Wer Panzer sprengt, der punktet. Tote Zivilisten geben Ärger: In einem neuen Onlinespiel können Möchtegern-Dschihadisten Heiliger Krieg spielen. Doch der Syrien-Krieg hat die Feindbilder verschoben. Gegner sind nicht die USA - sondern Iran.
Berlin - Das Spiel
"Jäger der Minenräumer" funktioniert genau andersherum wie der Klassiker "Minesweeper": Statt Sprengsätze zu räumen, soll man sie legen. Je mehr erfolgreiche Anschläge, desto mehr Punkte. Es ist ein simples Onlinespiel, das die US-Organisation Memri in einem dschihadistischen Internetforum entdeckt hat. Überraschend ist in dem Spiel der Bösewicht.
Vor der Kulisse einer modernen Großstadt mit Glashochhäusern und grünem Park soll der Spieler nicht etwa amerikanische Panzer in die Luft sprengen, sondern iranische. Auch Militärfahrzeuge mit der Fahne der libanesischen
Hisbollah, einem Verbündeten Irans, dürfen ins Visier genommen werden. In Dschihad-Foren werden immer mal wieder einfache Onlinespiele verbreitet. Sie gehören zum Propaganda-Arsenal im Internet, ebenso wie die dschihadistischen YouTube-Videos. Bisher wurde allerdings Jagd auf die Amerikaner und ihre Verbündeten gemacht. Doch der Krieg in
Syrien hat für die Dschihadisten einen weiteren Feind in den Vordergrund gerückt:
Iran.
In Syrien tobt ein doppelter Dschihad
Iran ist zwar eine Theokratie, doch die sunnitischen Qaida-Sympathisanten halten die mehrheitlich schiitischen Iraner für irrgläubig. Diese latente Feindschaft hat sich nun im syrischen Bürgerkrieg verschärft. Denn dort kämpft man auf unterschiedlichen Seiten.
Zu den vielen Fronten, die sich im syrischen Bürgerkrieg aufgetan haben, gehört inzwischen ein doppelter Dschihad: Auf der einen Seite kämpfen ausländische sunnitische Radikale gegen Assad, auf der anderen Seite ausländische schiitische Radikale für ihn.
Teheran unterstützt seinen Verbündeten Baschar al-Assad mit Kämpfern, Militärberatern, Waffen und Geld. Auch die von Iran unterstützte libanesische Hisbollah ist mit ihren Kriegern in Syrien im Einsatz. Die jüngsten größeren Militärerfolge etwa in
Kusair oder
Kalamun verdankte Assad weniger seiner eigenen Armee als dem Einsatz der Libanesen.
Die Zahl der ausländischen Kämpfer wird auf beiden Seiten auf je rund 5000 bis 10.000 geschätzt. Für Assad sind inzwischen nicht nur die Hisbollah-Krieger und iranische Revolutionsgardisten im Einsatz. Auch irakische Milizen und junge schiitische Freiwillige aus Irak und Iran sind nach Syrien gereist, weil sie glauben, ihre Heiligtümer gegen die radikalen Sunniten verteidigen zu müssen.
"Glückwunsch, Du wurdest zum Märtyrer"
Das Internetspiel "Jäger der Minenräumer" stellt bewusst den Bezug zu Syrien her. Im Vorspann wird der Spieler aufgefordert, die iranische Aggression gegen Syrien und Irak abzuwehren. Der Bürgerkrieg in Syrien hat auch den
Konflikt im Irak angeheizt. Auch dort tobt inzwischen wieder ein Bürgerkrieg. Teile des Nord- und Westiraks an der Grenze zu Syrien werden inzwischen von Radikalislamisten und mit ihnen verbündeten Milizen kontrolliert.
Wer genau das Spiel programmiert hat, ist unklar. Im Abspann heißt es "mit Grüßen vom Rechtskomitee des Islamischen Staats in Syrien und Irak". Diese Miliz (Isis) kämpft in beiden Ländern und gilt als radikalste und brutalste. Die
Qaida-Zentralführung im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet hat sich mit dem Isis-Anführer
Abu Bakr al-Baghdadi inzwischen zerstritten. Zynischerweise wird man im Onlinespiel gerügt, wenn man statt Militärs Zivilisten in die Luft sprengt. In der Realität ist Isis rücksichtslos. Bei Bombenanschlägen im Irak sterben regelmäßig Zivilisten. In Syrien hat Isis immer wieder ihnen
missliebige Zivilisten gekidnappt und geköpft.
Ins Dschihad-Forum gestellt wurde das Spiel von einem anonymen Mitglied, das schon mehrere Propaganda-Spiele erstellt hat wie etwa "Muslimisches Mali" kurz nach Beginn des französischen Militäreinsatzes in dem Land. In diesem Spiel geht es darum, so viele französische Kampfflugzeuge wie möglich abzuschießen. Wird man selbst getroffen, heißt es: "Glückwunsch, Du wurdest zum Märtyrer."
Syrien-Krieg: Dschihadisten können mit Onlinespiel Iraner jagen - SPIEGEL ONLINE