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26. November 2016
Vor 3000 Jahren brachten ominöse Seevölker die Hochkulturen des Mittelmeers zu Fall, die Welt versank im Krieg. Jetzt hat man mit den Luwiern die Schuldigen ausgemacht - sie könnten der Schlüssel zu einem der größten archäologischen Rätsel sein.
Söldner und Soldaten: Die Scherden gehören zu den Seevölkern. Für ihr Aussehen typisch sind die gehörnten Helme. Typisch für das Volk der Tekker (r.) waren die Federkronen.
Illustration: Sead Mujic
Die damalige Epoche birgt zwei große Rätsel. Nun stehen sie womöglich vor der Auflösung
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Die Archäologen mögen die Luwier lange übersehen haben, für Philologen und Sprachwissenschaftler gilt das keineswegs. So kamen bei der Ausgrabung der Hethiter-Hauptstadt Hattuša umfangreiche Archive an Tontafeln und -fragmenten zutage, gut 30 000 an der Zahl. Sie trugen Keilschrifttexte in mehreren, teils in der Kapitale gepflegten Sprachen, etwa Sumerisch, Akkadisch, Hattisch, Huritisch, Hethisch oder Palaisch - und schließlich auch Luwisch. Rund 200 Keilschrift-Fragmente sind dieser Sprache zuzuordnen, die daneben auch in Hieroglyphen verzeichnet wurde. Diese weisen gut 500 Symbole auf und wurden von Emil Forrer (1894 -1986) Anfang des 20. Jahrhunderts mit entschlüsselt. Der Schweizer Assyriologe hatte bereits 1920 die Vermutung angestellt, die Luwier seien ein "weitaus größeres Volk" gewesen als die Hethiter.
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Immerhin geben die Archive aus Hattuša ein Stück weit Auskunft über die politische Situation im Westen des Hethiter-Reichs. Sie dokumentieren dort etwa zwei Dutzend Kleinstaaten, die dennoch in kaum einer bronzezeitlichen Karte auftauchen. Die Menschen in diesen Gebieten waren im Lauf der Zeit teils Vasallen der Hethiter oder aber deren Gegner. Relativ bekannt ist etwa Arzawa, synonym für Luwiya, mit seiner Hauptstadt Apasa, dem Vorläufer des späteren Ephesus. Aus dem Gebrauch typischer persönlicher Namen lasse sich, so Zangger, schließen, dass in Arzawa Luwisch gesprochen wurde. Andere Kleinstaaten trugen die Namen Lukka, Kizuwatma oder Wilusa - letzteren setzen manche Forscher mit Troja gleich. Fühlte man sich dort ebenfalls als Luwier?
"Es ist unbekannt, wie die Leute in der Gegend in der Bronzezeit politisch organisiert waren", fasst Michael Galaty den Stand des Wissens zusammen. Antworten, so der Professor für mediterrane Archäologie an der Mississippi State University, würde am Ende nur die Archäologie liefern können, die nun am Zuge sei: "Mit einer ausreichenden Zahl an Ausgrabungen in der richtigen Tiefe dürfte es möglich sein herauszufinden, ob die Luwier ein Imperium und damit eine zivilisatorische Identität darstellten oder nicht."
Geschichte - Wurde die Hochkultur in der Türkei aus ideologischen Gründen übersehen? - Wissen - Süddeutsche.de
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Die unbekannte Weltmacht
Vor 3000 Jahren brachten ominöse Seevölker die Hochkulturen des Mittelmeers zu Fall, die Welt versank im Krieg. Jetzt hat man mit den Luwiern die Schuldigen ausgemacht - sie könnten der Schlüssel zu einem der größten archäologischen Rätsel sein.
Söldner und Soldaten: Die Scherden gehören zu den Seevölkern. Für ihr Aussehen typisch sind die gehörnten Helme. Typisch für das Volk der Tekker (r.) waren die Federkronen.
Illustration: Sead Mujic
Geopolitiker und Archäologen gleichen sich hier. Sie denken in Imperien. Und so schien die Welt der Ägäis in der Bronzezeit geordnet zu sein - dort, wo die westliche Kultur vor mehr als drei Jahrtausenden begann: Auf dem Gebiet der heutigen griechischen Halbinsel Peloponnes herrschten die Mykener, die so berühmte Paläste wie Mykene, Tiryns oder Pylos hinterließen. Dazu kam das minoische Zentrum auf und um Kreta, das von dem mit Delfin- und Wasserpflanzen-Malereien geschmückten Palast von Knossos aus regiert wurde. Daneben die Kykladen, Herrscher der ägäischen Inselwelt und in mancher Ausstellung gefeiert. Um diese Mittelpunkte gruppierten sich zwei weitere Weltmächte: Die alten Ägypter am Nil und ganz im Osten, was heute Anatolien heißt, das Reich der Hethiter mit ihrer Hauptstadt ḪHattuša.
Die damalige Epoche birgt zwei große Rätsel. Nun stehen sie womöglich vor der Auflösung
Doch einen wichtigen Kreis haben die Gelehrten womöglich schlicht vergessen, wie der deutsche Geoarchäologe Eberhard Zangger in seinem neuen Buch behauptet ("The Luwian Civilization: The Missing Link in the Agean Bronze Age), unterstützt von der Stiftung Luwian Studies, der auch der deutsche Literaturwissenschaftler und Mäzen Jan Philipp Reemtsma angehört, ebenso wie der Physiker Olaf Kübler, früherer Präsident der ETH Zürich. Vierter und womöglich sogar entscheidender Machtfaktor in der Bronzezeit war demnach ein Volk namens Luwier, so ist der Forscher überzeugt. Zangger lokalisiert sie in der westlichen Türkei, einer Weltgegend, in der zwar das sagenumwobene und von Homer besungene Troja liegt, das archäologisch aber immer noch ein weithin unbekanntes Gebiet ist.
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Die Luwier, ..., sind der Schlüssel zu den beiden größten Rätseln der Bronzezeit.
Zum einen ist das Troja und der Trojanische Krieg. Gegen die Feste zogen die Mykener mit einem gigantischen Tross. 100 000 Mann, darunter ihr König Agamemnon und Achilles, sowie 1200 Schiffe belagerten die legendären Mauern zehn Jahre lang und lieferten sich einen verlustreichen Krieg, der mutmaßlich um 1200 v. Chr. stattfand.
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Das zweite Rätsel dreht sich um den "Seevölkersturm". Just zur Zeit des Trojanischen Krieges überfielen Unbekannte wie aus dem Nichts die ägäischen Städte und rissen die bronzezeitlichen Hochkulturen in den Untergang. "Nach heutigem Verständnis war es ein Weltkrieg", sagt Zangger. Das Reich der Hethiter zerfiel, der minoische Palast von Knossos wurde ebenso zerstört wie die Machtbauten der Mykener. Im heutigen Syrien und in Libanon fielen Festungen in Schutt und Asche, darunter die Handelsmetropole Ugarit. Selbst die militärisch gut organisierten Ägypter, namentlich die Soldaten des Pharaos Ramses III., konnten sich des Angriffs der seltsamen Seevölker nur mit Mühe erwehren. Bis heute weiß niemand zu sagen, wer diese Seevölker waren und wieso sie aus dem Nichts auftauchten und nach vollbrachter Zerstörung wieder verschwanden. Dem Untergang der Hochkulturen gegen 1200 v. Chr. folgte eine vier Jahrhunderte währende dunkle Zeit, aus der kaum Nennenswertes überliefert ist, Selbst die Kenntnis der Schrift schien in weiten Gebieten verloren gegangen zu sein.
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Mit den bislang weitgehend unbekannten Luwiern auf dem historischen Schachbrett lassen sich die Rätsel nun lösen, zumindest nach Ansicht Zanggers. Denn diese Gruppe bildete, seinen Thesen zufolge, die mysteriösen Seevölker oder waren zumindest ihre Alliierten. Ihren Siedlungsraum will Zangger in der Westtürkei ausgemacht haben. Das Gebiet ist von der bronzezeitlichen Archäologie bislang völlig unbeachtet geblieben. Die Mykener rückten also nicht etwa zu einer Strafaktion gegen ein paar Einäugige aus, sondern gegen die Zentrale einer ihnen feindlich gegenüberstehenden Weltmacht: das vermutlich luwische Troja.
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In dreijähriger Arbeit durchforstete der türkische Archäologe Serdal Mutlu im Auftrag der Luwian Studies die Literatur. Am Ende konnte er 340 große bronzezeitliche Siedlungsplätze in der westlichen Türkei in einer Datenbank verzeichnen - mehr als die mykenischen, minoischen oder hethitischen zusammengenommen. Allerdings sind die wenigsten dieser Ort erforscht
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Die Luwier, ..., sind der Schlüssel zu den beiden größten Rätseln der Bronzezeit.
Zum einen ist das Troja und der Trojanische Krieg. Gegen die Feste zogen die Mykener mit einem gigantischen Tross. 100 000 Mann, darunter ihr König Agamemnon und Achilles, sowie 1200 Schiffe belagerten die legendären Mauern zehn Jahre lang und lieferten sich einen verlustreichen Krieg, der mutmaßlich um 1200 v. Chr. stattfand.
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Das zweite Rätsel dreht sich um den "Seevölkersturm". Just zur Zeit des Trojanischen Krieges überfielen Unbekannte wie aus dem Nichts die ägäischen Städte und rissen die bronzezeitlichen Hochkulturen in den Untergang. "Nach heutigem Verständnis war es ein Weltkrieg", sagt Zangger. Das Reich der Hethiter zerfiel, der minoische Palast von Knossos wurde ebenso zerstört wie die Machtbauten der Mykener. Im heutigen Syrien und in Libanon fielen Festungen in Schutt und Asche, darunter die Handelsmetropole Ugarit. Selbst die militärisch gut organisierten Ägypter, namentlich die Soldaten des Pharaos Ramses III., konnten sich des Angriffs der seltsamen Seevölker nur mit Mühe erwehren. Bis heute weiß niemand zu sagen, wer diese Seevölker waren und wieso sie aus dem Nichts auftauchten und nach vollbrachter Zerstörung wieder verschwanden. Dem Untergang der Hochkulturen gegen 1200 v. Chr. folgte eine vier Jahrhunderte währende dunkle Zeit, aus der kaum Nennenswertes überliefert ist, Selbst die Kenntnis der Schrift schien in weiten Gebieten verloren gegangen zu sein.
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Mit den bislang weitgehend unbekannten Luwiern auf dem historischen Schachbrett lassen sich die Rätsel nun lösen, zumindest nach Ansicht Zanggers. Denn diese Gruppe bildete, seinen Thesen zufolge, die mysteriösen Seevölker oder waren zumindest ihre Alliierten. Ihren Siedlungsraum will Zangger in der Westtürkei ausgemacht haben. Das Gebiet ist von der bronzezeitlichen Archäologie bislang völlig unbeachtet geblieben. Die Mykener rückten also nicht etwa zu einer Strafaktion gegen ein paar Einäugige aus, sondern gegen die Zentrale einer ihnen feindlich gegenüberstehenden Weltmacht: das vermutlich luwische Troja.
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In dreijähriger Arbeit durchforstete der türkische Archäologe Serdal Mutlu im Auftrag der Luwian Studies die Literatur. Am Ende konnte er 340 große bronzezeitliche Siedlungsplätze in der westlichen Türkei in einer Datenbank verzeichnen - mehr als die mykenischen, minoischen oder hethitischen zusammengenommen. Allerdings sind die wenigsten dieser Ort erforscht
Die Archäologen mögen die Luwier lange übersehen haben, für Philologen und Sprachwissenschaftler gilt das keineswegs. So kamen bei der Ausgrabung der Hethiter-Hauptstadt Hattuša umfangreiche Archive an Tontafeln und -fragmenten zutage, gut 30 000 an der Zahl. Sie trugen Keilschrifttexte in mehreren, teils in der Kapitale gepflegten Sprachen, etwa Sumerisch, Akkadisch, Hattisch, Huritisch, Hethisch oder Palaisch - und schließlich auch Luwisch. Rund 200 Keilschrift-Fragmente sind dieser Sprache zuzuordnen, die daneben auch in Hieroglyphen verzeichnet wurde. Diese weisen gut 500 Symbole auf und wurden von Emil Forrer (1894 -1986) Anfang des 20. Jahrhunderts mit entschlüsselt. Der Schweizer Assyriologe hatte bereits 1920 die Vermutung angestellt, die Luwier seien ein "weitaus größeres Volk" gewesen als die Hethiter.
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Immerhin geben die Archive aus Hattuša ein Stück weit Auskunft über die politische Situation im Westen des Hethiter-Reichs. Sie dokumentieren dort etwa zwei Dutzend Kleinstaaten, die dennoch in kaum einer bronzezeitlichen Karte auftauchen. Die Menschen in diesen Gebieten waren im Lauf der Zeit teils Vasallen der Hethiter oder aber deren Gegner. Relativ bekannt ist etwa Arzawa, synonym für Luwiya, mit seiner Hauptstadt Apasa, dem Vorläufer des späteren Ephesus. Aus dem Gebrauch typischer persönlicher Namen lasse sich, so Zangger, schließen, dass in Arzawa Luwisch gesprochen wurde. Andere Kleinstaaten trugen die Namen Lukka, Kizuwatma oder Wilusa - letzteren setzen manche Forscher mit Troja gleich. Fühlte man sich dort ebenfalls als Luwier?
"Es ist unbekannt, wie die Leute in der Gegend in der Bronzezeit politisch organisiert waren", fasst Michael Galaty den Stand des Wissens zusammen. Antworten, so der Professor für mediterrane Archäologie an der Mississippi State University, würde am Ende nur die Archäologie liefern können, die nun am Zuge sei: "Mit einer ausreichenden Zahl an Ausgrabungen in der richtigen Tiefe dürfte es möglich sein herauszufinden, ob die Luwier ein Imperium und damit eine zivilisatorische Identität darstellten oder nicht."
Geschichte - Wurde die Hochkultur in der Türkei aus ideologischen Gründen übersehen? - Wissen - Süddeutsche.de
Wer sind die Luwier?
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