Im Tal der Lügen: 30 Jahre nach dem Dayton-Abkommen bleibt Bosnien tief gespalten
Im Drina-Tal wurden zehntausende Muslime und Musliminnen vertrieben, gefoltert und ermordet. Der Friedensschluss von Dayton hat die ethnischen Säuberungen zementiert
Vor der Einfahrt in die bosnische Stadt Foča sind auf einer Betonwand die Touristenattraktionen abgebildet: Rafting auf der Drina, der Uhrturm, das Sutjeska-Denkmal für die Partisanen, die Kirche des heiligen Sava. Das historisch wichtigste Gebäude fehlt hier allerdings: die Bunte Moschee, die 1550 erbaut wurde und einer der architektonisch bedeutendsten Bauten des Osmanischen Reichs war.
An sie will man offenbar nicht erinnern. In Ostbosnien bleiben die Muslime und Musliminnen auch auf der symbolischen Ebene ausgelöscht. Denn Foča liegt in dem Landesteil Republika Srpska (RS), welcher von serbischen Einheiten im Krieg erobert wurde – später wurde das im Friedensvertrag von Dayton legitimiert, obwohl hier grauenhafte Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden.
30 Jahre Dayton-Abkommen
Am 21. November jährt sich der Abschluss des Vertrags zum 30. Mal. Das Land, das 1995 befriedet werden sollte, bleibt seither gespalten. Denn durch die Zugeständnisse an die Aggressoren gibt es in der RS keine Anreize, an einem Zusammenleben zu arbeiten. Der einstige selbst ernannte Präsident der Republika Srpska, Radovan Karadžić, sagte bereits 1991, dass die Muslime im Falle eines Krieges "vom Angesicht der Erde verschwinden" würden. Und die internationalen Diplomaten, die an einem "Frieden" bastelten, arbeiteten genauso wie die Ethnonationalisten von Anfang an immer nur an Karten und Plänen, die auf der ethnischen Zerstückelung des Staates Bosnien-Herzegowina basierten. Auch der Dayton-Vertrag beruht auf diesem Konzept.
Im Drina-Tal wurden zehntausende Muslime und Musliminnen vertrieben, gefoltert und ermordet. Der Friedensschluss von Dayton hat die ethnischen Säuberungen zementiert
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