M
Mulinho
Guest
Studentendarlehen sind in den USA für Banken und Staat ein grosses Geschäft
In den USA haben die Studierenden über eine Billion Dollar Schulden. Die Banken verdienen mit diesen Krediten gutes Geld, aber die Regierung verlumpte fast wegen nicht bezahlter Zinsen, und viele Studenten stehen nach dem Abschluss vor einem immensen Schuldenberg.
Im Mai werden die nächsten Studierenden in den USA ihren Abschluss feiern und für einen kurzen Augenblick ihre finanzielle Situation vergessen. Die meisten von ihnen werden nämlich ohne Job und mit durchschnittlich 24 000 US-Dollar Schulden dastehen.
Die 23-jährige Allison schüttelt den Kopf. Sie hatte Glück im Unglück. Wenigstens 24 Dollar pro Stunde verdient sie in einem lokalen Spital in Wisconsin, in dem sie derzeit arbeitet. Nach Abschluss ihres Masters als Krankenschwester vor genau einem Jahr ist sie nach Wisconsin zurück gezogen, die einzige Möglichkeit: «Mit meinen 90 000 Dollar Schulden muss ich die nächsten zehn Jahre sicher noch bei meinen Eltern wohnen», sagt sie, die derzeit monatlich der Regierung und den Banken 950 Dollar zurückbezahlt. Auch sie begrüsste Obamas Worte im vergangenen Oktober an der University of Colorado in Denver, mit denen er den Studenten Unterstützung versprach. Der Saal war gefüllt mit Studierenden und Dozenten, die kräftig applaudierten. Währenddessen waren die Politiker entweder mit Obamas Plänen zufrieden oder zürnten, und die Medien berichteten eifrig über die Studentenschulden, die bereits die Billion-Dollar-Marke überschritten hatten.
«Big Business» ohne Risiko
In den USA sind Studenten-Darlehen «big business»: lukrativ und nur mit einem geringen Risiko verbunden. Die amerikanischen Studierenden tragen die immensen Studienkosten von bis zu 60 000 Dollar pro Semester meist selbst, aber nur die wenigsten haben das notwendige Geld auf dem Sparkonto.
Als die Republikaner 1994 die Kontrolle über den Kongress zurückeroberten, verabschiedete dieser ein Gesetz, welches das Darlehens-System verändern sollte: Dem «Education Department» wurde verboten, den Gebrauch des «Private Lending Program», unter dem die Regierung Gelder direkt an Studenten lieh, aktiv zu fördern. Die direkten Regierungsdarlehen gingen in der Folge stark zurück, und die Banken gingen dafür gestärkt aus der Gesetzesänderung hervor. Vor zwei Jahren änderte Obamas Administration das Gesetz wieder, so dass das «Education Department» wieder zuständig für die Herausgabe der staatlichen Gelder wurde.
Arne Duncan, Obamas Bildungsminister, erachtete die Änderung als essenziell und beschrieb die Problematik der vorherigen Struktur folgendermassen: «Wir können den Banken nicht mit einem guten Gewissen sieben Milliarden Dollar an Subventionsgeldern zahlen, wenn unsere Studierenden unsere finanzielle Unterstützung suchen, um ihren Traum von einer universitären Ausbildung verwirklichen zu können.» Die Regierung bezahlte den Banken, solange die Studierenden an den Universitäten waren, die Zinsen. Doch sobald die Studenten abgeschlossen hatten und aufgrund einer schlechten finanziellen Lage die Rückzahlung aufschieben mussten, bezahlte das Departement sowohl die Zinsen als auch das Darlehen und häufte damit selbst einen Berg an Schulden an.
«Verjährungsdauer wie Mord»
Die Studentenreform von 2010 half, viele der fragwürdigen Geschäfte der vergangenen Jahre zu eliminieren. Andrew Cuomo, derzeitiger Gouverneur von New York und ehemaliger Generalstaatsanwalt von New York, leitete eine Untersuchung, in der einige Praktiken unter die Lupe genommen wurden. So erhielten sogenannte «Financial Aid Officers» einiger Universitäten von den Banken, an die sie die Studierenden weiterleiteten, Schmiergelder. Robert Applebaum, der Gründer der Plattform Forgivestudentloandebt.com, weiss von vielen Fällen, in denen die Kreditnehmer nicht genau wussten, für welche der Darlehen sie nun unterschrieben: die staatlichen mit einem moderaten Zins oder die privaten mit haushohen Zinsen. Zinsen, die sich exponentiell erhöhen, wenn Eltern und Studierende eine Tilgungsstreckung beantragen müssen. Geschützt waren und sind die Studierenden nicht. Denn im Gegensatz zu Hypotheken oder anderen Darlehen kann keine Insolvenz beantragt werden. Applebaum vergleicht: «Nur Mord hat dieselbe Verjährungsdauer.»
Besser ohne Staat?
Dass die Situation für die Studenten jetzt aber wesentlich besser sei, das wird von vielen verneint. Andy Lockwood, ein Experte für College-Finanzierung, meint: «Auch wenn Bildung heute eine heilige Kuh ist, sollte die Regierung nicht für Kreditvergaben verantwortlich sein.» Heute habe die Regierung einen zu grossen Einfluss und stelle zu viele Gelder zur Verfügung.
«Kein Wunder, sind die Studienkosten in den letzten zwanzig Jahren um 300 Prozent gestiegen und steigen immer noch. Denn die Universitäten erhalten ihr Geld auf jeden Fall.» Und ein Ende sei nicht in Sicht. Doch vollumfänglich können die staatlichen Kredite nicht mit den Studienkosten mithalten, weshalb viele Studenten zusätzlich auf private Kredite zurückgreifen.
Zweifelhafter Entschluss
Allison, die derzeit ihre 90 000 Dollar Schulden abbezahlt, meint: «Ich komme mir vor, als ob ich für den Wunsch, mich zu verbessern, bestraft wurde.» Lockwood und Applebaum sind der Meinung, dass häufig der Wunsch, an die Universität zu gehen – vor allem an eine bekannte –, zu stark sei und dann nicht genügend abgewogen werde. Ein Masterabschluss in Englisch für 50 000 Dollar sei beispielsweise ein zweifelhafter finanzieller Entschluss. Oftmals fehle ganz einfach der Wille, genügend Zeit in die Recherche finanzieller Möglichkeiten zu investieren.
Robert Applebaum, Gründer der Plattform Forgivestudentloandebt.com, meint: «Die Studierenden und ihre Eltern sind keine Opfer. Sie müssen sich ihrer Verantwortung bewusster werden. Denn die Kreditgeber tun nämlich ganz einfach, was sie tun: ihren Gewinn maximieren.»
90 000 Dollar Schulden (Campus, Weltweit, NZZ Online)
Wie sieht das bei den Balkanern aus? Wie finanziert ihr euer Studium/nicht-obligatorische Weiterbildungen/Kurse usw.?
In den USA haben die Studierenden über eine Billion Dollar Schulden. Die Banken verdienen mit diesen Krediten gutes Geld, aber die Regierung verlumpte fast wegen nicht bezahlter Zinsen, und viele Studenten stehen nach dem Abschluss vor einem immensen Schuldenberg.
Im Mai werden die nächsten Studierenden in den USA ihren Abschluss feiern und für einen kurzen Augenblick ihre finanzielle Situation vergessen. Die meisten von ihnen werden nämlich ohne Job und mit durchschnittlich 24 000 US-Dollar Schulden dastehen.
Die 23-jährige Allison schüttelt den Kopf. Sie hatte Glück im Unglück. Wenigstens 24 Dollar pro Stunde verdient sie in einem lokalen Spital in Wisconsin, in dem sie derzeit arbeitet. Nach Abschluss ihres Masters als Krankenschwester vor genau einem Jahr ist sie nach Wisconsin zurück gezogen, die einzige Möglichkeit: «Mit meinen 90 000 Dollar Schulden muss ich die nächsten zehn Jahre sicher noch bei meinen Eltern wohnen», sagt sie, die derzeit monatlich der Regierung und den Banken 950 Dollar zurückbezahlt. Auch sie begrüsste Obamas Worte im vergangenen Oktober an der University of Colorado in Denver, mit denen er den Studenten Unterstützung versprach. Der Saal war gefüllt mit Studierenden und Dozenten, die kräftig applaudierten. Währenddessen waren die Politiker entweder mit Obamas Plänen zufrieden oder zürnten, und die Medien berichteten eifrig über die Studentenschulden, die bereits die Billion-Dollar-Marke überschritten hatten.
«Big Business» ohne Risiko
In den USA sind Studenten-Darlehen «big business»: lukrativ und nur mit einem geringen Risiko verbunden. Die amerikanischen Studierenden tragen die immensen Studienkosten von bis zu 60 000 Dollar pro Semester meist selbst, aber nur die wenigsten haben das notwendige Geld auf dem Sparkonto.
Als die Republikaner 1994 die Kontrolle über den Kongress zurückeroberten, verabschiedete dieser ein Gesetz, welches das Darlehens-System verändern sollte: Dem «Education Department» wurde verboten, den Gebrauch des «Private Lending Program», unter dem die Regierung Gelder direkt an Studenten lieh, aktiv zu fördern. Die direkten Regierungsdarlehen gingen in der Folge stark zurück, und die Banken gingen dafür gestärkt aus der Gesetzesänderung hervor. Vor zwei Jahren änderte Obamas Administration das Gesetz wieder, so dass das «Education Department» wieder zuständig für die Herausgabe der staatlichen Gelder wurde.
Arne Duncan, Obamas Bildungsminister, erachtete die Änderung als essenziell und beschrieb die Problematik der vorherigen Struktur folgendermassen: «Wir können den Banken nicht mit einem guten Gewissen sieben Milliarden Dollar an Subventionsgeldern zahlen, wenn unsere Studierenden unsere finanzielle Unterstützung suchen, um ihren Traum von einer universitären Ausbildung verwirklichen zu können.» Die Regierung bezahlte den Banken, solange die Studierenden an den Universitäten waren, die Zinsen. Doch sobald die Studenten abgeschlossen hatten und aufgrund einer schlechten finanziellen Lage die Rückzahlung aufschieben mussten, bezahlte das Departement sowohl die Zinsen als auch das Darlehen und häufte damit selbst einen Berg an Schulden an.
«Verjährungsdauer wie Mord»
Die Studentenreform von 2010 half, viele der fragwürdigen Geschäfte der vergangenen Jahre zu eliminieren. Andrew Cuomo, derzeitiger Gouverneur von New York und ehemaliger Generalstaatsanwalt von New York, leitete eine Untersuchung, in der einige Praktiken unter die Lupe genommen wurden. So erhielten sogenannte «Financial Aid Officers» einiger Universitäten von den Banken, an die sie die Studierenden weiterleiteten, Schmiergelder. Robert Applebaum, der Gründer der Plattform Forgivestudentloandebt.com, weiss von vielen Fällen, in denen die Kreditnehmer nicht genau wussten, für welche der Darlehen sie nun unterschrieben: die staatlichen mit einem moderaten Zins oder die privaten mit haushohen Zinsen. Zinsen, die sich exponentiell erhöhen, wenn Eltern und Studierende eine Tilgungsstreckung beantragen müssen. Geschützt waren und sind die Studierenden nicht. Denn im Gegensatz zu Hypotheken oder anderen Darlehen kann keine Insolvenz beantragt werden. Applebaum vergleicht: «Nur Mord hat dieselbe Verjährungsdauer.»
Besser ohne Staat?
Dass die Situation für die Studenten jetzt aber wesentlich besser sei, das wird von vielen verneint. Andy Lockwood, ein Experte für College-Finanzierung, meint: «Auch wenn Bildung heute eine heilige Kuh ist, sollte die Regierung nicht für Kreditvergaben verantwortlich sein.» Heute habe die Regierung einen zu grossen Einfluss und stelle zu viele Gelder zur Verfügung.
«Kein Wunder, sind die Studienkosten in den letzten zwanzig Jahren um 300 Prozent gestiegen und steigen immer noch. Denn die Universitäten erhalten ihr Geld auf jeden Fall.» Und ein Ende sei nicht in Sicht. Doch vollumfänglich können die staatlichen Kredite nicht mit den Studienkosten mithalten, weshalb viele Studenten zusätzlich auf private Kredite zurückgreifen.
Zweifelhafter Entschluss
Allison, die derzeit ihre 90 000 Dollar Schulden abbezahlt, meint: «Ich komme mir vor, als ob ich für den Wunsch, mich zu verbessern, bestraft wurde.» Lockwood und Applebaum sind der Meinung, dass häufig der Wunsch, an die Universität zu gehen – vor allem an eine bekannte –, zu stark sei und dann nicht genügend abgewogen werde. Ein Masterabschluss in Englisch für 50 000 Dollar sei beispielsweise ein zweifelhafter finanzieller Entschluss. Oftmals fehle ganz einfach der Wille, genügend Zeit in die Recherche finanzieller Möglichkeiten zu investieren.
Robert Applebaum, Gründer der Plattform Forgivestudentloandebt.com, meint: «Die Studierenden und ihre Eltern sind keine Opfer. Sie müssen sich ihrer Verantwortung bewusster werden. Denn die Kreditgeber tun nämlich ganz einfach, was sie tun: ihren Gewinn maximieren.»
90 000 Dollar Schulden (Campus, Weltweit, NZZ Online)
Wie sieht das bei den Balkanern aus? Wie finanziert ihr euer Studium/nicht-obligatorische Weiterbildungen/Kurse usw.?