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Kommunistische Klangtrutzburg: Der 1966 eröffnete Kulturpalast von Tirana
Das kleine Balkanvolk bringt überdurchschnittlich viele gute Musiker hervor. Das Geheimnis des albanischen Erfolges sind Iso-Polyphonie, gute Ausbildung und die Affinität zur italienischen Oper.
Natürlich ist die albanische Iso-Polyphonie schuld, die ist schließlich sogar seit 2005 Unesco-Kulturerbe. Auch wegen ihr singen die Menschen hier immer noch so viel, werden in Restaurants zur späten Stunde die Stühle weggeräumt, und dann geht die Vokalpost ab.
Das uralte Erbe der Iso-Polyphonie
Professor Vasil S. Tole grinst, als er sein Lieblingsforschungsgebiet erklärt. Dabei ist der Komponist sehr stolz auf dieses uralte Erbe. Tradition bedeutet für eine kleine Volksgruppe wie die nur 3,5 Millionen zu Hause lebenden plus 4,5 Millionen in aller Welt verstreuten Albaner sehr viel. Wie die eigene, mit keiner anderen verwandte Sprache. Und wie eben auch dieser uralte folkloristische Gesangsstil, der in der historischen Region Epirus im südlichen Albanien und nordwestlichen Griechenland beheimatet ist.
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Tiranas junger smarter Bürgermeister Erion Veliaj hat Saimir Pirgu den Goldenen Schlüssel der Stadt überreicht. Der Sänger ist momentan einer der berühmtesten Albaner
Bei der Iso-Polyphonie handelt es sich um eine besondere Art der Mehrstimmigkeit mit eigenständig geführten Soli. Und weil man diese kunstvoll-ruhige, witzig-beschwingte Musik erlebt haben muss, hat Professor Tole zum Treffen ein paar Sänger mitgebracht. Die sehen so gar nicht nach seriösen Vokalisten aus, bauen sich jetzt in Trainingshosen, Turnschuhen und Lederjacken im Kammermusiksaal des monströsen, maroden Kulturpalastes in Tirana auf und legen los: betörend zart die Solisten, auch mit komischen Trillern, ruhig und wohlig strömend der Ostinato-Bass. Fremd klingt das, aber auch sehr schön. Und draußen, an der kantigen Kalksteinsäulenfront, deren Grundstein Nikita Chruschtschow legte, hängt ein anderer Sängerstar, plakatplatt, doch überlebensgroß: Saimir Pirgu, noch nicht 35 Jahre alt, Tenor, gegenwärtig einer der berühmtesten Albaner.
Sonst gastiert der kumpelhaft Schwarzhaarige an der Met, in Wien, München und Paris. Heute ist er nach Tirana zurückgekommen und singt in einem vom Fernsehen aufgezeichneten Galakonzert das Programm seiner neuen CD. Denn Pirgu – ist das etwa die schon von Karl May beschriebene Handelsmentalität der Skipetaren? – scheint ein ebenso guter Vokalist wie Vermarkter zu sein. Die neue Klangvisitenkarte stellt er weltweit vor, doch nirgends wird er so gefeiert und in den Arm genommen wie zu Hause. Als Belohnung für seine loyalen Landsleute wagt er, der noch genuin lyrische Tenor, nach dem anstrengenden Arien-Parcours vor wild schwenkenden und fahrenden Kameras im kleinen, an ein Kino erinnernden Auditorium Puccinis „Nessun dorma“. Und natürlich siegt er mit dem Puccini-Kracher.
Sogar Enver Hodscha liebte Musik
Am Morgen nach dem Konzert spendet Pirgu die Einnahmen einer Kinderklinik. Da ist auch der junge, smarte Erion Veliaj dabei, der in Amerika studiert hat und vor sieben Monaten als große albanische Polithoffnung zum Bürgermeister von Tirana gewählt wurde. Er hat Pirgu medienwirksam zwei Tage vorher den Goldenen Schlüssel der Stadt überreicht. Albanische Politiker suchen seit den Zeiten von König Zogu I., der nach dem ersten Weltkrieg nach 500 Jahren osmanischer Fremdherrschaft an die Macht kam, die Nähe zu Künstlern, ganz besonders zu Musikern. Das setzte sich ab 1939 bruchlos unter den italienischen Faschisten fort, und auch der Steinzeitkommunist Enver Hoxha trug bis zum Ende seiner Diktatur 1990 die Liebe zum Melos im tief-proletarisch-roten Herzen. Sein Idol jener Jahre war der Tenor Gaqo Çako.
Freilich mussten es unter Hoxha vornehmlich albanische Opern und Ballette mit patriotischen Themen sein. Die beiden berühmtesten Werke, die rustikale Romanze „Mrika“ und die patriotische Heldenoper „Skënderbeu“, komponierte Prenk Jakova. Die vergilbten Fotos davon hängen in den Palastfoyers, und an der Treppe stehen die von Usambaraveilchen umringten Bronzestatuen von Halili und Hajria, Protagonisten des ersten albanischen Bauernballetts aus dem Jahr 1963. Heute zeigt die Oper in Tirana, deren Spielpläne freilich nicht mal in einschlägigen Fachmagazinen zu finden sind, vor allem Donizetti, Verdi und Puccini. Und irgendwann, so der junge Bürgermeister, soll es endlich auch ein neues, schönes, großes Theater dafür geben.
Albaniens Affinität zur italienischen Oper
Musik und Gesang liegen den Albanern also im Blut, deshalb auch die Affinität zur italienischen Oper. Und immerhin zwei Beiträge haben sie – jenseits der Iso-Polyphonie – zum Musiktheatererbe beigetragen. Anno 1790 ließen Mozart und Lorenzo Da Ponte in „Così fan tutte“ zwei italienische Kavaliere als Albaner verkleidet die Treue ihrer Herzensdamen überprüfen. Albaner, das war im späten Wiener Rokoko offenbar die absurdeste Kostümierung überhaupt. Und 52 Jahre vorher hatte in Florenz Antonio Vivaldis fragmentarisch überlieferte opera seria„Scanderbeg“ Premiere, die den bis heute nicht nur in Albanien als Türkenbekämpfer populären Nationalhelden zur Titelfigur erhob. Im kommunistischen Museum auf den Überresten von Skanderbegs Burg Kruja wird stolz das Libretto-Faksimile ausgestellt.
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Sie feiern einen der ihren, der geschafft hat: Autogrammstunde mit Saimir Pirgu in Tirana
Ein Erbe des Kommunismus ist auch die immer noch gute Musikausbildung an den Hochschulen. Nur, man kommt dort nicht weiter. Das merkte schon Saimir Pirgu, der zunächst zum Geigenspiel gezwungen wurde, aber lieber singen wollte. Das tat er dann ab 2000 am Bozener Konservatorium. So wie alle bedeutenden albanischen Musiker sich anderswo perfektioniert und dann Karriere gemacht haben. Die Sopranistin Inva Mula besonders in Frankreich, die gegenwärtig ins dramatischere Fach steuernde Ermonela Jaho weltweit. In Stuttgart singt der Bariton Gezim Myshketa, die Mezzosopranistin Enkelejda Shkoza ist in England gefragt. Alle kennen sich untereinander.
Saimir Pirgu sang als einziger mal eine Albaner-Rolle
Zu diesem Spitzenkreis, keinem kleinen für so ein kleines Land, zählen zudem ein Primoballerino am Bayerischen Staatsballett, drei Streicher bei den Wiener und einer bei den Berliner Philharmonikern.
Als Einziger hat Saimir Pirgu 2004 sein erstes bedeutendes Engagement auch als Albaner gehabt: in Ferrara unter Claudio Abbado als Ferrando und Teilzeit-Skipetar in „Così fan tutte“. Heute lebt er in Verona, aber Tirana hält er die Treue. Wie sie alle. Südländisches Sentiment, große Oper eben. Mit und ohne Iso-Polyphonie. https://www.welt.de/kultur/buehne-k...ger-sind-Albaniens-wahrer-Exportschlager.html
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