagonisten eines organisierten »Völkermordes«
zu stigmatisieren, um so die USA zur diplomatischen Anerkennung
der Sezessionisten und zum militärischen Eingreifen zu bewegen.9
- Im Rahmen der psychologischen Kriegführung vor und während
des aktuellen Krieges gegen den Irak stand die Rendon Group der
US-Regierung zur Seite. Ihr Präsident, John W. Rendon jr., versteht
sich nach eigener Aussage als »Informationskrieger«, der »Kommunikation
nutzt, um die Ziele der Politik oder eines Unternehmens
zu erreichen«. Seine PR-Firma soll den Namen des Irakischen National
Kongresses geprägt und die Koalition von Oppositionsbewegungen
in den Jahren 1992 bis 1996 mit insgesamt 12 Millionen
Dollar finanziert haben; das Geld stammte aller Wahrscheinlichkeit
nach von der CIA. Darüber hinaus unternahm die Rendon Group
geraume Zeit den Versuch, mit Hilfe von Videos und Radioprogrammen
Mitglieder der irakischen Armee gegen Saddam Hussein
aufzuwiegeln.10
Von dem Frankfurter PR-Unternehmer und Rüstungslobbyisten
Moritz Hunzinger ist nicht bekannt, daß er während des Jugoslawien-
Krieges neben seiner Tätigkeit als Imageberater des Verteidigungsministers
Scharping auch als dessen Stichwortgeber fungierte.
Über das für die Bewältigung solcher Aufgaben notwendige Knowhow
verfügt er zweifellos, und auch das Denken in militärischen
Kategorien ist ihm nicht fremd: »Wer Osteuropa erobern will,
braucht die besten Multiplikatoren«, lautet ein Slogan seiner Eigenwerbung.
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Daß Journalisten zu Multiplikatoren für PR-Botschaften werden,
liegt letztlich in der politischen Ökonomie der Massenmedien begründet.
Bei diesen handelt es sich um kapitalistische Industriekonzerne,
die die Ware Information produzieren und verkaufen und
sowohl untereinander als auch mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten
um Leserzahlen bzw. Einschaltquoten und Werbeaufträge
konkurrieren. Auch die Journalisten selbst stehen untereinander in
einem Konkurrenzverhältnis, das noch dadurch verschärft wird, daß
viele von ihnen für mehrere Printmedien oder Rundfunksender
gleichzeitig arbeiten und nicht nach Arbeitsstunden bezahlt werden,
sondern nach Zeilenzahl oder Sendezeit. Was kann es für sie Schöneres
geben, als von der Pressestelle eines Unternehmens oder einer
PR-Agentur einen Beitrag zu erhalten, der mit geringfügigen Änderungen
versehen als eigener ausgegeben werden kann? Da sich mancher
Journalist zusätzlich als PR-Referent für potente Kunden verdingt,
verschwimmen die Grenzen zwischen beiden Berufsgruppen
mehr und mehr; ihre Angehörigen sind letztlich als etwas besser
bezahlte Lohnarbeiter anzusehen, die auf die Beschaffung, Bearbeitung
und Weitergabe von Informationen spezialisiert sind.
Dies läßt sie in Friedenszeiten für Geheimdienste12, in Zeiten des
Krieges für das Militär interessant werden: Nur der »Insider«, der
»embedded correspondent«, verfügt über Informationen, die es ihm
ermöglichen, sich von der Konkurrenz abzusetzen, und bietet gleichzeitig
die Gewähr dafür, daß nur diejenigen Informationen die Öffentlichkeit
erreichen, die für diese bestimmt sind. Das weiß man
auch bei der Bundeswehr, die mittlerweile eigene Lehrgänge für
Kriegsberichterstatter anbietet.
In kommenden Kriegen mit deutscher Beteiligung ist folglich
nicht davon auszugehen, daß sich die Journalisten hierzulande von
der Kriegspropaganda der eigenen Regierung distanzieren werden.
Aber vielleicht übernehmen ja dann CNN oder BBC den Part der
»kritischen« Berichterstattung.
http://www.rosaluxemburgstiftung.de/cms/fileadmin/rls_uploads/pdfs/manuskripte37.pdf