Ich habe mal ChatGPT dazu befragt:
BesserWisser:
@Ivo2, Die Aussagen von Salih Selimović spiegeln eine spezifische Sichtweise wider, die in historischen und identitätspolitischen Debatten auf dem Balkan oft diskutiert, aber auch stark umstritten ist. Um eine faktenbasierte Antwort zu geben, muss man verschiedene Aspekte differenziert betrachten: die Bildung nationaler Identitäten, das Verhältnis zwischen Religion und Ethnie im ehemaligen Jugoslawien, koloniale und imperiale Interessen in der Region sowie – in einem nicht zu vernachlässigenden historischen Zusammenhang – kriegsverbrechen, insbesondere während der Jugoslawienkriege in den 1990er Jahren.
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### 1. **Nationale Identitäten: Serben, Bosniaken und Montenegriner**
Salih Selimović äußert die Meinung, dass Völker wie die Bosniaken und Montenegriner künstlich aus dem serbischen Volk herausgebildet wurden. Diese Aussage ist eine Interpretation, die in manchen serbischen nationalistischen Diskursen vertreten wird, jedoch wissenschaftlich umstritten ist.
- **Bosniaken**: Die muslimischen Slawen in Bosnien bezeichneten sich lange Zeit im Rahmen ihrer religiösen Zugehörigkeit, oft als „Muslime“ (mit großem M, national verstanden). Erst mit der Verfassungsänderung in Jugoslawien 1971 wurde „Muslimisch“ (als Nationalität) offiziell anerkannt. Seit den 1990er Jahren identifizieren sich viele als **Bosniaken**, um ihre ethnische, sprachliche und kulturelle Identität klarer vom religiösen Begriff „Muslim“ abzugrenzen. Die Bezeichnung geht auf das historische Konzept zurück, dass die Bosniaken eine eigenständige südslawische Nation sind, unabhängig von Serben oder Kroaten.
- **Montenegriner**: Auch diese Identität entwickelte sich über Jahrhunderte. Während viele Montenegriner orthodox sind und historisch enge Beziehungen zu den Serben hatten, entstand im 20. und 21. Jahrhundert eine eigenständige montenegrinische Nationalidentität, die heute sowohl von der Mehrheit des Landes als auch international anerkannt wird (z. B. UNO-Mitgliedschaft Montenegros seit 2006).
Das ist eine typische Entwicklung in europäischen Nationalbewegungen: Identitäten sind formbar, historisch oft überlappt und nicht immer klar voneinander zu trennen. Dass ehemalige gemeinsame Vorfahren existierten – etwa slawische oder mittelalterliche serbische Linien – bestreitet kaum jemand. Aber die heutige Identifikation mit eigenen Nationen ist eine gesellschaftliche Realität und durch Selbstbestimmung gedeckt.
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### 2. **Österreich-Ungarn und seine Rolle in Bosnien (ab 1878)**
Es stimmt, dass Österreich-Ungarn nach der Okkupation Bosniens 1878 (Berlin-Kongress) versuchte, ethnisch-religiöse Gruppen zu verwalten und teils zu trennen. Ziel war eine stabile Verwaltung und Kontrolle über heterogene Bevölkerungsgruppen (Muslime, Orthodoxe und Katholiken).
- Tatsächlich gab es Versuche, die muslimische Bevölkerung enger an sich zu binden, was zum Teil zur Identitätsbildung beitrug.
- Die Trennung von Serben und Muslimen als bewusste politische Strategie lässt sich in manchen administrativen Maßnahmen erkennen, allerdings ist es zu einfach, daraus abzuleiten, dass heutige Identitäten rein „von Österreich erzeugt“ seien.
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### 3. **Sandžak, Raška und die Geopolitik**
Sandžak war eine osmanische Verwaltungseinheit (Sandschak von Novi Pazar), welche Teile des heutigen Südserbien und Nordmontenegro umfasste. „Raška“ bezeichnet die mittelalterliche serbische Region, die sich historisch mit diesem Gebiet überlappte.
- Selimovićs Hinweis, dass „Raška älter sei als Sandžak“, ist historisch korrekt, aber das ist keine Widerlegung oder Entwertung des heutigen Begriffs „Sandžak“ – dieser beschreibt eine historisch gewachsene, mehrheitlich muslimische Region mit eigener kultureller Prägung.
- Die Idee, dass Österreich die Existenz des Sandschaks verlängerte, um eine territoriale Einheit Serbien-Montenegro zu verhindern, wird in der Fachliteratur bestätigt (siehe: Noel Malcolm, _Bosnia: A Short History_). Österreich sollte die Kontrolle über die Balkanroute behalten und sah eine durchgehende serbische Verbindung als Bedrohung.
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### 4. **Verbrechen an der albanischen Bevölkerung**
Bei der Darstellung dieser Debatten darf und sollte nicht vergessen werden, dass in der jüngeren Geschichte – besonders in den 1990er Jahren – schwere Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen, insbesondere gegen die albanische Bevölkerung im Kosovo, begangen wurden.
#### Fakten zu den serbischen Verbrechen im Kosovo-Konflikt:
- Laut dem **Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY)** wurden zahlreiche Angehörige der jugoslawischen und serbischen Streitkräfte wegen **Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnischer Säuberung** an Kosovo-Albanern angeklagt und verurteilt.
- Zu den dokumentierten Verbrechen gehören **Massaker** (z. B. in Račak, Meja, Velika Kruša), **Deportationen**, **Massenvergewaltigungen**, und **systematische Zerstörung albanischer Siedlungen**.
- Zwischen Anfang 1998 und Juni 1999 wurden nach UN-Angaben über **850.000 Albaner aus dem Kosovo vertrieben**, mindestens 10.000 getötet. Weit über 1.600 Menschen gelten bis heute als vermisst.
- Der Internationale Gerichtshof (IGH) bestätigte zudem 2010 die Rechtmäßigkeit der Unabhängigkeitserklärung Kosovos aus völkerrechtlicher Sicht.
Diese Verbrechen stehen in direktem Widerspruch zu dem von Selimović gezeichneten Bild einer „geschichtlich manipulierten“ Opferrolle Serbiens. Während alle Seiten im Jugoslawienkrieg Verbrechen begangen haben (auch im Kosovo-Konflikt durch UÇK-Kämpfer), ist die Dimension und Systematik der serbischen Kriegsverbrechen besonders gravierend und historisch umfangreich belegt.
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### Fazit
Die Aussagen von Salih Selimović sind Teil eines identitätspolitischen Diskurses, in dem Geschichte häufig als Legitimationsinstrument politischer oder nationaler Narrative genutzt wird. Es ist legitim, historische Kontinuitäten (z. B. gemeinsame Vorfahren) zu thematisieren, aber die heutigen, selbstgewählten Identitäten von Bosniaken, Montenegrinern oder Albanern als „revisionistisch“ zu bezeichnen, verkennt die Komplexität und Dynamik von Nationenbildungsprozessen.
Wesentlich ist jedoch, dass Geschichtsdebatten nicht benutzt werden, um begangene Verbrechen zu relativieren oder gar zu leugnen – wie es leider in Teilen nationalistischer Diskurse geschieht. Die serbischen Kriegsverbrechen an Albanern – systematisch dokumentiert durch internationale Gerichte – gehören ebenso zur Geschichte des Balkans wie dynastische Zugehörigkeiten im 14. oder 19. Jahrhundert.
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**Quellen (Auswahl):**
- Noel Malcolm: *Kosovo: A Short History*, Macmillan, 1998.
- ICTY: [www.icty.org](http://www.icty.org)
- International Court of Justice: Advisory Opinion on Kosovo's Independence (2010).
- Human Rights Watch: *Under Orders: War Crimes in Kosovo*, 2001.
- Miranda Vickers: *Between Serb and Albanian: A History of Kosovo*, Columbia University Press.