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Dossier Pink Panther

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Dado-NS

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Gentlemen mit Charme, Hammer und einer .357-Magnum

Seit Jahren überfallen Räuber aus dem Balkan die edelsten Bijouterien, auch in der Schweiz. Ein US-Journalist hat den Weg der Pink Panther akribisch nachgezeichnet. Seine Reportage beginnt mit dem spektakulärsten Juwelenraub der englischen Geschichte.

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Erste Adresse für die Reichen und Schönen, am 19. Mai 2003 auch für Predrag Vujosevic: Edeljuwelier Graff an der New Bond Street in London.

Am 19. Mai 2003 ging ein Mann Ende 20 die New Bond Street in London entlang und blieb vor dem Flagship Store des Juweliergeschäfts Graff stehen, wo «die erstklassigsten Edelsteine der Welt» zum Verkauf stehen. Der Mann, der von Überwachungskameras aufgenommen wurde und später Detektive auf drei Kontinenten beschäftigen sollte, war 170 Zentimeter gross, blond, schmal und hatte den Oberkörper eines Akrobaten. Er sprach mit niemandem und betrat auch nicht den Laden, um sich die ausgestellten Ringe anzuschauen. Nach fünf Minuten trat er vom Schaufester weg und ging weiter.

Die Kunden von Graff, unter ihnen Oprah Winfrey und Victoria Beckham, schätzen das Geschäft wegen seiner farbigen Diamanten. Die gelben, die als unrein galten, bis Graff eine erfolgreiche Marketingkampagne lancierte, oder die seltenen blauen, die ihren Farbstich durch Spuren von Boron erhalten. Der Mann auf dem Überwachungsband, Predrag Vujosevic, war kein typischer Kunde von Graff. Aufgewachsen in Bijela, einem Fischerdorf in Montenegro, war er einer der Anführer einer äusserst erfinderischen und schwer fassbaren Bande von Diamantendieben, bekannt als die Pink Panther. Es gibt viele Edeljuweliere, unter ihnen Chopard und Harry Winston, die sich in jenem Abschnitt der New Bond Street in der Nähe des Buckingham Palasts befinden. Vujosevic entschied sich für Graff, weil er eine Vorliebe für farbige Diamanten hatte – oder weil ihm die Sicherheitsmassnahmen lax schienen.

Als ich Graff kürzlich besuchte, wurde ich von einem Wachmann begrüsst, der mich weder nach einem Termin fragte, noch in meine Ledermappe gucken wollte. Offenkundige Sicherheitsmassnahmen sind für reiche Kunden unbehaglich. Im parfümierten Innenbereich waren drei russischsprachige Kundinnen. Ein Verkäufer namens Martin zeigte mir Halsketten mit Solitaire-Diamanten im Hunderttausend-Dollar-Bereich, die, wie er fand, eine nette Aufmerksamkeit für meine Frau wären. Er erzählte mir, er arbeite schon seit 1973 bei Graff und sei auch am Tag, nachdem Vujosevic sich das Geschäft angeschaut hatte, hier gewesen. Gegen Mittag jenes Tages traten Vujosevic und ein Komplize durch die Tür und machten sich in weniger als drei Minuten mit Diamanten im Wert von gut 30 Millionen Dollar aus dem Staub. Es war der grösste Juwelenraub in der Geschichte Englands. «Es ist uns eine Ehre, der ganzen Welt zu dienen», so Martin trocken. «Wir würden es allerdings begrüssen, wenn die Leute für ihre Auswahl bezahlten.»

Laut Unterlagen der britischen Polizei kam Vujosevic, der zuvor in Paris gelebt hatte, zwei Wochen vor dem Überfall in London an. Er stieg in einem günstigen Hotel in Bayswater, in der Nähe des Hyde Parks, ab. Seine Reisevorbereitungen wurden von Milan Jovetic erledigt, ein Mann aus der früheren montenegrinischen Hauptstadt Cetinje. Eine Woche vor dem Raub flog Nebojsa Denic – ein hünenhafter Serbe aus dem Kosovo, der als Putzmann in einem Schweizer Spital arbeitete – von Zürich ein. Angeblich trafen sich die drei Männer in Isleworth im Westen Londons, wo sie eine gebrauchte Vespa kauften – Vujosevics Fluchtfahrzeug.

Am Tag des Überfalls betrat Denic, sich als Kunde ausgebend, den Laden von Graff, in einen Anzug gekleidet und mit einem Regenschirm in der Hand. Auf seinem Kopf sass eine Elvis-Perücke mit Tolle, was schräg aussah, jedoch keine Aufmerksamkeit erregte. Die Angestellten vermuteten im Herrn mit der seltsamen Haartracht einen getarnten Rockstar oder einen reichen, kranken Mann. Denic bat darum, einen 12-karätigen Diamantring für 450’000 Dollar zu begutachten. «Zu glamourös», sagte er, nachdem er ihn untersucht hatte. «Haben Sie einen kleineren?» Dann zückte er eine verchromte .357-Magnum und schrie: «Alles auf den Boden!» Vujosevic, der eben das Geschäft betreten hatte, zerschmetterte mehrere Schaukästen mit einem Hammer, holte eine Tasche hervor und sammelte 47 Schmuckstücke ein. Beide Männer rannten zur Tür. Ein Wachmann verfolgte Denic und versuchte, ihm die Waffe zu entreissen. Dabei löste sich ein Schuss, der von einem Klimagerät abprallte und die Nase einer Frau streifte, die gerade vorbei ging.

Als Steve Alexander von Scotland Yard am Tatort eintraf, lag Denic überwältigt am Boden. Alexander erinnert sich, dass Denic «äusserst elegant gekleidet war. Mit einer Perücke allerdings, die aussah, als ob eine Katze auf seinem Kopf lag». Scotland Yard leitete eine Ermittlung ein. Innert wenigen Tagen identifizierten Londoner Kriminalbeamte Milan Jovetic als Komplizen. Jovetic und seine Freundin Ana Stankovic, die im Statdtteil Bayswater eine Wohnung gemietet hatten, wurden von der Polizei telefonisch überwacht, bis ein Hausdurchsuchungsbefehl ausgestellt war. Während der Durchsuchung fand ein Beamter im Badezimmer eine Schale mit Gesichtscrème. Er steckte seinen Finger hinein und stiess auf etwas hartes – einen blauen Diamantring von Graff, im Wert von 750‘000 Dollar. (Stankovic hatte vor, den Edelstein in Anas Verlobungsring einzusetzen.) Nachdem die Presse davon erfahren hatte, nannten «Daily Mail» und andere Londoner Zeitungen die Räuber die Pink Panther, in Anlehnung an die gleichnamige Peter-Sellers-Komödie, in der das gleiche Versteck gewählt wird.

Beim Durchsuchen der Wohnung fand die Polizei zwei gefälschte italienische Pässe ohne Namen oder Fotos. Italien, erklärte Alexander, sei die Route, die jemand wähle, der von Montenegro kommt und seine Spuren verwischen möchte. Alexander war einer von mehreren europäischen Kriminalbeamten, die mir mitteilten, dass die Panther in Italien logistische Stützpunkte unterhielten. Und dass die italienische Polizei Kooperationen mit ausländischen Beamten mehrheitlich abgelehnt habe.

Jovetics Telefonprotokolle führten Scotland Yard zu einer Wohnung in Paris, die man als Vujosevics Bleibe ausgemacht hatte, allerdings war er nicht dort. Alexander reiste nach Paris, um die «Brigade gegen Banditenwesen» zu treffen, eine Spezialeinheit für organisiertes Verbrechen. Als sie ihre Unterlagen verglichen, fiel Alexander und den französischen Beamten auf, dass gut angezogene Kriminelle mit osteuropäischem Akzent gut 20 Überfälle im Stil des Graff-Raubs verübt hatten. Französisches Beweismaterial, darunter Aufnahmen von Überwachunskameras, deutete darauf hin, dass Vujosevic sich auf eine Diebestour durch Europa begeben hatte: Castiglione in Paris, Graff in Amsterdam, Wempe in Frankfurt sowie Juweliere in Genf und Barcelona waren betroffen.

Nach monatelanger Fahndung verhaftete die Polizei Vujosevic, als er von Italien nach Frankreich einreisen wollte. In seinem Wagen fand man eine geladene Waffe. Detective Alexander kehrte nach Paris zurück, um seinen Verdächtigen zu verhören. «Vujosevic war ein kleiner Typ, einer, der einem auf der Strasse nicht auffallen würde», so Alexander, «ausserdem äusserst höflich und redegewandt.» Allerdings weigerte sich Vujosevic, über den Graff-Überfall zu reden, und verlor auch kein Wort über die Destination der Diebesware, seine kriminelle Vergangenheit, sein Leben in Montenegro oder sonst eine nützliche Information. Trotz monatelanger Ermittlungen wusste die Polizei immer noch nicht, wer die Überfälle in Auftrag gab und wohin die Diamanten verschwunden waren.

Dem Raub in London folgten schon bald Dutzende weitere Pink-Panther-Überfälle in Europa und Asien. Die Einkünfte der Räuber beliefen sich inzwischen auf eine Viertelmilliarde Dollar. Im März 2004 überfielen die Panther einen Juwelierladen in Tokio. Zwei Serben mit Perücken betraten das Geschäft und setzten einen Angestellten mit Pfefferspray ausser Gefecht. Dann machten sie sich mit einem Halsband mit einem 125-Karat-Diamanten aus dem Staub. Im selben Jahr nutzten die Panther einen Besuch der Gattin von Premier Jean-Pierre Raffarin bei Chopard aus und stahlen aus einem unbewachten Schaukasten Juwelen im Wert von 14 Millionen Dollar. 2005 raubte ein Panther-Team in Hawaii-Hemden Julian aus, ein Juwelierladen in St. Tropez. Der Überfall ereignete sich am helllichten Tag und dauerte wenige Minuten. Die Diebe rannten aus dem Geschäft zum Hafen hinunter, wo ein Schnellboot auf sie wartete.
 
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Pink Panther, II: Mit Dubai-Überfall zu Youtube-Ruhm

Zwei Dutzend Pink Panther sitzen inzwischen im Gefängnis. Doch der Raubzug der Bande geht weiter, als Rammbock-Räuber machen die Juwelendiebe in Asien reiche Beute.
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Die Spur der Beute: Experten am Gemmologischen Institut in New York schätzen gelbe Diamanten für einen Kunden, für den man sich im Hauptquartier von Interpol (oben rechts) brennend interessiert.

Frustriert von den vergeblichen Bemühungen, der Juwelendiebe habhaft zu werden, spannten Beamte in London, Paris, Brüssel, Genf und Tokio zusammen: DNA-Unterlagen, Scans mit Fingerabdrücken, Telefonnummern und weiteres Beweismaterial wurden mit Interpol-Daten verglichen. Auch die Europol-Datenbanken Mare Nostrum und Furtum kamen zum Zug. Der Aufwand zahlte sich aus. Ungefähr zwei Dutzend Panther sitzen mittlerweile in westeuropäischen Gefängnissen ein. Aber die Bande ist weiter aktiv – ein kürzlicher Überfall auf Chaumet in Paris wird den Panthern zugeschrieben – und keines der inhaftierten Mitglieder ist zu einer Kooperation mit der Polizei bereit. Auch sieben Jahre nach dem Überfall auf Graff bleiben der genaue Zweck und die Operationsstruktur der Pink Panther ein Geheimnis.

Im vergangenen Jahr sprach ich mit 17 Kriminalbeamten in zehn Ländern, die den Panthern auf der Spur sind. Fast alle sagten, dass die Destination der Beute unklar sei. Doch nachdem ich in London einen Tipp erhalten hatte, besuchte ich die New Yorker Filiale des Gemmologischen Instituts von Amerika, eine Nonprofit-Organisation an der Ecke Fifth Avenue/Forty Seventh Street, im Diamantenbezirk. Das Institut fertigt Mikroskope und anderes Equipment für Diamantenhändler an. Es unterhält Labors in Johannesburg, Mumbai, Bangkok und weiteren Städten, wo Experten die Farbe, Klarheit und Grösse von Diamanten einstufen.

In einem Konferenzraum traf ich mich mit Ivy Cutler, einer der fähigsten Diamanten-Schätzerinnen. Cutler, eine grosse, selbstsichere Frau mit hübschem Gesicht, trug eine randlose Brille, einen schwarzen Rollkragenpullover und eine blaue Strickjacke mit einer Anstecknadel, auf der ihr 30-jähriger Dienst in der Diamanten-Branche gewürdigt wird. Die meisten Edelsteine, die Nobel-Läden wie Cartier oder Graff verkaufen, so Cutler, seien von ihrem Institut eingestuft worden. (Tiffany schätzt seine Diamanten selber .) Jeder Stein wird von mehreren Experten untersucht, um seine individuellen Eigenschaften zu bestimmen und festzustellen, ob seine Farbe durch einen chemischen Prozess verändert worden ist. Danach wird die Expertise in eine Datenbank eingegeben. Zirka eine Million Steine schätzt das Institut jedes Jahr, davon versieht es die Hälfte mit mikroskopisch kleinen Sicherheitscodes, die einen Diebstahl erschweren sollen. Diese Woche, sagte Cutler, habe sie schon 15 Anfragen von Polizeibehörden bekommen – und es war erst Mittwoch.

Cutler führte mich in einen Raum, dessen Fenster mit Sonnenblenden versehen waren. 48 Schätzer, sogenannte Grader, sassen über Mikroskope gebeugt und untersuchten Diamante. Die Steine kommen in durchsichtigen Plastikschachteln zu den Schreibtischen der Angestellten, wo sie mit Pinzetten unter die Mikroskope gelegt werden. Die Arbeit ist vergleichbar mit jener in einem Röntgen-Labor. Einige Diamanten, sagte Cutler, hätten derart hypnotisierende Okklusionen, dass man sich in ihnen verlieren könne. «Wie Blumen oder Christbäume», erklärte sie, während sich ihr Blick für einen Moment trübte. «Etwas, das wohl nur ein Gemmologe zu schätzen weiss.»

Ich erkundigte mich bei Cutler nach gelben Diamanten, die sie vor ein paar Jahren untersucht hatte. «An die Steine erinnere ich mich», sagte sie. Als ihre weniger obsessiven Kollegen gerade eine Kaffeepause einlegten, machte Cutler damals eine Entdeckung. Etwas an einem Stein, den sie durch ihr Mikroskop studierte, kam ihr merkwürdig vor. Nachdem sie den Sicherheitscode mit Hilfe der Datenbank des Instituts abgeglichen hatte, verstärkte sich ihre Skepsis.

Besagter Diamant war einer von 17 Steinen, die ein Kunde zur Prüfung gebracht hatte. Für Cutler stand fest, dass alle Steine gestohlen waren. Zwar wollte sie mir die Identität des Kunden nicht verraten, sagte aber, dass die Diamanten von Europa über Israel nach New York gelangt seien. Der Käufer der gestohlenen Steine habe eine private Vereinbarung mit dem Verkäufer getroffen, was im Diamantenhandel üblich sei. «Das geht uns wirklich nichts an», so Cutlers Antwort, als ich sie nach den Details der Vereinbarung fragte. Etwas gab sie dennoch preis: Die gelben Diamanten mit dem Sicherheitscode waren Teil von Predrag Vujosevics Beute aus dem Graff-Raub in London.

Der Ermittler mit dem grössten Wissen über die Pink Panther ist André Notre-Dame, ein Belgier, dessen Name in keinem öffentlichen oder polizeilichen Register vorkommt. Im Frühling vor einem Jahr traf ich ihn in Brüssel in einem Café bei der Börse. Ein grauhaariger Mann mit einem Zwirbelbart und einem aufgequollenen, formlosen Gesicht. Sein Bauch, teilweise von einer Nylon-Windjacke bedeckt, ragte über den Bund seiner verblichenen Jeans hinaus. Er trug schwarze Halbschuhe mit dicken Gummisohlen.

Notre-Dame glaubt, dass der Kern der Panther-Organisation aus 20 bis 30 erfahrenen Räubern besteht. Dutzende von Vermittlern in verschiedenen europäischen Städten, darunter Brüssel, bieten logistische Hilfe an. Gestohlene Diamanten können in Antwerpen landen. Luxusuhren verschwinden Richtung Osten, nach Serbien und Russland, versteckt in Autos. «Ein Teil des Geldes gelangt nach Serbien», sagte Notre-Dame mit einem Kichern, das seinen Bart kräuseln liess. «Die serbischen Behörden mögen Geldinvestitionen.» In Belgrad werden die Einnahmen offenbar gewaschen, bevor man sie in Cafés, Restaurants und Immobilien anlegt.

Nach einem gemütlichen Mahl zündete sich Notre-Dame eine Zigarre an und wir spazierten zur Galleries Royales Saint-Hubert, einer überdachten Einkaufspassage mit acht Juwelierläden. Seit 2002, sagte er, haben die Panther 150 Juweliergeschäfte ausgeraubt. Die meisten Überfälle folgten demselben Modus operandi: Ein elegant angezogener Mann betritt das Geschäft und öffnet die Tür des Notausgangs einen Spalt breit, um so seinen Komplizen Zutritt zu verschaffen. (Edel-Juweliere erlauben in der Regel bloss einen Kunden aufs Mal). Der erste Eindringling hat im Normalfall eine Waffe. Die anderen sind mit Hämmern und Beilen ausgerüstet, um die Schaukästen zu zertrümmern. Die Räuber stecken Juwelen und Uhren in Rucksäcke und machen sich in einem gestohlenen Wagen davon. «Die Autos sind mindestens zehn Jahre alt», erklärte Notre-Dame. Ältere Wagen sind weniger auffällig und lassen sich einfacher kurzschliessen. Zur Verfügung gestellt werden Wagen und Waffen von Partnern der Panther vor Ort, die sich auch um Hotelzimmer sowie andere Kleinigkeiten kümmern.

Manchmal, so Notre-Dame, setzen die Panther auf eine Strategie namens «vol au bélier» – Rammbock-Raub –, wobei sie einen schweren Gegenstand in ein Schaufenster rammen, etwa ein mit Zementbrocken gefülltes Einkaufwägelchen. Zum Zug kann diese Technik etwa bei einem Überfall in Dubai am 15. April 2007. Zwei Audi – einer schwarz, einer weiss - preschten durch das Tor zum Wafi-Einkaufscenter. Der schwarze raste ins Schaufenster eines Juweliers. Videoaufnahmen des Überfalls wurden auf Youtube geladen. Im Clip ist zu sehen, wie die beiden Wagen auf dem polierten Fliesenboden des Centers vor dem Geschäft warten. Ein Fahrer hupt zweimal, drei maskierte Männer stürmen aus dem Geschäft. Während Kunden auf der Galerie die Szene fassungslos verfolgen, springen die Räuber in die Fluchtautos und rasen aus dem Blickfeld. Später meldete das Geschäft einen Diebstahl in der Höhe von 3,4 Millionen Dollar.

Die Dubai-Räuber setzten die Audis in Flammen, in der Hoffnung, etwaige belastende Spuren zu verwischen. Doch sie gingen nicht gründlich genug vor. Die örtlichen Behörden fanden DNA-Spuren in den Autos und schickten am 19. April 14 Proben nach Lyon ins Hauptquartier von Interpol. Zwei der Proben waren mit der DNA von Männern identisch, die wegen eines Raubs in Liechtenstein gesucht wurden. Eine dritte Probe passte zu einem Mann, der ein Schmuckgeschäft in der Schweiz ausgeraubt hatte.

Weil die beiden Audis gemietet waren, stiess die Polizei über eine Telefonnummer im Vertrag auf Bojana Mitic, eine 25-jährige Blondine aus der serbischen Stadt Nis. Dank den DNA-Proben und der Überwachung von Mitics Telefon gelang es den Ermittlern, acht Panther zu identifizieren – sechs stammten aus Serbien, einer aus Montenegro und einer aus Bosnien.

Der Bosniake war ein 31-Jähriger namens Dusko Poznan und wurde bereits wegen weiteren Überfällen gesucht. Sofort alarmierte Interpol die weltweit zuständigen Behörden; das Fahndungsfoto zeigte einen gutaussehenden, dunkelhaarigen Mann mit Augen, unter die die Müdigkeit Krater gegraben hatte. Gemäss Aufruf wurde Poznan, der fliessend Englisch und Russisch sprach, wegen Überfällen in Liechtenstein und der Schweiz gesucht.
 
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Pink Panther, III: Schweizer Polizist bodigt Bandenanführer

Kommissar Zufall kommt den Fahndern zu Hilfe: Sie fassen in Monaco und bei Genf mehrere Pink Panther, auch den Drahtzieher des Dubai-Raubs. Er ging einem Schweizer Polizisten nach wilder Verfolgungsjagd ins Netz.
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Viele Zufälle in Monte Carlo: Nach einem Unfall mit Fahrerflucht, bei dem Dusko Poznan verletzt wurde, konnte die monegassische Polizei im Spital auch Borko Ilincic (unten) verhaften.

Eines Morgens im Oktober 2008 kam Poznan nach Monaco, begleitet von einem jungen Serben mit dem Namen Borko Ilincic. Zuerst fuhren sie einen gemieteten Audi A3 ins Stadtzentrum, dann gingen sie zu Fuss. Weil es in Monte Carlo Hunderte Überwachungskameras gibt, war ihr Weg durch die Stadt einfach zu rekonstruieren. Sie bewegten sich auf die belebte Place du Casino zu, auf einer Route, die sie an verschiedenen Juwelierläden vorbeiführte. Eine Kamera zeigte sie vor dem Schaufenster von Zegg & Cerlati. Dann überquerten sie den Platz Richtung Ciribelli, einem Geschäft, das die Panther schon 2007 überfallen hatten. Von einem Einkaufscenter abgeschirmt und ohne doppelte Sicherheitstüren, muss es ihnen als einfaches Ziel erschienen sein.

Während Poznan den Platz überquerte, wurde er von einem Wagen erfasst und am Knöchel verletzt. Der Lenker des Wagens fuhr ohne eine Reaktion weiter. Eine Ambulanz brachte Poznan ins Centre Hospitalier Princesse Grace, Ilincic begleitete ihn. Kaum eingetroffen, tauchte die Polizei im Krankenhaus auf und verhaftete die beiden Männer. Poznan wurde an Liechtenstein ausgeliefert, wo er wegen eines Raubs aus dem Jahr 2006 verurteilt wurde. Ilincic wartet in der Schweiz auf seinen Prozess.

Vor einem Jahr besuchte ich das Hauptquartier der monegassischen Polizei, das unauffällig am Fuss der berühmten Klippen liegt. Ich traf mich mit Polizeichef André Muhlberger, äusserlich eine Mischung aus Hollywoodstar und Polizist: braun gebrannt, breite Schultern, schlechte Zähne. Er erzählte mir, dass mehrere Männer in den Ciribelli-Überfall involviert waren. Zwei von ihnen hinterliessen Fingerabdrücke am Tatort, die den serbischen Panthern Nicolai Ivanovic und Zoran Kostic zugeschrieben werden konnten. Am Tag bevor ich mit Muhlberger sprach, hatte die Polizei die beiden in Paris verhaftet, weil sie mit gefälschten Pässen reisten.

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Treffen in der Schweiz: Auf Drängen von André Mulberger (l.) richtete Interpol eine Arbeitsgruppe ein, die auch in Bern tagte.

Im Herbst 2007 rief Interpol auf Drängen Monacos eine Pink-Panther-Arbeitsgruppe ins Leben. Bisher hat sie sich viermal getroffen, zuletzt in Bern. Obwohl nach wie vor fundamentale Fragen zur Organisation offen sind, kann sich Muhlberger denken, wo die Räuber ihre Beute loswerden. «Es gibt keinen konkreten Ort, das wäre zu einfach. Es gibt vielmehr eine Region. Nennen wir sie Kosovo. Mehr sage ich nicht.» Tatsächlich wurde am Treffen in Bern bekannt, dass in New York kürzlich ein Kosovare mit gestohlenen Diamanten verhaftet wurde. Ich bat Muhlberger, die Geschichte des Fahrerfluchtunfalls zu wiederholen, der auf so wundersame Weise einen Hauptverdächtigen im Dubai-Raub hervorgezaubert hatte. «Die zwei kamen um 11 Uhr morgens in Monaco an», erwiderte Muhlberger mit einem Verweis auf eine Überwachungskamera. «An der Place du Casino herrschte Stau. Die beiden überquerten eine Strasse. Als sie einen kleinen Lastwagen passierten, fuhr ein Auto langsam an ihnen vorbei und erwischte Poznan am Fussknöchel.» Danach besuchte ein Beamter die beiden im Spital, offenbar, um einen Alkoholtest durchzuführen. Er erkannte Poznan aufgrund eines Interpol-Plakats wieder. Der Polizist, in den Medien bloss als «Alain» identifiziert, beschrieb es so: «Innert eines Sekundebruchteils war mir klar: Den kenne ich.»

Muhlbergers Bericht – ein mysteriöser Fahrer verletzt zufällig einen der meistgesuchten Männer Europas, der dann in ein Spital gebracht wird, wo er sofort erkannt und verhaftet wird – klingt unglaubwürdig. Tatsächlich bemerkte eine andere Quelle bei der Polizei mir gegenüber, Poznans Unfall sei möglicherweise kein Zufall gewesen. Muhlberger wiederum bezeichnete dies als lächerlich. Die monegassische Polizei würde nie solche brutalen Methoden anwenden.

Wie auch immer, Muhlberger arbeitet energisch an der Stilllegung jeglicher Panther-Aktivitäten in seinem Revier. Vergangenen Juni verhaftete die Polizei in Monaco drei Männer, deren einziges Verbrechen darin bestanden hatte, mit Sonnenbrillen in einem schwarzen Audi zu sitzen, den sie vor dem Casino geparkt hatten. Gemäss ihrer Ausweise war einer von ihnen Vinko Osmakcic, ein Serbe, der bei Überfällen in Basel, Honolulu und Las Vegas dabei war. Nachdem die Männer kurz wegen einer angeblichen Verschwörung festgehalten worden waren, schob man sie ab. Muhlberger: «In Monaco können wir keine Risiken eingehen.»

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Kurze Flucht: Milan Ljepoja wurde in einem Hotel nahe Genf entdeckt und rannte auf einen Pausenplatz, wo er verhaftet wurde.

Kürzlich erzählte mir der Genfer Ermittler Yann Glassey, wie er Milan Ljepoja, einen langjähriger Panther und Drahtzieher beim Dubai-Überfall, festgenommen hatte. Im Mai 2008 war Glassey hinter einigen Russen und Esten her, die Luxusuhren stahlen und sie in St. Petersburg verschacherten. Die Verdächtigen hatten in einem Hotel im französischen Gex, nahe der Schweizer Grenze, eingecheckt. Am 29. Mai befanden sich Glassey und drei Kollegen in der Lobby des Hotels, wo sie Informationen über den Zeitplan der Diebe zu erhalten hofften. Während Glassey an der Réception das Hotel-Register studierte, sah er kurz auf und sah einen Mann, der ihm bekannt vorkam: «Ich dachte: Ist es jemand, den ich von der Arbeit kenne oder eine Zufallsbekanntschaft aus einer Disco? Dann verschwand der Mann hinter einer Türe, drehte sich nochmals um – und ich murmelte ‹Oh, merde!›»

Glassey erkannte Ljepoja, weil er ihn zwei Jahre zuvor verhört hatte, als der Gangster an der schweizerisch-französischen Grenze verhaftet worden war. Seine Fingerabdrücke, die ihm die Schweizer Polizei damals abnahm, brachten ihn mit dem Raub in Leichtenstein in Verbindung. Nachdem Glassey mit ihm fertig war, lieferte man Ljepoja nach Liechtenstein aus, wo er inhaftiert wurde. Am 19. Juni 2006 behauptete der Häftling, sich die Hand gebrochen zu haben, und wurde von einer Ambulanz ins Spital gebracht. Der Sanitätswagen geriet in einen Hinterhalt. Unter Ljepojas Befreiern, sagt Glassey, war auch Dusko Poznan vom Dubai-Überfall.

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Als der Genfer Polizist den Flüchtigen in der Hotel-Lobby erblickte, rannte der auf den Parkplatz, wo er seinen Koffer fallen liess. Glassey verfolgte ihn bis zu einer Schule, die von einem hohen Zaun umgeben war. Ljepoja kletterte über den Zaun, verletzte sich am Bein und lief mit blutverschmierter Hose über den Pausenplatz. Kinder rannten schreiend davon. Glasseys Kollegen schickten ihm per Handy ein Fahndungsbild von Ljeposa, das eine definitive Identifizierung des Verdächtigen ermöglichen sollte, der sich irgendwo auf dem Schulgelände versteckt hatte. Schliesslich stöberten Polizeihunde Ljepoja unter einem Busch auf. Glassey zückte seine Waffe. Ljepojas Reaktion beschrieb er so: «Er stand selbstsicher auf, mit zerrissener Hose und blutendem Bein, und sagte: Gute Arbeit.»

Am nächsten Tag verhörte Glassey Ljepoja. Auf ihr Treffen in der Hotel-Lobby angesprochen, sagte der Räuber: «Ich habe dich auch erkannt.» Glassey machte eine Bemerkung zum Coup der Pink Panther in Dubai, wo Ljepoja und seine Gruppe «unter schwierigen Bedingungen einen guten Job» gemacht hätten. «Meinst du Dubai?» fragte Ljepoja. Glassey bejahte. «Geh auf Youtube und suche nach Dubai Robbery», sagte Ljepoja stolz, bevor man ihn wieder ins Gefängnis steckte.

Glassey glaubt, dass die Panther ursprünglich eine Bande aus Cetinje in Montenegro waren, die zu einem Kollektiv anwuchs, das sich heute über den ganzen Balkan erstreckt und neben Raubüberfällen Hehlerei und Geldwäscherei betreibt. Ihre Aufträge würden die Panther höchstwahrscheinlich von Kunden in reichen europäischen Ländern bekommen: Frankreich, Italien, Russland, Schweiz.

Glassey und ich besprachen danach etwas, das mir kürzlich in einem Büro der französischen Justizbehörden in Paris aufgefallen war. Ein Ermittler namens Bruno Cadiou hatte mir dort erlaubt, eine Graphik zu sichten, auf der eine schwindelerregende Anzahl Verbindungen zwischen Panthern, ihren Wagen und Mobiltelefonen aufgezeichnet war. Zum Beispiel war ein Serbe namens Dejan gelistet, der Geld an einen gewissen Ranko Spahic überwies, der 2005 an sechs Überfällen in Frankreich beteiligt war. Spahic wiederum benutzte ein Handy mit mehreren Linien, von denen eine zu einer italienischen Nummer führte, über die im Jahr 2004 Gespräche mit Teilnehmern eines Raubüberfalls in Tokio geführt worden waren. In einem Dossier zur Graphik entdeckte ich den Namen Esko, der zu Rifat Hadziahmetovis führte – der montenegrinische Verdächtige im Dubai-Raub. «Esko ist der Ehemann von Rifats Schwester», erklärte Cadiou. Auf ein Foto deutend, sagte er: «Die da hat die Juwelen vom Tokio-Ding in ihrer Möse versteckt.» Laut Dossier tauchten jene Steine in einem Juwelierladen bei Rom wieder auf.

Glassey konnte bestätigen, dass Italien für die Panther eine wichtige internationale Drehscheibe ist. «Aber von Italien erhalten wir keine Informationen», klagte er. «Vielleicht sind sie nicht an ‹rosaroten Aktivitäten› interessiert.» In letzter Zeit besuchten die Italiener auf internationalen Druck hin Interpol-Treffen und nahmen einen Hehler fest, der Panther-Beute verhökert hatte. Doch gegen weitere Tätigkeiten der Bande wird in Italien nichts unternommen. Laut Glassey haben deshalb alle Panther-Divisionen Kontakte und Wohnungen in Mailand.
 
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