TigerS
Kosovo-Thailänder
[h1]Halbgares aus der BND-Gerüchteküche[/h1]
25. November 2008 Es klingt durchaus glaubhaft, wenn der kosovarische Regierungschef Hashim Thaçi und Kosovos Staatspräsident Fatmir Sejdiu in diesen Tagen immer wieder versichern, ihr Land sei an guten Beziehungen zu Berlin interessiert. Das gilt nicht allein deshalb, weil die Bundeswehr ein wichtiger Truppensteller der in ihrem Einsatzgebiet noch immer beliebten internationalen Kosovo-Schutztruppe Kfor und Deutschland einer der wichtigsten Finanziers des jungen, wirtschaftlich schwer angeschlagenen südosteuropäischen Staates ist.
Eine Eintrübung des deutsch-kosovarischen Verhältnisses wäre auf dem Amselfeld auch deshalb unpopulär, weil viele kosovarische Familien Verwandte in Deutschland haben, die mit ihrem dort verdienten Geld ganzen Dörfern das karge Auskommen aufbessern. Zudem ist es zumindest der politischen Führung in Prishtina durchaus bewusst, dass Deutschland als größter EU-Staat einen wichtigen Beitrag zur Abtrennung der ehemaligen Provinz von dem ungeliebten einstigen „Mutterland“ Serbien geleistet hat.
„Die EU-Mitgliedschaft ist das Wichtigste“
Auch beim nächsten kosovarischen Fernziel nach dem Erreichen der Unabhängigkeit im Februar dieses Jahres, dem Beitritt zur EU, erhofft sich die kosovarische Regierung maßgebliche Unterstützung aus Berlin. Dahinter müsse selbst die große Freundschaft der Kosovo-Albaner mit den Vereinigten Staaten zurückstehen, sagte Thaçi vergangene Woche in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“: „Die EU-Mitgliedschaft ist das Wichtigste. Darüber besteht auch Einigkeit mit den Vereinigten Staaten.“ Die Regierung in Prishtina, die noch vor der Unabhängigkeitserklärung gewählt wurde, hat also eine Reihe von Gründen, gute Beziehungen zu Deutschland zu pflegen.
Umso rätselhafter scheint daher ihr Verhalten in der Angelegenheit der drei inhaftierten deutschen Staatsbürger, die von der kosovarischen Justiz verdächtigt werden, am 14. November einen Anschlag auf das Gebäude der Internationalen Verwaltungsbehörde in Prishtina verübt zu haben. Nach von Prishtina aus verbreiteten Gerüchten handelt es sich bei den drei Männern um Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND). (siehe auch: Video: Bundesregierung bestreitet BND-Verwicklung im Kosovo)
„Die Deutschen sind verdächtig - nicht mehr“
Offiziell halten sich Präsident Sejdiu und Ministerpräsident Thaçi zurück und rufen dazu auf, den Fall „nicht zu politisieren“ - was immer das angesichts eines derart politisch aufgeladenen Vorgangs bedeuten mag. Präsident Sejdiu sagte - ganz so, wie es die internationalen Demokratielehrer den kosovarischen Politikern seit Jahren einprägen -, er habe volles Vertrauen in die kosovarische Justiz, die nach internationalen Standards arbeite. Ein Sprecher der kosovarischen Polizei verkündete, die Deutschen seien „Verdächtige und werden als solche behandelt - nicht mehr und nicht weniger“.
Doch drängt sich die Frage auf, warum ausgerechnet der Geheimdienst Deutschlands Interesse an einer Destabilisierung der Lage in Europas Semiprotektorat auf dem Balkan haben sollte. In Prishtina ist dafür bisher kein annähernd plausibler Grund genannt worden. Laut Angaben der Staatsanwaltschaft gibt es keine Anzeichen dafür, dass weitere Täter an dem Anschlag vom 14. November beteiligt waren, bei dem nur Sachschaden entstand. Allerdings seien die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. Staatsanwalt Fatih Tunuzliu wurde mit der Aussage zitiert, unter anderem müsse noch die Auswertung der Durchsuchung der Wohnungen der Verhafteten abgewartet werden.
Die Presse überschlägt sich mit Verschwörungstheorien
Ein Verdächtiger soll sich laut den bisher vorliegenden Ermittlungen in dem Haus aufgehalten haben, von dem aus der Anschlag verübt worden sei. In seinem Computer seien zudem Notizen über kosovarische Politiker und Militärs sowie grafische Darstellungen des Gebäudes der Internationalen Verwaltungsbehörde gefunden worden. Außerdem wird von einem Film berichtet, der angeblich einen der Täter dabei zeigt, wie er einen Sprengsatz auf das Gebäude schleudert. Dabei handelt es sich um einen bemerkenswert perspektivreichen Film, denn sein Inhalt wird gegensätzlich geschildert - und zwar von Leuten, die ihn nicht selbst gesehen haben, sondern nur vorgeben, Personen zu kennen, die ihn gesehen haben.
Ein schlüssiges Bild ergibt sich also nicht aus alledem, doch die kosovarische Insinuationsgroßküche liefert schon Gerücht um Gerücht zum vermeintlichen Hintergrund des Verbrechens, das weniger durch die Tat als durch die mutmaßlichen Täter Interesse findet. Das der deutschen „Bild“-Zeitung nachempfundene Boulevardblatt „Lajm“ titelte durchaus treffend, das Kosovo sei „ein Feld für Agenten, Bluffer und Abenteurer“ geworden, und „Express“ vermutet, da wolle wohl jemand in Prishtina „Partisan und Deutscher“ spielen, also die jugoslawische Variation von „Räuber und Gendarm“. Zu hören war unter anderem, dass es sich bei den Deutschen um Doppelagenten handeln könne, die ihr Werk im Auftrag einer dem Kosovo feindlich gesinnten Macht (Serbien? Russland? Carla Del Ponte?) verübt haben.
Sollte der Fall bewusst Aufsehen erregen?
Alle diese Verschwörungskonstruktionen sind voller Ungereimtheiten. Von der Lautlosigkeit etwa, mit der Geheimdienste befreundeter Staaten kleine Unstimmigkeiten untereinander für gewöhnlich zu klären versuchen, war in diesem Fall nichts zu spüren. Sollte er also bewusst Aufsehen erregen? Erstaunen muss auch das Ziel des Anschlags. In vielen Medien wird spekuliert, der Anschlag könne etwas mit dem heftigen Streit zwischen der EU und der kosovarischen Regierung über die europäische Polizei- und Rechtsstaatsmission Eulex zu tun haben. Dabei wird die Eulex allerdings fast regelmäßig mit der Internationalen Verwaltungsbehörde verwechselt. Deren Chef ist zwar der niederländische EU-Beamte Pieter Feith, doch die Behörde ist keine rein europäische Mission wie Eulex, deren geplanter Einsatzmodus zu einem Konflikt zwischen den Kosovaren und Brüssel geführt hat. Warum wurde also die Internationale Verwaltungsbehörde getroffen, wenn Eulex gemeint war?
Einen Grund gibt es freilich, der zwar nicht die Hintergründe der derzeitigen Affäre, aber zumindest eine mögliche Abneigung von Regierungschef Thaçi gegen den BND erklären könnte: Ende 2005 gelangte - absichtlich, wie vermutet werden darf - eine auf den 22. Februar jenes Jahres datierte Analyse des BND an die Öffentlichkeit, in der die damaligen politischen Führer des Kosovos als Drahtzieher der organisierten Kriminalität in der Region beschrieben wurden. Es bestünden „engste Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft und international operierenden OK-Strukturen im Kosovo. Die dahinter stehenden kriminellen Netzwerke fördern dort die politische Instabilität. Sie haben kein Interesse am Aufbau einer funktionierenden staatlichen Ordnung, durch die ihre florierenden Geschäfte beeinträchtigt werden könnten“. Eine der Schlüsselfiguren der Analyse ist Hashim Thaçi. Dass er den Urhebern eines solchen Urteils fortan ebenso wenig wohlgesinnt war wie deren Firma mit ihrem Stammsitz in Berlin und Pullach, ist nicht überraschend.
Inhaftierte Deutsche im Kosovo: Halbgares aus der BND-Gerüchteküche - Ausland - Politik - FAZ.NET
gruß
25. November 2008 Es klingt durchaus glaubhaft, wenn der kosovarische Regierungschef Hashim Thaçi und Kosovos Staatspräsident Fatmir Sejdiu in diesen Tagen immer wieder versichern, ihr Land sei an guten Beziehungen zu Berlin interessiert. Das gilt nicht allein deshalb, weil die Bundeswehr ein wichtiger Truppensteller der in ihrem Einsatzgebiet noch immer beliebten internationalen Kosovo-Schutztruppe Kfor und Deutschland einer der wichtigsten Finanziers des jungen, wirtschaftlich schwer angeschlagenen südosteuropäischen Staates ist.
Eine Eintrübung des deutsch-kosovarischen Verhältnisses wäre auf dem Amselfeld auch deshalb unpopulär, weil viele kosovarische Familien Verwandte in Deutschland haben, die mit ihrem dort verdienten Geld ganzen Dörfern das karge Auskommen aufbessern. Zudem ist es zumindest der politischen Führung in Prishtina durchaus bewusst, dass Deutschland als größter EU-Staat einen wichtigen Beitrag zur Abtrennung der ehemaligen Provinz von dem ungeliebten einstigen „Mutterland“ Serbien geleistet hat.
„Die EU-Mitgliedschaft ist das Wichtigste“
Auch beim nächsten kosovarischen Fernziel nach dem Erreichen der Unabhängigkeit im Februar dieses Jahres, dem Beitritt zur EU, erhofft sich die kosovarische Regierung maßgebliche Unterstützung aus Berlin. Dahinter müsse selbst die große Freundschaft der Kosovo-Albaner mit den Vereinigten Staaten zurückstehen, sagte Thaçi vergangene Woche in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“: „Die EU-Mitgliedschaft ist das Wichtigste. Darüber besteht auch Einigkeit mit den Vereinigten Staaten.“ Die Regierung in Prishtina, die noch vor der Unabhängigkeitserklärung gewählt wurde, hat also eine Reihe von Gründen, gute Beziehungen zu Deutschland zu pflegen.
Umso rätselhafter scheint daher ihr Verhalten in der Angelegenheit der drei inhaftierten deutschen Staatsbürger, die von der kosovarischen Justiz verdächtigt werden, am 14. November einen Anschlag auf das Gebäude der Internationalen Verwaltungsbehörde in Prishtina verübt zu haben. Nach von Prishtina aus verbreiteten Gerüchten handelt es sich bei den drei Männern um Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND). (siehe auch: Video: Bundesregierung bestreitet BND-Verwicklung im Kosovo)
„Die Deutschen sind verdächtig - nicht mehr“
Offiziell halten sich Präsident Sejdiu und Ministerpräsident Thaçi zurück und rufen dazu auf, den Fall „nicht zu politisieren“ - was immer das angesichts eines derart politisch aufgeladenen Vorgangs bedeuten mag. Präsident Sejdiu sagte - ganz so, wie es die internationalen Demokratielehrer den kosovarischen Politikern seit Jahren einprägen -, er habe volles Vertrauen in die kosovarische Justiz, die nach internationalen Standards arbeite. Ein Sprecher der kosovarischen Polizei verkündete, die Deutschen seien „Verdächtige und werden als solche behandelt - nicht mehr und nicht weniger“.
Doch drängt sich die Frage auf, warum ausgerechnet der Geheimdienst Deutschlands Interesse an einer Destabilisierung der Lage in Europas Semiprotektorat auf dem Balkan haben sollte. In Prishtina ist dafür bisher kein annähernd plausibler Grund genannt worden. Laut Angaben der Staatsanwaltschaft gibt es keine Anzeichen dafür, dass weitere Täter an dem Anschlag vom 14. November beteiligt waren, bei dem nur Sachschaden entstand. Allerdings seien die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. Staatsanwalt Fatih Tunuzliu wurde mit der Aussage zitiert, unter anderem müsse noch die Auswertung der Durchsuchung der Wohnungen der Verhafteten abgewartet werden.
Die Presse überschlägt sich mit Verschwörungstheorien
Ein Verdächtiger soll sich laut den bisher vorliegenden Ermittlungen in dem Haus aufgehalten haben, von dem aus der Anschlag verübt worden sei. In seinem Computer seien zudem Notizen über kosovarische Politiker und Militärs sowie grafische Darstellungen des Gebäudes der Internationalen Verwaltungsbehörde gefunden worden. Außerdem wird von einem Film berichtet, der angeblich einen der Täter dabei zeigt, wie er einen Sprengsatz auf das Gebäude schleudert. Dabei handelt es sich um einen bemerkenswert perspektivreichen Film, denn sein Inhalt wird gegensätzlich geschildert - und zwar von Leuten, die ihn nicht selbst gesehen haben, sondern nur vorgeben, Personen zu kennen, die ihn gesehen haben.
Ein schlüssiges Bild ergibt sich also nicht aus alledem, doch die kosovarische Insinuationsgroßküche liefert schon Gerücht um Gerücht zum vermeintlichen Hintergrund des Verbrechens, das weniger durch die Tat als durch die mutmaßlichen Täter Interesse findet. Das der deutschen „Bild“-Zeitung nachempfundene Boulevardblatt „Lajm“ titelte durchaus treffend, das Kosovo sei „ein Feld für Agenten, Bluffer und Abenteurer“ geworden, und „Express“ vermutet, da wolle wohl jemand in Prishtina „Partisan und Deutscher“ spielen, also die jugoslawische Variation von „Räuber und Gendarm“. Zu hören war unter anderem, dass es sich bei den Deutschen um Doppelagenten handeln könne, die ihr Werk im Auftrag einer dem Kosovo feindlich gesinnten Macht (Serbien? Russland? Carla Del Ponte?) verübt haben.
Sollte der Fall bewusst Aufsehen erregen?
Alle diese Verschwörungskonstruktionen sind voller Ungereimtheiten. Von der Lautlosigkeit etwa, mit der Geheimdienste befreundeter Staaten kleine Unstimmigkeiten untereinander für gewöhnlich zu klären versuchen, war in diesem Fall nichts zu spüren. Sollte er also bewusst Aufsehen erregen? Erstaunen muss auch das Ziel des Anschlags. In vielen Medien wird spekuliert, der Anschlag könne etwas mit dem heftigen Streit zwischen der EU und der kosovarischen Regierung über die europäische Polizei- und Rechtsstaatsmission Eulex zu tun haben. Dabei wird die Eulex allerdings fast regelmäßig mit der Internationalen Verwaltungsbehörde verwechselt. Deren Chef ist zwar der niederländische EU-Beamte Pieter Feith, doch die Behörde ist keine rein europäische Mission wie Eulex, deren geplanter Einsatzmodus zu einem Konflikt zwischen den Kosovaren und Brüssel geführt hat. Warum wurde also die Internationale Verwaltungsbehörde getroffen, wenn Eulex gemeint war?
Einen Grund gibt es freilich, der zwar nicht die Hintergründe der derzeitigen Affäre, aber zumindest eine mögliche Abneigung von Regierungschef Thaçi gegen den BND erklären könnte: Ende 2005 gelangte - absichtlich, wie vermutet werden darf - eine auf den 22. Februar jenes Jahres datierte Analyse des BND an die Öffentlichkeit, in der die damaligen politischen Führer des Kosovos als Drahtzieher der organisierten Kriminalität in der Region beschrieben wurden. Es bestünden „engste Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft und international operierenden OK-Strukturen im Kosovo. Die dahinter stehenden kriminellen Netzwerke fördern dort die politische Instabilität. Sie haben kein Interesse am Aufbau einer funktionierenden staatlichen Ordnung, durch die ihre florierenden Geschäfte beeinträchtigt werden könnten“. Eine der Schlüsselfiguren der Analyse ist Hashim Thaçi. Dass er den Urhebern eines solchen Urteils fortan ebenso wenig wohlgesinnt war wie deren Firma mit ihrem Stammsitz in Berlin und Pullach, ist nicht überraschend.
Inhaftierte Deutsche im Kosovo: Halbgares aus der BND-Gerüchteküche - Ausland - Politik - FAZ.NET
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