...Manchmal nehme ich Kinder mit, wenn sie an der Straße stehen und winken. Sie werfen ihre Rucksäcke in den Kofferraum, steigen ein, stinken genau so, wie ich damals, siebenundsiebzig, gestunken haben muss. Wir unterhalten uns, irgendeine Musik läuft, und sie fragen, was das ist, und ich antworte, das ist aus dem Jahr, sagen wir, 1985, damals waren sie noch nicht auf der Welt. "Aha", sagen sie. "Damals, als noch Kommunismus war", ergänzen die Schlaueren. Ja, liebe Kinder, ich höre Bob Dylan und denke an den Kommunismus zurück. "Damals war alles sehr grau, stimmt´s?" fragen sie. Immer wenn die Rede auf den Kommunismus kommt, geht das mit diesem Grau los. Immer nur "grau". Eine Obsession, die sie mit der Muttermilch eingesogen haben? Sie haben keinen Schimmer, aber sie wissen - "grau". Denn jetzt ist alles frisch gestrichen, es schillert jeden Tag in anderen Farben und macht bunte, unwiderstehliche Angebote. Elektrik, Farbe und Feuerwerk. Anmalen und einmal Schnipsen, mehr war nicht nötig. Dieses ganze Karussell in Gang setzen, die Lockbilder dranhängen. Dafür liebe ich dieses Land, dass es in der Lage war, vom Feudalismus mit einem Satz in die Epoche des Postkonsums zu springen, wo alle Wünsche erfüllt werden und man doch nie zufrieden ist. Geradewegs aus den Wäldern, aus den Steppen, ausgezehrt wie leibeigene Bauern, hungrig gefastet wie Nomaden, zogen sie von Osten nach Westen, zogen Hosen stramm, mitten hinein in diesen Glanz in der Hoffnung, sie könnten sich an ihm wärmen. Denn der Kommunismus war grau, denn das Land war grau, denn die Gesichter waren grau, denn das Leben war grau und einen Scheiß wert, weil es keine zwanzig Sorten Chips und keinen für alle erschwinglichen Tunesien-Urlaub gab. Weil die Versuchung nicht stattfand. Weil das Volk seinem Elend und seiner Finsternis überlassen war und nur von weitem zusehen konnte, wie die Welt sich der Selbstbefriedigung hingibt. "Tjaa", sagte ich, "war schon grau. Ihr habt verdammtes Glück, in den damaligen Zeiten war es zum Kotzen grau."