»Viele Studierende sind unsolidarischer geworden«
Nicht wenige Kinder reicher Eltern sehen durch die Ausgrenzung von Arbeiterkindern von den Universitäten ihre Interessen geschützt. Ein Gespräch mit Andreas Kemper
Andreas Kemper ist Referent für finanziell und kulturell benachteiligte Studierende (»Arbeiterkinderreferat«) im Allgemeinen Studierendenausschuß (AStA) der Universität Münster und Mitorganisator der Tagung »klasse.bildung.klassenbildung« vom 28. bis 30. April im Studentenwerk Münster.
Infos im Internet: www.klassenbildung.de
Zu den Veranstaltern des anstehenden Bildungskongresses in Münster gehört unter anderem der studentische Dachverband »fzs«. Seit wann spricht man in der organisierten Studierendenschaft im Zusammenhang mit dem Bildungssystem so unbefangen von »Klassen«?
Noch vor kurzem wurde diese Terminologie wegen ihres angeblich abschreckenden Charakters abgelehnt. Angesichts der Rückzugsgefechte, die die Studierendenschaften Schritt für Schritt verlieren, und der Angriffe seitens der Bundes- und Landesregierungen werden jedoch verharmlosende Begriffe wie »Durchlässigkeit« im Bildungssystem lächerlich. Wenn wir Referenten einladen wie den Eliteforscher Michael Hartmann, der sehr dezidiert von Klassen spricht, dann kann sich der »fzs« nicht mehr erlauben, an seinem allzu vorsichtigen überalterten Sprachgebrauch zu kleben. Eine ehrliche Sprache muß her.
Ist das der Grund dafür, daß die eigentlich über jeden Sozialismusverdacht erhabene Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zu Ihren Unterstützern zählt?
Auch im Schulbereich wird die soziale Selektion verschärft. Hier in Nordrhein-Westfalen wird bei den Kitas gekürzt, Kosten für Schulbücher und Klassenfahrten werden nicht mehr übernommen, die Grundschulbezirke werden aufgehoben. Ich denke, auch der GEW ist schon lange klar, wohin die Reise geht.
Woran machen Sie den Klassencharakter des Bildungssystems fest?
Natürlich ist Bildung längst zu einer Ware geworden, und Arbeiterkinder werden ausgegrenzt. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. In Deutschland existieren Standesinteressen, die stärker sind als in den meisten anderen kapitalistischen Staaten. Der alliierte Kontrollrat empfahl seinerzeit die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems. Doch heute ist dieses – trotz der Kritik von UNICEF, OECD und der Menschenrechtskonvention der UNO – stabil wie nie zuvor. Wir leben nicht nur im Kapitalismus, wir leben auch in der spezifisch deutschen Klassengesellschaft.
Was spricht dafür, daß mit verändertem Sprachgebrauch auch ein Bewußtseinswandel einhergeht?
Es ist in Deutschland schwer, eine Sprache zu gebrauchen, die die Klassenverhältnisse deutlich benennt. Es sind die Arbeiterkinder, die sich zum Beispiel in Münster in einem autonomen Referat des AStA organisiert haben, die eine deutlichere Sprache sprechen. Bei unserer Gründung vor drei Jahren wurden wir von den linken Hochschullisten gezwungen, einen neutralen Namen zu tragen: »Referat für finanziell und kulturell benachteiligte Studierende«. Lediglich der RCDS benannte das Referat richtig als »Klassenkampfreferat«. Inzwischen wird gesehen, daß wir wichtige Arbeit leisten. Im vergangenen Jahr hat sich in der »Österreichischen HochschülerInnenschaft« ein entsprechendes Referat gegründet. Und auch im »fzs« finden dazu Debatten statt.
An den Hochschulen ist von »Revolution« nichts zu spüren. Dort begreifen die allermeisten noch nicht einmal, daß Studiengebühren ihre Interessen verletzen.
Viele Studierende sind unsolidarischer geworden, vor allem jene aus reichem Elternhaus fordern die Einführung von Studiengebühren. Es ist nicht nur so, daß viele nicht begreifen, daß Gebühren ihre Interessen verletzen. Viel schlimmer ist es, daß immer mehr meinen, daß Gebühren ihre Interessen schützen, weil dadurch lästige Konkurrenten ausgebootet werden.
Sie selbst referieren am Sonntag über »Utopien eines nichtausgrenzenden Bildungssystems«. Utopie klingt nach einem unerfüllbaren Traum …
Ich beziehe mich auf die »Konkrete Utopie« Ernst Blochs und werde Ideen referieren, die bereits umgesetzt, aber dann viel zu schnell wieder fallengelassen wurden: Arbeiteruniversitäten der Proletkultbewegung in der frühen Sowjetunion, das Bildungssystem der DDR in den 50er Jahren, das Konzept des italienischen Bildungsurlaubs in den 70ern, Gesamthochschulen in NRW und Hessen – ursprünglich war geplant, sämtliche Hochschulen in NRW in Gesamthochschulen umzuwandeln. Dies alles sind machbare Utopien.
Comment:
Deutschland ist in Sachen Bildung sogar noch unfairer als die Vereinigten Staaten. Denn hier haben absolut nur Leute Chancen die auch Liquide sind.
Kinder dessen Eltern Akademiker sind kommen Leichter auf Gymnasien. Wenn Reiche Kinder sitzen bleiben ist es eine Ehrenrunde, bei Armen bedeutet es dass sie dumm sind.
Aber ausgrenzung fängt schon im Kindergarten an. Wo Reiche Eltern ihre Kinder in Kitas bringen so können sich manche FAmilien nicht einmal einen normalen Kindergarten leisten.
Und die benachteiligung höhrt im Studium nicht auf. Welcher arme Studierende kann sich Studiengebühren leisten??? Und die Kinder der REichen solidarisieren sich nicht einmal mit dem rest sondern nutzen die Gebühren so aus dass sie lästige Konkurrenten los werden.
DEUTSCHLAND VERLETZT DIE MENSCHENRECHTE
Nicht wenige Kinder reicher Eltern sehen durch die Ausgrenzung von Arbeiterkindern von den Universitäten ihre Interessen geschützt. Ein Gespräch mit Andreas Kemper
Andreas Kemper ist Referent für finanziell und kulturell benachteiligte Studierende (»Arbeiterkinderreferat«) im Allgemeinen Studierendenausschuß (AStA) der Universität Münster und Mitorganisator der Tagung »klasse.bildung.klassenbildung« vom 28. bis 30. April im Studentenwerk Münster.
Infos im Internet: www.klassenbildung.de
Zu den Veranstaltern des anstehenden Bildungskongresses in Münster gehört unter anderem der studentische Dachverband »fzs«. Seit wann spricht man in der organisierten Studierendenschaft im Zusammenhang mit dem Bildungssystem so unbefangen von »Klassen«?
Noch vor kurzem wurde diese Terminologie wegen ihres angeblich abschreckenden Charakters abgelehnt. Angesichts der Rückzugsgefechte, die die Studierendenschaften Schritt für Schritt verlieren, und der Angriffe seitens der Bundes- und Landesregierungen werden jedoch verharmlosende Begriffe wie »Durchlässigkeit« im Bildungssystem lächerlich. Wenn wir Referenten einladen wie den Eliteforscher Michael Hartmann, der sehr dezidiert von Klassen spricht, dann kann sich der »fzs« nicht mehr erlauben, an seinem allzu vorsichtigen überalterten Sprachgebrauch zu kleben. Eine ehrliche Sprache muß her.
Ist das der Grund dafür, daß die eigentlich über jeden Sozialismusverdacht erhabene Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zu Ihren Unterstützern zählt?
Auch im Schulbereich wird die soziale Selektion verschärft. Hier in Nordrhein-Westfalen wird bei den Kitas gekürzt, Kosten für Schulbücher und Klassenfahrten werden nicht mehr übernommen, die Grundschulbezirke werden aufgehoben. Ich denke, auch der GEW ist schon lange klar, wohin die Reise geht.
Woran machen Sie den Klassencharakter des Bildungssystems fest?
Natürlich ist Bildung längst zu einer Ware geworden, und Arbeiterkinder werden ausgegrenzt. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. In Deutschland existieren Standesinteressen, die stärker sind als in den meisten anderen kapitalistischen Staaten. Der alliierte Kontrollrat empfahl seinerzeit die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems. Doch heute ist dieses – trotz der Kritik von UNICEF, OECD und der Menschenrechtskonvention der UNO – stabil wie nie zuvor. Wir leben nicht nur im Kapitalismus, wir leben auch in der spezifisch deutschen Klassengesellschaft.
Was spricht dafür, daß mit verändertem Sprachgebrauch auch ein Bewußtseinswandel einhergeht?
Es ist in Deutschland schwer, eine Sprache zu gebrauchen, die die Klassenverhältnisse deutlich benennt. Es sind die Arbeiterkinder, die sich zum Beispiel in Münster in einem autonomen Referat des AStA organisiert haben, die eine deutlichere Sprache sprechen. Bei unserer Gründung vor drei Jahren wurden wir von den linken Hochschullisten gezwungen, einen neutralen Namen zu tragen: »Referat für finanziell und kulturell benachteiligte Studierende«. Lediglich der RCDS benannte das Referat richtig als »Klassenkampfreferat«. Inzwischen wird gesehen, daß wir wichtige Arbeit leisten. Im vergangenen Jahr hat sich in der »Österreichischen HochschülerInnenschaft« ein entsprechendes Referat gegründet. Und auch im »fzs« finden dazu Debatten statt.
An den Hochschulen ist von »Revolution« nichts zu spüren. Dort begreifen die allermeisten noch nicht einmal, daß Studiengebühren ihre Interessen verletzen.
Viele Studierende sind unsolidarischer geworden, vor allem jene aus reichem Elternhaus fordern die Einführung von Studiengebühren. Es ist nicht nur so, daß viele nicht begreifen, daß Gebühren ihre Interessen verletzen. Viel schlimmer ist es, daß immer mehr meinen, daß Gebühren ihre Interessen schützen, weil dadurch lästige Konkurrenten ausgebootet werden.
Sie selbst referieren am Sonntag über »Utopien eines nichtausgrenzenden Bildungssystems«. Utopie klingt nach einem unerfüllbaren Traum …
Ich beziehe mich auf die »Konkrete Utopie« Ernst Blochs und werde Ideen referieren, die bereits umgesetzt, aber dann viel zu schnell wieder fallengelassen wurden: Arbeiteruniversitäten der Proletkultbewegung in der frühen Sowjetunion, das Bildungssystem der DDR in den 50er Jahren, das Konzept des italienischen Bildungsurlaubs in den 70ern, Gesamthochschulen in NRW und Hessen – ursprünglich war geplant, sämtliche Hochschulen in NRW in Gesamthochschulen umzuwandeln. Dies alles sind machbare Utopien.
Comment:
Deutschland ist in Sachen Bildung sogar noch unfairer als die Vereinigten Staaten. Denn hier haben absolut nur Leute Chancen die auch Liquide sind.
Kinder dessen Eltern Akademiker sind kommen Leichter auf Gymnasien. Wenn Reiche Kinder sitzen bleiben ist es eine Ehrenrunde, bei Armen bedeutet es dass sie dumm sind.
Aber ausgrenzung fängt schon im Kindergarten an. Wo Reiche Eltern ihre Kinder in Kitas bringen so können sich manche FAmilien nicht einmal einen normalen Kindergarten leisten.
Und die benachteiligung höhrt im Studium nicht auf. Welcher arme Studierende kann sich Studiengebühren leisten??? Und die Kinder der REichen solidarisieren sich nicht einmal mit dem rest sondern nutzen die Gebühren so aus dass sie lästige Konkurrenten los werden.
DEUTSCHLAND VERLETZT DIE MENSCHENRECHTE