lest euch mal den bericht durch....
Neue Kriegsgefahr im Balkan - Amerikaner rüsten Bosnien auf
Anmoderation:
PATRICIA SCHLESINGER:
Bundesverteidigungminister Volker Rühe war gestern in Bosnien. Inzwischen ist klar, daß die NATO-Truppen und damit auch die deutschen Soldaten erstmal in der Region bleiben müssen, denn sie sorgen wenigstens für Waffenruhe. Ohne diese Soldaten gäbe es sofort wieder Krieg. Von Stabilität durch militärisches Gleichgewicht der Kriegsgegner, so wie es das Dayton-Abkommen einmal vorsah, kann schon lange keine Rede mehr sein. Es wird aufgerüstet. Die USA verschaffen der bosnischen Armee Panzer und Ausbildung, und das macht die Bosnier zur dominanten Macht in der Region. Droht ein neuer, blutiger Krieg auf dem Balkan?
Volker Steinhoff ist dieser Frage nachgegangen, er war bei den Amerikanern, die die bosnische Armee aufrüsten.
KOMMENTAR:
Sarajevo, zwei Jahre nach Kriegsende. Jeder dritte Einwohner ein Flüchtling. Nach dem Dayton-Abkommen dürften sie eigentlich zurück in ihre Heimatstädte, doch viele dieser Städte liegen in vor Serben erobertem Gebiet, und die lassen keine Bosnier rein.
Ein Vorort von Sarajevo. Auch hier fast nur Flüchtlinge. Die Serben lassen sie nicht in ihre Heimatstädte. Die Bosnier sind wütend, denken wieder an Krieg.
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MÄNNER: (Übersetzung)
"Wenn unsere Armee loszieht, gehe ich mit, immer vorwärts, mit dem Gewehr in der Hand. Wenn sie uns nicht freiwillig nach Hause lassen, kommen wir eben mit der Armee."
"Ich möchte auch zurück nach Hause. Wenn das friedlich möglich wäre, in Ordnung, sonst mit Gewalt mit unserer Armee. Wir wollen zurück nach Hause."
"Ja, wir sind bereit, wenn der Angriff losgeht, machen wir mit. Die Leute hier haben alles satt, keine Arbeit, nichts."
KOMMENTAR:
So denken hier fast alle. Die Bereitschaft für einen Angriff auf die Serben ist da und die nötige Kampfkraft auch, so eine neue, erschreckende Analyse von JANE'S in London. Das Institut für Militärforschung genießt weltweit höchste Glaubwürdigkeit. Hier sieht man die konkrete Gefahr eines bosnischen Angriffs auf die Serben.
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PAUL BEAVER: (Übersetzung)
(Militäranalytiker JANE'S)
"Anfang des nächsten Jahres werden die bosnischen Streitkräfte im Kampfeinsatz überlegen sein. Sie werden nicht gleich die 3-zu-1-Überlegenheit haben, die man für einen Angriff braucht, aber das wird auch nicht mehr zu lange dauern. Schon jetzt haben sie eine 2-zu-1-Überlegenheit."
KOMMENTAR:
Grund für die Überlegenheit: die von den Amerikanern gelieferten Waffen. Sie sind viel moderner als die der Serben. Ein Beispiel: der amerikanische M60-A3-Panzer. Erster Job für die Bosnier: Auseinandernehmen und Putzen der Panzerteile.
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JOHN J. MEADOWS: (Übersetzung)
(US-Militärberater)
"Die Panzer wurden im Golfkrieg benutzt, deshalb sind sie ziemlich dreckig. Die Teile waren wirklich in schlechtem Zustand. Aber wenn wir sie wieder zusammenbauen, werden die Panzer hervorragend laufen."
KOMMENTAR:
Dann die Vorführung des Golfkriegspanzers. 45 Exemplare haben die Amerikaner geschickt, dazu Schützenpanzer, Panzerfäuste, Hubschrauber, insgesamt Waffen für 200 Millionen Dollar. Die amerikanischen Militärberater erklären den besonderen Clou ihres Panzers: das Nachtsichtsystem und die Kanone.
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MILITÄRBERATER: (Übersetzung)
"Wir brauchen also kein Licht oder auch nur Dämmerlicht für das elektronische Feuersystem. Die Entfernung mißt ein Laser."
KOMMENTAR:
Mit so einem Panzer läßt sich also Tag und Nacht kämpfen. Dagegen haben die Serben mit ihren russischen T55-Panzern keine Chance. Das geben die Amerikaner unumwunden zu.
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JOSEPH L. ALLRED: (Übersetzung)
(MPRI-Militärberater)
"Dieser Panzer ist dem T55 um Lichtjahre voraus."
KOMMENTAR:
Die veralteten T55-Panzer der Serben. Kein Nachtsichtsystem, viele sind in schlechtem Zustand, Ersatzteile fehlen. Geschwächt durch den Machtkampf unter ihren Politikern, leidet die serbische Armee unter Geldnot, schwindendem Kampfgeist und Fahnenflucht.
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PAUL BEAVER: (Übersetzung)
(Militäranalytiker JANE'S)
"Die heutige serbische Armee ist demoralisiert, geschwächt, hat keine Ausrüstung. Die meisten ihrer Panzer zum Beispiel haben rostige Motorhauben und Einstiegsluken. Es wird fast unmöglich sein, damit zu kämpfen. Sie würden höchstens sieben bis zehn Tage aushalten, bevor sie so gut wie sicher überwältigt würden."
KOMMENTAR:
Die hochmotivierten Bosnier hingegen haben nicht nur modernste Waffen, sondern auch eine hervorragende Ausbildung durch die Amerikaner. Ein Dolmetscher muß jedes Wort für die bosnischen Soldaten übersetzen. Die hören begierig zu. Der amerikanische Ex-Militär lehrt neueste NATO-Doktrin. Er arbeitet für eine private amerikanische Beraterfirma, MPRI - Military Professional Ressources Incorporated.
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JOSEPH L. ALLRED: (Übersetzung)
(US-Militärberater)
"Die Mehrheit von unseren Leuten sind ehemalige US-Militärs. 90 Prozent kommen von der Armee, außerdem haben wir ein paar von der Luftwaffe und der Marine, die hier in Bosnien arbeiten."
KOMMENTAR:
Die amerikanischen Ex-Generäle werden nicht nur als Lehrer in bosnische Kasernen vermietet, ihre Firma hat bei Sarajevo auch ein eigenes Gefechts-Simulationszentrum aufgebaut.
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DICK EDWARDS: (Übersetzung)
(MPRI-Militärberater)
"Dies ist das modernste Simulationszentrum außerhalb der NATO."
KOMMENTAR:
Diese Technologie gibt es sonst nur in der NATO. Alle Einheiten der bosnischen Armee üben der Reihe nach an dieser Software die moderne Schlacht.
Im gleichen Haus eine originalgetreu nachgebaute Gefechtsstelle. Insgesamt 200 Militärberater sind im Einsatz, 150 Millionen Dollar haben die USA und andere Länder allein für die Ausbildung gespendet. Die Bosnier sind also schon jetzt eindeutig stärker als die Serben. Trotzdem setzt die amerikanische Regierung die Aufrüstung unbeirrt fort. Begründung: die Bosnier seien noch gar nicht überlegen und:
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JAMES PARDEW: (Übersetzung)
(US-Außenministerium)
"Ich komme nicht gleich zu dem Schluß: Nur weil sie die Mittel haben, sich zu verteidigen, werden sie diese Ausrüstung also auch mißbrauchen. Sie haben uns zugesichert, das nicht zu tun."
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PAUL BEAVER: (Übersetzung)
(Militäranalytiker JANE'S)
"Die Amerikaner denken, sie würden eine Art Gleichgewicht schaffen. Aber ich glaube, sie schätzen die Kampfkraft der bosnischen Serben falsch ein. Im Moment schaffen sie kein Gleichgewicht, sondern eine überlegene Seite, und müssen darauf hoffen, daß die politische Zurückhaltung funktioniert."
KOMMENTAR:
Eine Politik der Hoffnung - deshalb die Aufrüstung? In Wirklichkeit gibt es eine ganz andere Erklärung, sie findet sich hier:
Sarajevo, die iranische Botschaft, heute merkwürdig ruhig. Doch während des Krieges schickte niemand so viel Rüstung wie die in den USA verhaßten Mullahs. Ihre Waffen waren doppelt so viel Wert wie die der Amerikaner damals. Hier liegt ein wichtiges Motiv der US-Regierung für die neue Aufrüstung heute.
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JAMES PARDEW: (Übersetzung)
(US-Außenministerium)
"Wir haben dieses Programm benutzt, um die Beziehung zwischen Bosnien und Iran aufzubrechen. Die Bosnier wollten überleben und suchten Hilfe, ganz egal wo, und das war eben der Iran."
KOMMENTAR:
Jetzt wollen die Amerikaner die Waffen für Bosnien organisieren, und zu diesem Zweck ist ihnen alles recht, selbst zwielichtige Waffenlieferungen. Davon gibt es jede Menge.
Anfang August versuchte dieser Frachter mit zehn Panzern, Ersatzteilen und tonnenweise Munition für Bosnien an der Adria zu landen. Doch er wurde entdeckt und durfte nicht in den Hafen. Über zehn Wochen lang ankerte der Frachter mit der illegalen Waffenladung im Mittelmeer. Letzte Woche dann schafften es die Amerikaner, ihm eine Einfahrtserlaubnis in den Hafen zu besorgen. Nun sei alles entsprechend des Dayton-Abkommens legal. Das sah die europäische SFOR anders und wollte die Ladung letzte Woche sogar beschlagnahmen. Kaum verhohlene Wut bei den Amerikanern.
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JAMES PARDEW: (Übersetzung)
"Ich weiß nicht, was irgendsoein niedriger SFOR-Oberst sagt. Ich sage Ihnen, die Behauptung, die Panzer sollten heimlich reingebracht werden, ist Unsinn."
KOMMENTAR:
Die Bosnier haben nicht nur die Waffen für einen Angriff, sondern auch allen Grund, solange die Serben sie nicht nach Hause lassen. Offiziell verläßt die NATO Bosnien im nächsten Sommer. Inoffiziell ist allen klar, daß die Truppen bleiben müssen, auch die deutschen. Doch selbst wenn das Mandat um ein oder zwei Jahre verlängert wird - ewig kann die Stationierung nicht dauern. Die Folge: Krieg.
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PAUL BEAVER: (Übersetzung)
(Militäranalytiker JANE'S)
"Es ist keine Frage des 'Ob', sondern des 'Wann'. Vielleicht gibt es nächstes Jahr keinen Krieg, weil SFOR bzw. die Nachfolger bleiben. Doch letztlich wird SFOR abziehen."
KOMMENTAR:
In anderen Worten: SFOR wird zur Dauerlösung, oder es gibt Krieg.
Abmoderation:
PATRICIA SCHLESINGER:
Für viele Beobachter ist es also nur eine Frage der Zeit, wann diese jetzt gut ausgerüstete Armee die Serben in Ostbosnien angreifen und sie in kurzer Zeit besiegen wird. Die Sicherung der Waffenruhe könnte zum unbefristeten NATO-Engagement führen. Und solange es an Geld und Konzepten für eine zivile und wirtschaftliche Entwicklung in Bosnien-Herzegowina fehlt, sieht es auch ganz so aus.
Autorin/Autor: Bericht: Volker Steinhoff
daserste.ndr.de/panorama/archiv/.../erste6836.html -