Erster Weltkrieg
Der Ausbruch des
Ersten Weltkriegs (1914) und die Besetzung Serbiens (1915) verhinderte jedoch, dass die Pläne zur Serbisierung des Kosovos schnell in die Tat umgesetzt werden konnten. Als die Österreicher den Krieg gegen Serbien begannen, kam es im Kosovo zu Aufständen gegen die serbische Herrschaft. Die
österreichisch-ungarische Armee besetzte 1915 die nördlichen und westlichen Teile des Kosovo um Mitrovica und Peć. Sie wurden von der albanischen Bevölkerung als Befreier begrüßt. Die Besatzungsmacht übergab die lokale Verwaltung in die Hände der Einheimischen und investierte in die Infrastruktur. Neben kriegswichtigen Straßen haben die Österreicher auch zahlreiche Grundschulen eingerichtet, in denen erstmals Unterricht in albanischer Sprache erteilt wurde. Nach dem Abzug der Österreicher im Herbst 1918 kam es zu Racheakten der zurückkehrenden serbischen Truppen an der kosovarischen Bevölkerung, weil diese mit dem Feind kollaboriert hatte.
Der südliche und östliche Teil des Kosovo mit den Städten Priština und Prizren wurde von Bulgarien besetzt und dem
Militär-Inspektions-Gebiet Makedonien unterstellt.[SUP]
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Bei Kriegsende formierte sich um
Hasan Bej Prishtina und
Bajram Curri eine Widerstandsbewegung der albanischen Kosovaren, die gegen die wieder ins Kosovo einrückenden Serben kämpften und einen Anschluss der Provinz an Albanien erreichen wollten. Im Oktober 1919 ging Hasan Prishtina mit einer kosovarischen Delegation nach Paris, um bei der
Friedenskonferenz für den Anschluss des Kosovos an Albanien zu sprechen. Die kosovarische Delegation durfte aber an keiner offiziellen Sitzung teilnehmen und ihr Anliegen wurde ignoriert.
Noch bis Anfang der zwanziger Jahre wurde die Provinz von Aufständen der Albaner erschüttert, die sich der serbischen Herrschaft nicht unterwerfen wollten. Zehntausende flohen zwischen 1918 und 1920 vor den Aufständen nach Albanien, wo die Versorgung der Flüchtlinge lange Zeit nicht gewährleistet werden konnte.
Zwischenkriegszeit
1919 verzichtete das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel zu Gunsten der Serbisch-Orthodoxen Kirche auf die
Kirchenhoheit über die Eparchien in Kosovo und Mazedonien.
Schon 1921 sprach eine Delegation der Kosovo-Albaner beim
Völkerbund in Genf vor, um sich über die Missachtung ihrer Menschen- und Minderheitenrechte und über die von serbischen Truppen verübten Massaker zu beklagen. Ihre Beschwerde wurde dort aber ignoriert.
Nach dem Ersten Weltkrieg begann die serbisch dominierte Regierung des Königreichs Jugoslawien mit der Serbisierung des Kosovo. Ideologisches Leitmotiv war dabei, dass die ethnische Struktur wiederhergestellt werden müsse, die im Kosovo vor der türkischen Eroberung im 15. Jahrhundert bestanden haben soll. Die gesamte Verwaltung wurde mit serbischen Beamten besetzt, Serbisch war die einzige Amtssprache und auch in allen staatlichen Schulen wurde nur in dieser Sprache unterrichtet. Mit der Vergabe von Land an Zuzügler aus Serbien und Montenegro versuchte die Regierung in den zwanziger Jahren den slawischen Bevölkerungsanteil zu erhöhen. Dafür wurde der Grundbesitz ausgewanderter Türken und Albaner beschlagnahmt, darüber hinaus enteignete man einige muslimische Großgrundbesitzer. Das ganze Programm war wenig erfolgreich. Kurzfristig stieg zwar der serbische Bevölkerungsanteil, aber schon zu Beginn der dreißiger Jahre wanderten mehr Slawen aus, als neu ins Kosovo kamen. Mancher serbische Neubauer verkaufte das von der Regierung erhaltene Land sogar an Albaner, was das besondere Missfallen der Regierung erregte. Grund für die serbische Auswanderung war die katastrophale wirtschaftliche Lage des Kosovo. Im Gegensatz zu den Albanern hatten die Angehörigen der Staatsnation bessere Chancen in den nördlichen Regionen Jugoslawiens Arbeit zu finden.
Die Regierung Jugoslawiens hatte vor dem Zweiten Weltkrieg weder ein schlüssiges Konzept noch die finanziellen Mittel die Wirtschaft der armen südlichen Gebiete zu entwickeln. Sie blieben Auswanderungsländer.
1937: Die Vertreibung der Albaner als Planspiel eines Nationalisten
Die Enttäuschung über die fehlgeschlagene Serbisierung des Kosovo spiegelt sich auch in der 1937 von dem serbischen Nationalisten
Vasa Čubrilović verfassten Denkschrift, die sich mit dem weiteren Vorgehen im Kosovo auseinandersetzt. In
Die Aussiedlung der Albaner vertrat der Historiker die Überzeugung, dass das "Albanerproblem" nur mit Gewalt zur Zufriedenheit der Serben gelöst werden könne. Er plädierte für eine vollständige Vertreibung der muslimischen Albaner in die Türkei und nach Albanien. Die albanische Regierung wollte Čubrilović durch Finanzhilfen und durch Bestechung einzelner Politiker für den Plan gewinnen. Außenpolitische Probleme, so meinte Čubrilović, würden die „Aussiedlung“ nicht auslösen:
„Wenn Deutschland Zehntausende von Juden vertreibt und Russland Millionen von Menschen von einem Teil des Kontinents zum anderen verlegen konnte, so wird die Vertreibung von einigen Hunderttausend Albanern schon nicht zum Ausbruch eines Weltkrieges führen.“
Im Gegensatz zu den vorherigen wenig erfolgreichen Kolonisationsprojekten würde die nachfolgende Wiederbesiedelung erfolgreich sein, weil man den Kolonisten nun die Häuser und den beweglichen Besitz, den die Albaner auch zurücklassen müssten, zur Verfügung stellen könne. Zusätzlich plädierte Čubrilović für die Etablierung eines Zwangsdienstes jugoslawischer Jugendlicher zur Unterstützung der Neusiedler. Ausdrücklich nannte er den
Reichsarbeitsdienst Hitlers als Vorbild.
Čubrilovićs Schrift blieb der Öffentlichkeit über Jahrzehnte verborgen. Sie war vom Verfasser auch nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen, sondern sollte die Politik der jugoslawischen Regierung beeinflussen. Dazu ist es aufgrund des deutschen Überfalls auf Jugoslawien im Jahr 1941 nicht mehr gekommen.
Dušan Bataković, ein serbischer Historiker, berichtet, dass die Denkschrift erst im Januar 1988 durch die Veröffentlichung in einer Artikelserie der jugoslawischen Zeitung „Borba“ einem breiteren Personenkreis bekannt wurde.
Zweiter Weltkrieg
Der deutsche Überfall auf Jugoslawien im April 1941 führte schnell zur Niederlage und zum Zusammenbruch des jugoslawischen Staates. Wie die
Kroaten beteiligten sich auch die Albaner kaum an der Verteidigung des ungeliebten Staates. An der Aufteilung des eroberten Landes nahmen auch Deutschlands Verbündete
Italien und
Bulgarien teil. Kosovo und Teile Mazedoniens wurden mit dem bereits unter der Herrschaft des
faschistischen Italien stehenden Albanien vereinigt. Die Zivilverwaltung lag in der Hand der Albaner, die nun ihrerseits als Rache die serbische Minderheit unterdrückten.
Die Achsenmächte nutzten die Feindschaft zwischen den Balkanvölkern geschickt, um ihre Herrschaft in Südosteuropa zu stabilisieren. Die meisten Opfer hatten dabei die Serben zu beklagen, die der Rache ihrer albanischen, kroatischen und bulgarischen Nachbarn ausgeliefert waren. Nach dem Ausscheiden Italiens aus dem Krieg im Sommer 1943 besetzten die Deutschen das Kosovo. Elastisch modifizierten die
Nazis ihre Rassenideologie, indem sie die Albaner zur höherwertigen Rasse im Vergleich zu den Slawen erklärten. Auf diese Weise gewannen sie einen großen Teil der Albaner für den Kampf gegen die jugoslawischen
Partisanen.
Seit 1943 war Kosovo zunehmend zum Aktionsgebiet jugoslawischer Partisanenverbände geworden. Ihre Angriffe auf die deutschen Truppen und die albanische Polizei wurden mehrfach durch die Ermordung serbischer Zivilisten vergolten. Personen, die im Verdacht standen, die Partisanen zu unterstützen, wurden auch in das kroatische
KZ Jasenovac verschleppt. 1944 wurde die kosovo-albanische
SS-Division Skanderbeg aufgestellt. Ihr Standort war
Prizren, ihr hauptsächliches Operationsgebiet das Kosovo. In ihrem brutalen Vorgehen unterschied sie sich nicht von den deutschen Verbänden. So tötete sie am 28. Juli 1944 im Dorf
Veliko 380 Ortsansässige (darunter 120 Kinder) und steckte 300 Häuser in Brand. Im April 1944 deportierte sie 300 Juden.
In
Titos Partisanenverbänden kämpften auch Albaner und es gab schon während des Krieges eine eigene kommunistische Parteiorganisation im Kosovo. In deren Führungsgremium waren die Albaner bis 1945 in der Mehrheit. Tito hatte den albanischen Kommunisten das Recht auf nationale Selbstbestimmung zugesagt, nur müsste Jugoslawien erst von den Faschisten befreit sein. Allerdings ist nie genau definiert worden, was mit dem Recht auf Selbstbestimmung gemeint war, und ob auch die Lostrennung des Kosovo von Jugoslawien darunter fallen würde. Unter den albanischen Kommunisten war diese Hoffnung jedenfalls weit verbreitet.
Neben den Partisanen Titos operierten im Kosovo auch albanische Partisanenverbände, die der Befehlsgewalt der albanischen
KP Enver Hoxhas unterstanden. Es kam zum Streit zwischen den kommunistischen Parteien beider Länder, denn man war sich nicht einig, wem das Kosovo nach dem Krieg zufallen sollte. Vor die Wahl gestellt, alleine das Kosovo Jugoslawien zu überlassen oder es zusammen mit Albanien dem jugoslawischen Staat anzugliedern, verzichtete die KP Albaniens im Frühjahr 1944 auf jegliche Ansprüche im Kosovo. Tito und Hoxha kamen überein, dass die Vorkriegsgrenzen zwischen Albanien und Jugoslawien wiederhergestellt werden sollen.
Ende 1944 zogen sich die
Achsenmächte aus dem Kosovo zurück und die kommunistischen
Partisanen übernahmen die Kontrolle.
Kosovo in der SFR Jugoslawien
1945–1966
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Kosovo in das
föderal organisierte Jugoslawien
Josip Broz Titos integriert. Der Akt der Annektierung fand im April 1945 unter
Kriegsrecht durch eine nicht gewählte „Regionale Volksversammlung von Kosovo und Metohija“ statt. Die Zustimmung fand damals durch
Akklamation, ohne Abstimmung und vorherige Debatte statt. Die Volksversammlung war nicht repräsentativ: Unter 142 Abgeordneten fanden sich lediglich 33 Kosovo-Albaner. Das Gebiet wurde in der Folge der Teilrepublik Serbien zugesprochen. Von Selbstbestimmungsrecht für die Albaner war keine Rede mehr. In der regionalen KP-Führung wurde auf bürokratischem Weg die albanische Mehrheit gekippt. Man verkleinerte das Führungsgremium mittels einer Weisung aus Belgrad und ab 1945 waren nur mehr sechs Serben und fünf Albaner darin vertreten, was in etwa dem damaligen Bevölkerungsanteil der beiden Ethnien entsprach.
1945 kam es zu unorganisierten Aufständen verschiedener albanischer Gruppen gegen die neuerliche slawische Dominanz im Kosovo. Sie konnten von jugoslawischen Armee- und Polizeiverbänden ohne Schwierigkeiten niedergeschlagen werden. Die kommunistische Diktatur Albaniens hielt sich aus diesen inneren Auseinandersetzungen beim damaligen Bündnispartner komplett heraus.
Ende der vierziger Jahre kehrten die jugoslawische und die serbische Regierung vollends zu den Vorkriegstraditionen der Kosovo-Politik zurück. Minderheitenrechte für die Albaner gab es im sozialistischen Staat der Südslawen vorerst nicht. Die gewährte man 1950 nur der kleinen türkischen Minderheit. Über 30.000 muslimische Albaner bekannten sich daher bei der Volkszählung von 1951 zur türkischen Nationalität, denn damit war die Möglichkeit zur Ausreise in die Türkei verbunden. Albanien weigerte sich, Flüchtlinge aus dem Kosovo aufzunehmen, zudem bot das Wenige, was man im Kosovo über die Terrorherrschaft Enver Hoxhas in Albanien wusste, kaum einen Anreiz dorthin auszuwandern. Zwischen 1950 und 1966 wanderten mehr als 200.000 Albaner in die Türkei aus, was das demographische Gefüge im Kosovo weiter veränderte.
Wie vor dem Krieg bekamen serbische Neusiedler im Kosovo staatliche Unterstützungen. Entscheidend für den Zuzug in den Kosovo war aber, dass man hier leicht verhältnismäßig gut dotierte Stellen in der staatlichen Verwaltung bekommen konnte, die bis in die sechziger Jahre zum größten Teil mit Serben besetzt wurden. Den meisten Albanern fehlten dafür die notwendigen Qualifikationen und sie konnten diese auch nur unter Schwierigkeiten erwerben, weil es ihnen an Kenntnissen in der Staatssprache
Serbokroatisch mangelte. Dies änderte sich erst in den fünfziger und sechziger Jahren, als eine Generation von Albanern heranwuchs, die serbische Schulen absolviert hatte. Auch der Militärdienst in anderen Teilen Jugoslawiens trug zur Verbreitung des Serbokroatischen unter den Albanern bei.
Anders als in der Zwischenkriegszeit bemühte sich die jugoslawische Regierung nach 1945 viel intensiver um die wirtschaftliche Entwicklung des Kosovo. Es wurde viel in die Infrastruktur, in den Bergbau und in die Schwerindustrie investiert. Bezahlt wurde das mit Transferleistungen, die aus den nördlichen Teilrepubliken in die Kasse des Bundes flossen. Zu keiner Zeit jedoch konnte die kommunistische Wirtschaftspolitik im Kosovo eine selbsttragende Ökonomie und genügend Arbeitsplätze für die stark wachsende Bevölkerung schaffen. Viele Jugoslawen bekamen den Eindruck, dass ihr Geld in der albanischen Provinz sinnlos verschwendet wurde, während viele Albaner meinten, dass die Zentralregierung nicht genug für den Kosovo tun würde.
Geschichte des Kosovo
1966–1974
Zu einer Wende in der jugoslawischen Kosovo-Politik kam es durch machtpolitische Auseinandersetzungen im Politbüro des
Bundes der Kommunisten. Während Tito allgemeine Reformen einleiten wollte, der die föderalen Elemente in den politischen Strukturen Jugoslawiens stärken sollte, opponierte Innenminister
Aleksandar Ranković gegen jede derartige Veränderung. Dieser war als Befehlshaber der politischen Polizei
UDBA maßgeblich für staatliche Gewaltmaßnahmen gegen die albanische Bevölkerung verantwortlich. Ranković wurde 1966 mit dem Vorwurf, die UDBA zu einem Staat im Staate ausgebaut zu haben, aus dem Politbüro entfernt und musste seinen Ministerposten abgeben. Tito verbesserte nun schrittweise die Lage der Albaner und gestand ihnen mehr Autonomie zu. In der neuen jugoslawischen Bundesverfassung von 1974 wurde das Kosovo (wie auch die Vojvodina) als autonome Provinz und Föderationssubjekt etabliert. In der Regierung und im Parteiapparat der Provinz dominierten fortan die Albaner.
Albanisch wurde zweite Amts- und Unterrichtssprache, albanische Kultur wurde gefördert und es kam zur Einrichtung der
Universität Priština. Aus ihr ging in den folgenden 15 Jahren eine große Zahl albanischer Akademiker hervor.
Geschichte des Kosovo