Bürgerkrieg der Oligarchen
Ukraine Die EU sollte sich fragen, wessen Interessen sie mit ihrer Unterstützung für die Kiewer Regierung wirklich bedient
Igor Kolomojskyj: Mitglied und politischer Sprecher der Dnipropetrowsker Clans
Foto: Eastnews/Imago
Bereits im Sommer berichtete die
Welt von einem internen Papier deutscher Nachrichtendienste, in dem von der außergewöhnlichen Macht der Oligarchen in den inneren Konflikten der Ukraine die Rede war. „Der kolossale finanzielle Einfluss von Igor Kolomojskyj auf die politische Riege der Ukraine erlaubt es ihm, der neuen Führung des Landes praktisch seine Spielregeln zu diktieren“, wurde aus einem internen Papier der Dienste zitiert. Demnach stelle sich Kolomojskyj auch gegen jegliche Verhandlungen mit den Separatisten.
Tatsächlich geht es dabei um mehr als die Rettung der territorialen Integrität. Der scheinbar unbegrenzte Einfluss des Miteigentümers der Privatbank-Gruppe, die international aufgestellt ist, lässt schnell in den Hintergrund treten, was Kolomojskyj eigentlich ist – Mitglied und politischer Sprecher der Dnipropetrowsker Clans, dem mehrere Oligarchen angehören. Dies geht nicht nur auf Kolomojskyjs Hardliner-Mentalität zurück, sondern auch darauf, dass er als Gouverneur von Dnipropetrowsk ein politisches Amt übernommen hat.
Das industrielle Zentrum Dnipropetrowsk steht seit Jahren in Konkurrenz zum benachbarten Donbass, der für die Metallurgie, Kohle- und Stahlproduktion eine wichtige Rolle spielt. Genau zwischen diesen beiden rivalisierenden Regionen verläuft derzeit die Front des Bürgerkrieges. Kein Zufall, der Part von Igor Kolomojskyj im Kampf gegen die Aufständischen im Donbass ist keineswegs geheim. Der Oligarch setzte Kopfgelder aus und finanzierte Freiwilligen-Bataillone, als die ukrainische Armee im Frühjahr im Osten versagte.
Zu den Begünstigten zählten Einheiten, die überwiegend mit Neofaschisten besetzt sind, wie das Bataillon Asov.
Bisher ist ungeklärt, ob und wie Kolomojskyj die Maidan-Proteste vor einem Jahr unterstützt hat. Dagegen ist bekannt, dass Viktor Pinchuk, eigentlicher Chef des führenden Dnipropetrowsker Clans, dort nicht nur medial, sondern auch finanziell engagiert war. Andere Dnipropetrowsker Magnaten dürften ebenfalls genügend Gründe empfunden haben, gegen die Übermacht des Donezker Oligarchen Rinat Achmetow und des damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch aufzubegehren, etwa Oleksiy Martynov, Gennadiy Bogolyubov oder Andrij Derkatsch. Ihr Vermögen kann mit dem Achmetows mithalten, hat sich aber in den zurückliegenden Jahren nicht so explosionsartig vermehrt wie das des größten ukrainischen Oligarchen.
Zu dem Dnipropetrowsker Clan zählte auch Julia Timoschenko, beliebt bei Kolomojskyj, aber nicht allen Dnipropetrowsker Oligarchen. Victor Pinchuk etwa verlor durch eine Enteignung, zu der es unter der Regierungschefin Timoschenko kam, den Stahlkonzern Kryvorizhstal, den er einst zusammen mit Achmetow – vermutlich wegen exzellenter Beziehungen zum damaligen Staatschef Leonid Kutschma (1994 bis 2005 im Amt) – für nur 800 Millionen Dollar erwerben konnte.
Gern gesehen
Timoschenko war eine Schlüsselfigur in Dnipropetrowsk, die aus Millionären Milliardäre machte.
Erst mit der Orangenen Revolution Ende 2004, bei der Timoschenko eine maßgebliche Rolle spielte, begann die rasante Vermehrung ukrainischer Milliardäre. Während auf dem Höhepunkt der damaligen Privatisierungswelle die 50 reichsten Ukrainer noch Vermögenswerte deutlich unterhalb von 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) kontrollierten, lag dieser Wert zwei Jahre später bereits bei über 60 Prozent oder gut 64 Milliarden Dollar und stieg 2014 auf 85 Prozent des BIP, folgt man Angaben der Zeitschrift Korrespondent, die bei der Vermögensschätzung mit der Investment Bank Dragon Capital kooperiert.
Dem Aufstieg der Oligarchen konnten auch Vermögensverluste durch die Bankenkrise 2008 unter der Regierung des Premiers Janukowitsch nichts anhaben. Die Dnipropetrowsker Magnaten fühlten sich wohl auch deshalb veranlasst, bei der Präsidentenwahl 2010 Janukowitsch zu unterstützen und Timoschenko fallen zu lassen.
Eine weitere Besonderheit des Dnipropetrowsker Clans sind ausgezeichnete Kontakte in die USA. So hatte Viktor Juschtschenko, Ex-Präsident und Multimillionär (im Amt 2005 – 2010), erheblichen Anteil am Aufbau eines ukrainisch-amerikanischen Netzwerkes, das bis in höchste Washingtoner Kreise reichte. Bekannt ist die Clinton-Connection Victor Pinchuks, der durch seine „YES-Konferenzen“ (Yalta European Strategy) seit 2004 auf intensive Verbindungen mit US-Politikern setzte.
Vergleichbarer Kontakte nach Westeuropa erfreute sich Igor Kolomojskyj, der wegen erheblicher Konflikte mit Viktor Janukowitsch zuletzt in der Schweiz lebte und erst nach dem Kiewer Umsturz Ende Februar 2014 zurückkehrte. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos war Kolomojskyj ein gern gesehener Gast, der Meetings mit viel internationaler Prominenz ausrichtete.
Im Unterschied dazu waren die Oligarchen des Donbass, die sich um Achmetow scharten, mit ihren Netzwerken eher auf Russland fixiert. Auch haben im Donezker Clan immer russische Oligarchen mitgespielt wie der Milliardär Roman Abramowitsch, der pikanterweise einen Betrieb in der zuletzt hart umkämpften Stadt Mariupol besitzt.
Dabei fällt auf, dass sich die Donezker und russisch orientierten Oligarchen während der Präsidentschaft Janukowitschs zur dominierenden Macht in der Ukraine mausern konnten. Die Vermögensentwicklung (
s. Grafik) zeigt das recht deutlich. Bei den Zahlen handelt es sich um Analysen der Zeitschriften
Forbes Magazine und
Korrespondent, die teilweise auseinander driften. Allerdings ist nach beiden Quellen Rinat Achmetow der reichste und einflussreichste Oligarch mit einem geschätzten Vermögen von weit über zehn Milliarden Dollar.
Vorsichtig sollte man dagegen mit der Behauptung umgehen, wonach sich Achmetow schon deutlich vor der Maidan-Revolte von Janukowitsch distanziert habe. Achmetows Vermögensschub unter diesem Staatschef spricht ebenso dagegen wie die aggressive Rhetorik der Dnipropetrowsker Oligarchen, die sich nach dem Sturz Janukowitschs gegen den Donezker Multimilliardär richtete. Julia Timoschenko organisierte gar eine Demonstration vor der Residenz Achmetows, um ihn zu zwingen, eindeutig zu erklären, auf welcher Seite er stehe.
Natürlich konnte die Dominanz Achmetows dem Kiewer Clan, zu dem der Schokoladenfabrikant und jetzige Präsident Petro Poroschenko gehört, nicht gleichgültig sein. Obwohl Letzterer geschäftlich mit Russland verbunden war, unterstützte er nicht nur die Maidan-Bewegung, sondern half mit seinem Fernsehkanal TV5 nach, indem er den antirussischen Charakter der Proteste verstärkte. Dies taten zwar alle Oligarchen, die mit dem Maidan sympathisierten, doch fühlten sich die meisten dabei von der Sorge getrieben, die anfänglich auf soziale Gerechtigkeit gerichtete Bewegung könnte sich gegen sie und ihre ökonomische Hegemonie wenden. Da kam der Mythos vom „Euromaidan“ einer Rettung gleich, weil er den Zorn der Janukowitsch-Gegner von ihnen weg auf Russland lenkte.
Doch scheint die Gefahr damit noch nicht gebannt. Wie ist es sonst zu deuten, dass Premier Arsenij Jazenjuk – in Kiew Favorit der Amerikaner – einen „Kampf gegen die Oligarchen“ beschwört, obwohl die USA deren westorientierte Clans unterstützen? Doch wird die Rhetorik offenkundig gebraucht, um eine Koalition zu legitimieren, in der weiter Parteien sitzen, die von Oligarchen gesponsert und beherrscht werden. Ein Beispiel ist die Partei
Selbsthilfe, die ihre Existenz dem Oligarchen Semjon Sementschenko (zugleich Finanzier des Bataillons
Donbass) verdankt. Zur Parlamentswahl am 26. Oktober stand er bei
Selbsthilfe auf Listenplatz zwei. Oder man denke an Timoschenkos
Allukrainische Vereinigung Vaterland, die gleichfalls zu Jazenjuks Allianz gehört.
300 Dollar im Monat
Der Kampf gegen die Oligarchen ist in Wirklichkeit ein Kampf der Oligarchen untereinander, vor allem aber gegen das der Oligarchie müde ukrainische Volk. Tatsächlich haben die Ukrainer in den vergangenen Jahren das verloren, was die Oligarchen gewannen. Ihr Lebensstandard ist bei einem Durchschnittseinkommen von 300 Dollar im Monat das Kontrastprogramm zu den steigenden Vermögen der Milliardäre. Das Perfide der innerukrainischen Konflikte besteht darin, dass die geopolitische Aufladung der sozialen Protestfront des Maidan die Demarkationslinien zwischen konkurrierenden Oligarchen-Clans bestätigte und verfestigte. Dabei können die Clans aus Dnipropetrowsk und Kiew auf ideologischen Beistand aus dem Westen zählen, obwohl sie es sind, deren Machtkämpfe die territoriale Integrität des Landes bedrohen.
Die Frage, ob es sich bei der bewaffneten Konfrontation in der Ostukraine um einen Bürgerkrieg handelt, lässt sich eben auch aus einer anderen als der geopolitischen Perspektive betrachten. Seit die Unabhängigkeit Ende 1991 ausgerufen wurde, gab es nie eine Feindschaft zwischen den Menschen aus der West- und der Ostukraine, schon gar nicht zwischen den Ukrainern aus Dnipropetrowsk und Donezk. Die ukrainische und russische Sprache wurden in allen Landesteilen gesprochen und überwiegend verstanden. Der Bürgerkrieg hat seine entscheidenden Wurzeln deshalb nicht in einer „gespaltenen“ Nation, sondern in den verfeindeten Lagern der Oligarchen. Es ist ein Bürgerkrieg der Milliardäre, bei dem sich die EU-Regierungen genau überlegen sollten, ob sie länger Partei sein wollen.
https://www.freitag.de/autoren/soenke-paulsen/buergerkrieg-der-oligarchen
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Es gibt Nazis in Russland und sie begehen Verbrechen in Russland, das wird nicht bestritten. Doch hingegen der Nazifizierung und Faschisierung und der Verbrechen, die in der Ukraine begangen wurden ist es offensichtlich, dass es in der Ukraine ein fundamentales Problem darstellt. Neo-Faschisten bekleiden Ämter und sitzen in der Regierung. Einen weiteren Einblick konnte man bei den Demonstrationen und Feiern anlässlich des 106 Geburtstages des Nazi-Kollaborateurs und Rassisten Bandera bekommen. Was in der Ukraine seit dem Beginn des Maidans geschieht, dass sich die Gewalt der Nazis entläd und sich gegen anders denkende, gegen Oppositionelle , gegen Russen etc. richtet hat man gesehen.
Die Losungen der Faschisten werden überall gebetsmühlenartig in den Strassen skandiert. Es wird gerade Jagd auf Menschen gemacht wie in keinem anderen europäischen Land, das spricht für sich.