Lorne, das habe ich nicht behauptet. In der Tat ist es eine Frage, ob es so etwas wie Demokratie überhaupt geben kann, da hat Vilenica schon Recht. Die Leute sind entweder zu desinteressiert oder zu beschäftigt, um sich die Zeit zu nahmen, sich mit denjenigen Themen (z. B. Eurorettungsschirm oder Migrationspakt) in einem Maß auseinanderzusetzen, wie es notwendig wäre, damit sie darüber als mündige Bürger abstimmen können. Und da ist es egal, ob das nun in einem Plebiszit ist oder bei Bundes- oder Landtagswahlen.
Da solltest du Demokratie erst mal definieren. Die westliche Demokratie kennt zwar die Volkssouveränität, aber wesentlicher Bestandteil ist sie nicht. Das ist auch gut so, denn eine Tyrannei der Mehrheit ist nicht demokratisch im westlichen Sinne. Nehmen wir mal an, wir würden in einer Gesellschaft leben, wo jeder Bürger perfekt informiert ist und intelligent genug, um die Informationen auch vernünftig zu verwerten. Wenn jetzt in so einer Gesellschaft abgestimmt wird, ob jeder Bürger den Islam annehmen muss, und dieses Referendum bei 100% Wahlbeteiligung mit einer Stimme Unterschied gewinnt, dann müsste also knapp die Hälfte der Gesellschaft gegen ihren Willen den Islam annehmen, und das ganze wäre direktdemokratisch astrein bestimmt worden. Mit einer "Demokratie" im westlichen Sinne hätte so ein Volksentscheid herzlich wenig zu tun.
Deswegen ist die Volkssouveränität in den Ewigkeitsklauseln des Grundgesetzes eben auch nur eine von knapp einem Dutzend Prinzipien, und nicht das einzige. Die anderen sind die Anerkennung von Menschen- und Grundrechten, Schutz der Menschenwürde, Teilung der Gewalt des Staates in Exekutive, Judikative und Legislative, Teilung des Staates in Bund und Länder, Sozialstaatsprinzip, sowie einige andere. Insofern ergibt sich daraus auch automatisch, dass der Staat einen ziemlich engen Rahmen hat, indem er sich bewegen darf. Das ist auch das grundlegende Hauptprinzip der westlichen Demokratie, wo der Staat in erster Linie ein Instrument ist, um den Bürger zu schützen, und zwar vor dem Staat selbst, sowie vor anderen Bürgern. Ein Ausübung des Volkswillen ist dem gegenüber eindeutig zweitrangig und erfolgt nur dann, wenn es mit dem Hauptprinzip vereinbar ist.
Das gesagt, gibt es auch ein ganz grundsätzliches Problem mit Referenden, denn diese lassen sich sogar eher noch viel leichter von gewissen Interessengruppen "kapern", als es mit einem Parlament möglich ist. Für Referenden braucht man im Regelfall 25-35% der wahlberechtigten Bürger auf seiner Seite, um sie zu gewinnen. In der Schweiz werden Referenden oft auch mit einem noch kleineren Anteil gewonnen. Deswegen ist auch gerade die Schweiz das Land in Europa, wo die "1%" am meisten die Politik des Landes bestimmen. Jüngstes Beispiel ist z.B. die Abstimmung zur Steuerreform für Unternehmen.