Kreml hat sich verkalkuliert: Putin hat ein gewaltiges Öl-Problem
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Kreml hat sich verkalkuliert Putin hat ein gewaltiges Öl-Problem
11.01.2023, 16:00 Uhr
Russland muss sein Öl verramschen. Damit gerät der Staatshaushalt ins Wanken. Die Zentralbank warnt vor den Folgen von Krieg und Sanktionen.
Die Ölpreise fallen. Das bringt den Kreml in erhebliche Schwierigkeiten, da er mit den Einnahmen den Krieg in der Ukraine finanziert. Russlands Staatshaushalt basiert zum Großteil auf den Erlösen aus dem Ölverkauf. Doch das Land muss sein Öl angesichts der westlichen Sanktionen derzeit regelrecht verramschen. Im vergangenen Jahr hatte ein Fass der russischen Referenzsorte Urals im Schnitt rund 76 US-Dollar gekostet. Derzeit ist es für knapp 50 Dollar zu haben. Schätzungen zufolge kostet die Förderung eines Fasses rund 40 Dollar - damit nähert sich der Preis der Grenze, bei der es sich nicht mehr lohnt, Urals aus dem Boden zu pumpen.
Im vergangenen Jahr waren angesichts der russischen Invasion in der Ukraine die Preise für Öl vorübergehend nach oben geschossen. Die für den Westen wichtigsten Sorten Brent (aus der Nordsee) und WTI (aus den USA) kosteten in der Spitze mehr als 100 US-Dollar pro Fass. Doch mittlerweile sind die Preise wieder auf unter 80 Dollar und damit auf das Niveau vor dem Einmarsch gefallen.
Der Preis für russisches Öl ist aber noch viel kräftiger nach unten gerauscht. Ein Fass Urals kostet derzeit satte 30 Dollar weniger als Brent. Dieser Abschlag ist bemerkenswert. Vor dem Überfall lag der Preisunterschied zwischen beiden Sorten bei weniger als einem Dollar pro Fass.
China fordert billiges Öl
Für den riesigen Preisunterschied gibt es vor allem zwei Gründe. Zum einen muss Russland sich nach dem Importstopp des Westens nach anderen Kunden umsehen. Diese - allen voran China und Indien - setzen allerdings kräftige Preisnachlässe durch, weil Russland dringend Abnehmer für sein Öl braucht. Seit Anfang Dezember verbietet die EU die Einfuhr von russischem Öl per Schiff - damit hat das Land seinen bisher mit Abstand lukrativsten und wichtigsten Absatzweg verloren. Eine weitere Konsequenz des Embargos: Russische Öltanker müssen nun tausende Kilometer längere Strecken fahren, um die asiatischen Kunden zu beliefern. Das treibt die Transportkosten kräftig in die Höhe und drückt die Gewinnspanne noch weiter.
Der andere Grund für die Differenz zwischen Brent und Urals ist der Preisdeckel der EU für russisches Öl, der sich die Staaten der G7 und Australien angeschlossen haben. Die Maßnahme verbietet Schiffseignern, Finanziers und Versicherern seit Anfang Dezember den Handel mit russischem Rohöl, falls dessen Preis über der Schwelle von 60 US-Dollar liegt. Das ist zwar höher als der gegenwärtige Urals-Preis. Auffällig ist aber, dass sich der Preisunterschied zwischen Urals und Brent beim Inkrafttreten des Preisdeckels schlagartig auf das derzeitige Niveau ausgeweitet hat.
Ob der Preis für Urals allerdings dauerhaft so niedrig bleibt, ist offen. Russland könnte versuchen, ihn durch Förderkürzungen nach oben zu treiben. Außerdem dürfte Chinas Wirtschaft nach dem abrupten Ende der strikten Null-Covid-Politik an Fahrt gewinnen und damit für mehr Öl-Nachfrage und höhere Preise sorgen.
Das ändert aber nichts daran, dass sich der Kreml bei seinem Staatshaushalt kräftig verkalkuliert haben dürfte. Denn er setzt für dieses Jahr einen Urals-Preis von 70 Dollar an - das ist weit mehr, als heute gezahlt wird und liegt deutlich über dem G7-Preisdeckel.
Defizit wird größer
Die Probleme zeigten sich schon im Dezember, als Russlands Haushaltsdefizit sich kräftig ausgeweitet hatte. Das lag vor allem daran, dass die Einnahmen aus den Energie-Exporten schrumpften und die Ausgaben für den Krieg in der Ukraine stiegen. Nach Berechnungen der Finanznachrichtenagentur Bloomberg lag das Defizit im vergangenen Monat bei umgerechnet 56 Milliarden Dollar. Das seien mehr als die in den elf vorherigen Monaten angesammelten Überschüsse, die angesichts der zeitweilig sehr hohen Öl- und Gaspreise angehäuft wurden.
Dem russischen Finanzminister Anton Siluanow zufolge summiert sich das Defizit für das vergangene Jahr auf umgerechnet rund 47 Milliarden Dollar. Das sind etwa 2,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Vor Beginn des Krieges hatte die Regierung einen Überschuss angekündigt. Noch im vergangenen September hatte Putin versprochen, dass Russland einen Überschuss von fast 7 Milliarden Dollar erwirtschaften wird.
Doch daraus wurde nichts. In den vergangenen Monaten war die Regierung gezwungen, den - noch gut gefüllten - Staatsfonds anzuzapfen. Bisher hat sich die russische Wirtschaft trotz der westlichen Sanktionen gut behauptet. Der Internationale Währungsfonds rechnet damit, dass das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um 3,4 Prozent gesunken ist und in diesem Jahr um noch einmal um 2,3 Prozent schrumpft. Die russische Zentralbank warnte derweil davor, dass Sanktionen und Krieg Russlands Wirtschaft stärker treffen können als bisher erwartet.