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Dossier Pink Panther

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Pink Panther, VI: Nato-Soldaten lancieren Verbrecherkarrieren

Ein Soldat der Royal Marines gewährte den Graff-Räubern in London Unterschlupf. Er kannte die Panther aus Nis, wo Nato-Kommandanten auf Friedensmission oft beide Augen zugedrückt hatten.
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Das Wahrzeichen von Nis ist der Totenkopfturm (r. unten). Zoran Zivkovic war Bürgermeister der Stadt, in der einst die Industrie blühte und wo heute 33'000 Menschen ohne Arbeit sind.

Westliche Regierungen wussten über die illegalen Aktivitäten Serbiens Bescheid. Deutsche Truppen und andere Friedenshüter waren bekannt dafür, bei Schmuggel ein Auge zuzudrücken und sogar davon zu profitieren. Kürzlich unterhielt ich mich mit einem britischen Marinesoldaten, der im Balkan gedient hatte. Der Soldat war damals oft in Nis, wo er Einheimischen mit Geld Informationen entlockte. Die zerfallende ehemalige Industriestadt war im Krieg ein strategisch wichtiger Stützpunkt, weil sie in der Nähe des Kosovos liegt. Die Stadt befindet sich zudem an der Schmuggelroute, die Serbien mit Kleinasien verbindet. Der Soldat, der an Friedensmissionen in Bosnien teilgenommen hatte, sagte, er habe mehrmals Nato-Kommandanten zu Treffen mit serbischen Offiziellen begleitet. Die Offiziere hätten dabei Informationen über separatistische Kräfte im Kosovo eingeholt. Im Gegenzug sah man nicht genau hin, wenn Schiffe mit Öl und anderen Rohstoffen nach Serbien einliefen – obwohl dies gegen die westlichen Sanktionsbestimmungen verstiess. Einige dieser Abkommen waren formaler Natur, bei anderen, vor allem auf tieferen Autorisationsebenen, floss Geld.

In Nis, sagte der Soldat, habe er oft Zeit mit serbischen Rekruten und paramilitärischen Gruppen verbracht: «Wir ballerten rum und sprachen über Kriegstaktik.» Die Serben benutzten verlassene Wohnblöcke in Nis, um ihre Scharfschützen zu trainieren. Der Engländer gab den Serben gelegentlich Tipps, wobei ihm die Männer oft nicht als gewöhnliche Soldaten vorgekommen seien. «Zum Spass stahlen sie einem die Brieftasche aus der Hose», erzählte er lachend. (Milos Oparnica, Interpol-Leiter in Belgrad, tat dies als «Hollywood-Nonsense» ab.

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Friedenstruppen schauten auch mal weg: Gegen Informationen durften Frachtschiffe trotz Sanktionen häufig in Tivat einlaufen.

Der Soldat verliess schliesslich die Royal Marines und arbeitete als Bodyguard in einem Luxushotel in Paris. Eines Nachts, behauptete er, traf er im Ausgang auf einige der Serben, mit denen er in Nis befreundet war. Sie hätten ihm erzählten, dass sie nun Bijouterien ausraubten. Der Soldat nahm dies durchaus ernst, zumal ihm die Serben nüchtern und diszipliniert erschienen. «Als sie Uniformen trugen, verhielten sie sich wie Kriminelle. Als Kriminelle erinnerten sie an Soldaten.» Er gab den Männern seine Telefonnummer und versprach, in Kontakt zu bleiben. Ein paar Jahre später, der Ex-Soldat lebte inzwischen in London, riefen ihn die Serben an. Wieder traf man sich im Ausgang. Dann wurde Graff überfallen. Zwei der Räuber kontaktierten ihn, um bei ihm unterzukommen, bis sie das Land verliessen. Als Dank für seine Gastfreundschaft gaben sie ihm eine Diamantbrosche, die er über einen Mittelsmann bei einem Juwelier in Brighton verkaufen liess. Die Brosche war dem Juwelier «eine hübsche Stange Geld» wert. Der Mittelsmann bestätigte mir, dass es zur Transaktion gekommen war. Der Juwelier lehnte mehrere Interview-Anfragen ab.

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Um besser zu verstehen, wie junge Männer aus dem Süden Serbiens die Shopping-Meilen von Tokio oder Dubai unsicher machen, beschloss ich, nach Nis zu fahren. Laut Milos Oparnica von Interpol stammen drei Hauptgruppen der Panther aus Serbien. Die Nis-Fraktion war offenbar die tollkühnste: Viele ihrer Mitglieder sitzen derzeit in westeuropäischen Gefängnissen. Ich kam an einem Vormittag in Nis an. Die Strasse, die in die Stadt führte, war leer und von Läden gesäumt, die Ersatzteile für Motorräder und Diätprodukte verkaufen. Ich hatte das Gefühl, als ob Nis weit weg sei von Belgrad. Hier gab es keine Häuser mit österreichisch-ungarischen Fassaden und auch keine überschaubare Kriminalität. Nis war wilder, mit einem ethnischen Mix aus Albaniern, Mazedoniern und Sinti und Roman. Das bekannteste Gebäude der Stadt ist der Totenkopfturm, der von den Türken im Jahr 1809 errichtet wurde. Als Baumaterial verwendeten sie Kalk, Sand und 952 Schädel von serbischen Kämpfern. Auf den schiefen Gehsteigen Nis’ stöckelten junge Frauen auf hohen Absätzen und mit dickem Make-up entlang, hinter ihnen folgten ihre flegelhaften Freunde.

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Schiessausbildung: In Nis erhielten serbische Scharfschützen Tipps von einem Royal Marine. Milan Oparnica von Interpol in Belgrad hält dies für «Hollywood-Nonsense».

Am anderen Flussufer standen die Wohnblöcke, in denen der englische Soldat einst mit serbischen Scharfschützen trainiert hatte. Die 15-stöckigen Gebäude bestanden aus Betonplatten, die mit Fussball-Graffiti und nationalistischen Parolen beschmiert waren. In den Strassen tranken Grüppchen von jungen Männern Bier. Einer von ihnen, ein Serbe, trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck «Gesucht». Daneben stand ein brandneuer Audi. Junge Serben stehen auf Audis, was die Mietwagen im Dubai-Überfall erklären dürfte.

Männer zwischen 25 und 45 schienen in der Stadt zu fehlen. Neben den Geschäften der Motorrad-Mechaniker waren vor allem Spielsalons gut besucht. In der unmittelbaren Nähe des zerfallenden, ehemals hübschen Stadthauses zählte ich davon vier Stück. Bürgermeister Milos Simonovic ist ein 36-jähriger Mann mit hellen Augen, aufgewachsen in Nis. In seiner Kindheit war die Stadt noch Jugoslawiens Hauptproduktionsstandort für Elektronik und bot 30'000 Ingenieuren und Arbeitern Beschäftigung. «Wir arbeiteten mit Philips, Siemens, IBM und anderen bekannten Firmen zusammen», erinnerte er sich. «Sogar einen Personalcomputer haben wir produziert. An den Namen kann ich mich nicht mehr erinnern, aber es war zwei Jahre nach dem Commodore 64.»

Heute sind von den 300'000 Einwohnern 33'000 ohne Arbeit. Der grösste Arbeitgeber ist eine Zigarettenfabrik, Drogenschmuggel ist auch populär. «Nis war prädestiniert, um Behörden und Verbrecher zusammenzubringen», so Simonovic. Viele junge Einwohner sahen, wie ihre Eltern die Arbeit verloren, und wuchsen in einer korrupten Gesellschaft auf, die eine Karriere als Dieb in Westeuropa verlockend erscheinen liess. «Sie glauben ernsthaft, dass es sich lohnt. Dass sie dort schnell zu Geld kommen und hier dann ein Leben mit Autos, Häusern und anderen Statussymbolen führen können», sagte Simonovic. Zoran Zivkovic war Bürgermeister von Nis unter Milosevic sowie ein Anführer der Opposition, die letztlich das Regime zu Fall brachte. Nachdem Milosevics Nachfolger Zoran Djindjic 2003 ermordet wurde, wählte man den heute 49-jährigen Zivkovic zum Premierminister. Als solcher rief er die Operation Säbel ins Leben, die die serbische Mafia schwächen und ihre Verbindungen zum Staat kappen sollte. Knapp 4000 Verdächtige wurden vor Gericht gezerrt, zehntausende Waffen beschlagnahmt und kiloweise Sprengstoff sichergestellt. Ich traf mich mit Zivkovic, der inzwischen als Geschäftsmann tätig ist, in einem sauberen, modernen Büro, wo Weinflaschen aus seinem eigenen Weingut ausgestellt sind. Er trug einen blauen Blazer und war stark gebräunt, was ihn nicht wie ein Politiker, sondern wie ein mediterraner Jachtbesitzer aussehen liess, der irgendwie in Serbien gestrandet war. «Per definitionem hängt organisiertes Verbrechen bei uns mit dem Staat zusammen», so Zivkovic in seiner charmant-pedantischen Art. Über Jahre hinweg hätten Verbrecher-Clans in Serbien eigene Polizeibeamte, Anwälte, Richter, Doktoren, Finanzberater und Journalisten gehabt. Über einen Belgrader Arzt sagte er: «Wenn jemand eliminiert werden musste, aber nur verletzt wurde, war es sein Job, ihm im Spital eine tödliche Spritze zu verabreichen.» Zivkovic gab bereitwillig zu, dass sich bloss wenige der bei der Operation Säbel verhafteten Verbrecher im Gefängnis befinden. Gewissen Kräften in der serbischen Regierung sei daran gelegen, das Land in seinem desolaten, isolierten Zustand zu behalten.

In Nis lieferten mir polizeiliche Quellen weitere interessante Informationen über die Panther. Ich hörte, dass Milan Ljepoja, der in Gex bei Genf auf dem Schulgelände verhaftet worden war, nach dem Dubai-Überfall in seine Heimatstadt Nis zurückgekehrt war und hier einen Teil seines Geldes ausgab. Er erstand in der Altstadt ein paar Läden, die er zu einem Nachtclub umbauen liess, der kurz vor seiner Verhaftung im Jahr 2008 aufging. Ausserdem war er in Nis als Veranstalter von «Orgien» bekannt, wie sich ein Beamter ausdrückte.

Die Polizisten erzählten mir auch von einem Freund Ljepojas, der in einem Shoppingcenter einen Handy-Shop geführt hatte. Wenige Monate vor dem Dubai-Überfall zog der Mann nach Dubai, wo er ebenfalls einen Handy-Shop eröffnete. Als die Polizei in Dubai von diesem Timing Wind bekam, studierte man die Bilanz des Shops und entdeckte riesige Summen, die unmöglich vom Verkauf von Handys herrühren konnten. Laut der Ermittler in Nis sitzt der Mann inzwischen in einem Gefängnis Dubais.
 
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Pink Panther, VII: Auftritt der Räuberinnen

In Tokio setzen die Panther mit weiblicher Hilfe einen Boutique-Angestellten ausser Gefecht und begehen den grössten Juwelenraub der japanischen Kriminalgeschichte.
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Tatort Tokio: Mit Hilfe von Snezana Panajotovic (links) und Dorothy Fasola überfielen zwei Panther die Boutique Le Supre Diamant.

Das Polizeihauptquartier in Nis befindet sich am Ende einer von Bäumen gesäumten Strasse, auf der junge Männer in einer Art informellen Uniform auf und ab gingen: Porsche-Sonnenbrillen, weisse T-Shirts und schwarze Trainerhosen. Einer hatte eine Makarow-Pistole im Hosenbund, deren Griff herauslugte. Zu stören schien das niemanden.

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Insignien der Verbrecher: Porsche-Sonnenbrillen und Makarow-Pistolen.

Bei meinem Besuch im Sommer letzten Jahres war Zoran Stojanovic Chef der Polizei. Er sass an seinem Schreibtisch, auf dem sich Fotos stapelten, die er für mich bereitgestellt hatte. Er hatte ein grosses, knorriges Gesicht und trug einen grauen Anzug im Sozialisten-Stil. Zu Beginn weigerte er sich, über die Panther Auskunft zu geben. Stattdessen dozierte er über das Unrecht der Nato-Bombardements und wie die serbische Bevölkerung von Kosovo-Albanern und anderen Volksgruppen angefeindet würde.

«Sie warfen Splitter-Bomben ins Stadtzentrum», sagte er. «Sieht man sich die Aufnahmen heute an, ist es kaum zu fassen.» Er überreichte mir ein Album mit Fotos von Toten. «Sehen Sie sich das nur an, wenn Sie einen starken Magen haben», warnte er. Ich blätterte im Album und sah blutige Kadaver mit Splitter im Fleisch. Ein Foto zeigte ein älteres Paar, dessen Körper am 7. Mai 1999 von einer Bombe verstümmelt worden war. Der Ton, in dem Stojanovic die Tragödien schilderte, erinnerte mich an die Berichte über den Bosnien-Krieg: Die Serben sehen sich als Opfer, was an ihrer ethnozentrischen Weltsicht liegt, die wiederum in echtem Leiden begründet ist.

Es gab Kaffee und Orangensaft. «Bei allem Leid und allen Kriegen, die wir in unserer Geschichte durchmachten, hat Serbien nie jemanden angegriffen», sagte der Polizeichef. «Wir haben uns gegen das ottomanische Reich verteidigt, gegen das österreichisch-ungarische Reich, gegen Hitler und gegen die separatistischen Gangs im Kosovo.»

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Nachdem ich seinen Worten gelauscht und mir die Fotos angesehen hatte, war er bereit, über die Kriminalität in seiner Stadt Auskunft zu geben. Allerdings, sagte er, würde das Gespräch kurz ausfallen, denn in Nis gebe es keine Verbrecher. Als ich mich nach den jungen Männern mit den brandneuen Audis erkundigte, erklärte er mir, dass sie Jungunternehmer seien: «Elektronik, Beratung und so weiter.» Ich fragte ihn, ob es für Jungunternehmer in Nis normal sei, Makarow-Pistolen im Hosenbund zu tragen. Er schüttelte gutmütig den Kopf. «Die Typen mit Sonnenbrillen und Trainerhosen sind nicht im Elektronik-Business», sagte er: «Unsere Region eignet sich auch hervorragend für Aktivitäten in der Landwirtschaft.» Ob darunter auch der Transport von Heroin zu verstehen sei? Er legte die Stirn in Falten. «Während der Sanktionen hätten Sie keine fünf Tage überlebt», sagte er. «Sagen wir es so: Die Leute hier verstehen es, sich schwierigen Situationen anzupassen.»

Stojanovic erachtete es schliesslich als möglich, dass einige Bürger von Nis als Diebe in den Westen emigriert seien. Einige von ihnen kehrten nach Nis zurück, wo sie mit luxuriösen Autos und teurer Kleidung die Aufmerksamkeit auf sich zögen. «Gut möglich, dass sie im Westen mit Leuten aus dem Juwelen-Business zu tun haben», sagte er. Obwohl sie in anderen Ländern das Gesetz gebrochen hätten, würden sie sich in Nis bloss vergnügen und Geld ausgeben. So seien sie für andere junge Leute zu Vorbildern geworden. «Wir haben eine Redensart», so Stojanovic: «Angenehm und süss, aber kurz.»

Er blätterte in den Unterlagen über Personen, die von Interpol als Panther identifiziert worden waren. «Einer, der im Westen als grosse Nummer gilt, beging hier bloss Bagatelldelikte», sagte er. «Autodiebstahl. Wobei er nicht einmal das Auto stahl, nur dessen Inhalt.» Ich fragte ihn, ob er von Milan Ljepoja sprach, worauf er nickte. «In Europa gilt er als Big Boss», sagte er. «Erzielt er eine fette Beute, kommt er nach Nis, um mit dem Geld anzugeben. Wir können nichts unternehmen, weil er nichts Illegales tut.» Interpol, so Stojanovic, schicke ihm jeden Tag zehn Anfragen betreffend irgendwelche Bürger von Nis.

Plötzlich wechselte er das Thema. «Wissen Sie, weshalb Leskovac die einzige Stadt in Serbien ohne Juden ist?» Offenbar hatte er die Geschichte schon viele Male zuvor erzählt; seine Stimme war theatralisch und sein Adamsapfel zuckte. «Vor vielen Jahren kam ein Jude mit seiner Familie nach Leskovac, wo er sich niederlassen wollte», begann er. «Weil er arm war und nichts zu essen hatte, fragte er einen Bauern, ob er ein Ei bekommen könne. Der Serbe gab ihm so viele Eier, wie der Jude wollte. Doch bevor er ihm die Eier überliess, wog er sie und vermerkte ihr Gewicht. Als der Jude dies sah und ihm bewusst wurde, dass er exakt die ausgeliehene Menge zurück erstatten musste, sagte er ‹Das ist kein Ort für mich› und zog weiter.»

Stojanovic studierte aufmerksam mein Gesicht, um zu sehen, ob ich die Bedeutung der Geschichte begriffen hatte. Dann zog er seine buschigen Augenbrauen hoch und erklärte: «Wenn schon damals ein ungebildeter Serbe zu solchen tiefgründigen Überlegungen fähig war, ist es gut möglich, dass auch heute der eine oder andere einfache Bürger sein Hirn einsetzt, um das bBeste aus seiner Lage zu machen.»

Berühmt-berüchtigt sind jene zwei Serben aus Nis, die vor sechs Jahren in einer Tokioter Boutique das Collier Comtesse de Vendôme stahlen, ein Schmuckstück, das mit 116 Diamanten versehen ist. Die Tat ereignete sich am 5. März 2004 und gilt als der grösste Raub in der Geschichte Japans.

Weder Djordje Rasovic noch Aleksandar Radulovic sprachen Japanisch oder hatten das Land jemals bereist. Die Boutique namens Le Supre-Diamant Couture de Maki befand sich im Ginza-Bezirk und gehörte einer Firma, von der man sagte, sie stecke in finanziellen Schwierigkeiten. Während die Männer die Boutique ausraubten, stand eine junge Frau aus Nis, Snezana Panajotovic, in einem gegenüberliegenden Café Wache. Bei ihr war Dorothy Fasola, eine Schottin, die in Italien wegen Goldraubs verurteilt worden war. Rasovic und Radulovic entkamen auf Motorrädern. Am selben Tag flogen sie mit einem Air-France-Flug nach Paris. Die Frauen verliessen das Land kurze Zeit später.

Die Tokioter Polizei liess den Überfall mit Hilfe von mehr als hundert Ermittlern rekonstruieren. Das so entstandene Dossier ist gespickt mit Details, die einem Kriminalroman entstammen könnten. Zwar verweigerten mir die japanischen Behörden den Einblick in die Unterlagen, erstellten jedoch Kopien für die Teilnehmer des Ermittler-Meetings in Monaco. Verschiedene dieser Polizisten sagten mir, dass das Dossier ein kriminalistisches Meisterwerk sei. Einige von ihnen gewährten mir Einblick in die englischsprachige Version. Tatsächlich ist das Dossier beeindruckend, wenn es auch genauso viele Fragen aufwirft, wie es beantwortet. Etwa, wer die Panther genau sind und wer sie schützt.

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Spurensuche : Im Tokioter Hotel, in dem die Panther abgestiegen waren, fand die Polizei Fingerabdrücke.

Die Gang-Mitglieder kamen Ende Februar 2004 in Japan an. Dorothy Fasola traf als erste in Tokio ein, reservierte Hotelzimmer für die anderen und kaufte vier Mobiltelefone: Goldene für Radulovic und Rasovic, ein hellrotes für Panajotovic, ein blaues für sich selbst. Die Gesprächsprotokolle von Fasolas Handy-Nummer 090 63 48 71 30 zeigen, dass sie drei Stunden vor dem Überfall mit Rasovic Kontakt hatte (Fasola selbst verneinte eine Beteiligung am Raub).

Djordje Rasovic lieh sich die Identität eines tschechischen Ingenieurs, um über Osaka ins Land zu kommen. Snezana Panajotovic reiste über Tokio ein, sich ebenfalls als Tschechin ausgebend. Auch Aleksandar Radulovic flog direkt nach Tokio, mit einem kroatischen Pass. Er stieg im Odakyu Hotel Century Southern Tower ab. Später fand ein japanisches Forensik-Team seine Fingerabdrücke auf einem Musterfläschchen Wella-Shampoo. Zum ersten Mal besuchte Radulovic die Maki-Boutique am 24. Februar. Radulovic bat den Angestellten, ihn in den dritten Stock zu begleiten. Dort war die Comtesse de Vendôme in einem gläsernen Schaukasten ausgestellt, dessen einziger Schutz ein elektronischer Alarm war. Radulovic zeigte sich begeistert und fotografierte das Schmuckstück. Wenige Tage später besuchte er das Geschäft erneut, dieses Mal mit Panajotovic. Die beiden gaben sich als Liebespaar aus und erstanden eine Halskette und einen Silberlöffel. Am 5. März, um 11.45 Uhr, betraten Radulovic und Rasovic die Boutique. Radulovic trug einen beige-farbenen Mantel, eine hellbraune Perücke sowie Sonnenbrille und braune Lederhandschuhe, in der Hand hatte er eine Cartier-Tasche. Rasovic hatte dunkle Kleider angezogen und trug eine schulterlange Perücke. Auf dem Weg zur zweiten Etage nahm Radulovic eine Kamera hervor und fotografierte einen Angestellten namens Ryu Takagi. Dabei wiederholte er die Worte «Perfekt» und «Grossartig!»

Als er an den Schaukasten trat, nahm Radulovic ein Stück Papier hervor. Gemäss Überwachungskamera geschah dies um 11:46:21 Uhr. Takagi beugte seinen Kopf nach unten, um zu sehen, was sein Kunde aufschrieb. In diesem Moment versetzte Radulovic ihm einen Schlag und sprühte Pfefferspray in seine Augen. «Er drückte mich zu den Toiletten, während er unablässig auf meinen Kopf einschlug», sagte Takagi später aus. «Die Türe ging zu und ich hörte Glas bersten. Nachdem ich mich zusammengerissen hatte, wusch ich meine Augen und rief per Handy die Polizei.» Zu diesem Zeitpunkt war die Comtesse de Vendôme verschwunden und das Geschäft, respektive dessen Versicherung, war um 33 Millionen Dollar ärmer.
 
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Pink Panther, VIII: Besuch bei einer Gangsterbraut

Lidija Radulovic spricht über ihr turbulentes Leben mit einem Juwelendieb. Und ein Schweizer Panther stattet dem «Paten von Belgrad» einen Besuch ab.
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Schlupfloch Skandinavien: Panther-Bosse leben oftmals in nordischen Ländern; der Anführer des Tokio-Kommandos wurde in Kopenhagen geschnappt.

Aleksandar Radulovic, der Anführer im Tokio-Überfall, sitzt heute wegen Raubüberfall in Belgrad im Gefängnis. Die dänische Polizei hatte ihn gefasst und nach Serbien ausgeliefert. An der Gerichtsverhandlung behauptete er, dass der Raub vom Inhaber der Boutique angeordnet worden war, der hinter dem Geld der Versicherung her gewesensei; das Collier habe er gegen eine Summe von 100’000 Dollar zurückbekommen. Radulovic verglich die Halskette mit einem Werk von Dalì oder Chagall und zeigte sich erstaunt, dass sie in einem herkömmlichen Glasschaukasten aufbewahrt wurde.

Weder die japanischen Behörden noch das serbische Gericht schenkten Radulovic Glauben. Die Boutique, so berichteten Zeitungen in Japan, habe Konkurs angemeldet. (Die Firmenleitung antwortete nicht auf meine Interview-Anfragen). Aleksandar Zaric, Radulovics Anwalt, sagte mir, dass die Comtesse de Vendôme wohl in verschiedene Teile zerlegt wurde, die in Israel und Europa in den Verkauf kamen.

Mit ihrem blauen Handy tätigte Dorothy Fasola von Tokio aus verschiedene Anrufe nach Italien. Sie und Radulovic riefen auch eine Nummer in Colombo in Sri Lanka an; ein Land, mit dem sie zuvor nie etwas zu tun hatten. Von der Polizei erfuhr ich, dass der Montenegriner Zdravko Radonjic in Colombo weilte, als die Anrufe aus Tokio eingingen. Ein bemerkenswerter Zufall, wie die Beamten fanden – war Radonjic doch zuvor in Überfälle auf Tokioter Juwelierläden involviert.

Zwei Jahre nach dem Tokio-Raub wurde Radonjic auf dem Belgrader Flughafen verhaftet. Er reiste mit einem falschen Pass und hatte einen One-Way-Flug nach Beirut gebucht. Der Interpol-Beamte Milos Oparnica sagte mir, dass Radonjic ein gutes Dutzend Raubüberfälle in Japan koordiniert hatte. Ausserdem gab es Beweise, dass er im Kokain-Handel zwischen Südamerika und Europa involviert war. Während seiner Haft blieb Radonjic in Kontakt mit der Aussenwelt. Gemäss einer serbischen Zeitung hatte ein Aufseher dem Gangster zwei Mobiltelefone verschafft und dafür 1000 Dollar erhalten. Kürzlich wurde Radonjic aus dem Gefängnis entlassen.

Lidija Radulovic ist gross, hat eine gekrümmte Nase und langes, braunes Haar. Die 49-Jährige trug bei meinem Besuch hautenge Hosen, einen tief ausgeschnittenen Pullover und hatte den Sex-Appeal einer Rockstar-Braut. Aleksandar Radulovic begegnete sie vor 12 Jahren auf einer Party in Belgrad. Bald darauf heirateten sie, wenig später wurde er zum Dieb. «Er arbeitete meistens mit den gleichen Leuten zusammen», erzählte sie und bot mir eine Zigarette an. «Ihm ging es um den Kick und das Geld. Damit wir in Belgrad ein aufregendes Leben haben können. Spass stand immer an erster Stelle.»

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Passende Gefängnislektüre: «Der Archipel Gulag»

Radulovic hatte eine Schwester in München, und er genoss es, zu reisen – auch nach Antwerpen oder auf die griechischen Inseln. Als der Anruf für den Tokio-Job kam, war er in Frankreich. Der Anrufer, so Lidija, sei jemand von der Bijouterie gewesen. An der Gerichtsverhandlung habe sie gestaunt, wie genau sich die japanischen Zeugen an Details wie die Farbe von Radulovics Schuhbändel erinnern konnten. Gleichzeitig seien wesentliche Informationen, etwa die Höhe des Betrags, der vom Versicherer an den Juwelierladen bezahlt wurde, nicht erwähnt worden. Mit einem kleinen Verbrechen sei folglich ein grosses gedeckt worden. Lidija sagte, dass ihr Mann äusserst intelligent sei, obwohl er keine formale Bildung genossen hatte. «Ich glaube, er las sich durch alle Klassiker (…) vor allem serbische Texte aus dem Mittelalter. Und Nobelpreis-Gewinner.»

Ich hatte vor, mit Radulovic zu sprechen. Doch dies erwies sich als schwierig, weil er nicht gerade ein vorbildlicher Häftling war: Während des Transports vom Flughafen Belgrad ins Gefängnis hatte er einen Fluchtversuch unternommen. Über Lidija konnte er mir dennoch ein paar Fragen zu seinem Leben beantworten. Seine Karriere als Dieb begann, nachdem er Serbien in den 90ern in Richtung Deutschland verlassen hatte. «Ich traf die verschiedensten Leute», erklärte er. «Auch solche, die schon lange in diesem Business waren.» Damals sei es ihm ums Geld und den Kick gegangen. «Wenn du jung bist, kann dich der Adrenalinkick süchtig machen.» Radulovic beschrieb die Panther als eine anpassungsfähige Organisation, die gegen einen Anteil an der Beute Informationen über mögliche Zielobjekte anbietet. Die Erkundung vor Ort obliege dem Räuber. «Wer einbricht, sollte das Zielobjekt selber auskundschaften», sagte er. «In Japan kam diese Aufgabe mir zu: Ich besuchte den Laden und sah mir den Schaukasten an.» Rasovic, sein Komplize, hatte er über gemeinsame Bekannte getroffen, bevor sie zusammen nach Japan reisten. Besonders nahe waren sie sich aber nicht.

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Radulovic bestätigte, dass er ein leidenschaftlicher Leser sei. Vor allem Comics hatten es ihm angetan. sowie Bücher über Psychologie, Geschichte, Wissenschaft und Biografien, insbesondere solche von Heiligen. «Von den Alten Griechen über Alchemie zu Sciencefiction!» Besonderes Interesse zeigte Radulovic an Solschenizyns «Archipel Gulag». Die Zeit im Gefängnis habe ihm Gelegenheit gegeben, über seine Taten nachzudenken. «Die Medien», sagte er, «machen einen gewaltigen Fehler, wenn sie die ganze Sache als eine Art filmreife Story zeigen, mit der man sich leicht identifizieren kann. Was ich tat, war alles andere als heroisch, aber ich hatte meine Gründe. Doch es ist völlig inakzeptabel, zuzulassen, dass sich junge Leute mit dieser Geschichte identifizieren.»

Milutin Dacovic, den seine Freunde Daca nennen, ist ein pensionierter Dieb. Heutzutage findet man ihn meistens im Hinterhof seines italienischen Restaurants, das er in Belgrad mit den Erträgen seiner Diebestouren aufgebaut hat. Dacovic war früher der Vertraute des legendären serbischen Gangsters Ljuba. Zusammen öffneten sie für Kriminelle aus dem Balkan die Türe zu Italien.

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Die Welt eines Panthers: Vorbilder Ljuba und «Der Pate», Nachtleben in Belgrad

Vor seinem Restaurant, das sich im Erdgeschoss eines Büroturms befindet, hat Daca einen mediterran anmutenden Platz geschaffen, die «Piazza d'Italia». Im Innern erinnert das Restaurant an eine alte römische Taverne, mit allerlei Krimskram, der auf die «Pate»-Mafiafilme anspielt. Geboren und aufgewachsen in Belgrad, ist Daca stolz auf die alten Traditionen seiner Heimatstadt. Als er den Akzent meiner serbischen Übersetzerin hörte, sagte er zu ihr: «Sie sprechen wie jemand, der unsere Sprache nicht im heutigen Belgrad erlernt hat, wo die Jungen Silben verschlucken, Sätze falsch betonen und überhaupt wie Affen reden.» Er trug Jeans und einen crèmefarbenen Kaschmirpullover mit Knöpfen am Ausschnitt. Während unseres Gesprächs kratzte er sich hin und wieder zwischen den Beinen, als habe er vergessen, dass eine Frau anwesend war. Er ist meine einzige serbische Bekanntschaft, die sich in Tonfall, Mimik und Gestik komplett wie ein Italiener ausnahm.

Daca wollte nach Westeuropa, nachdem er die Geschichten seines Kindheitsidols Stefan Markovic gehört hatte – des Bodyguards, dessen Leben im Buch «Gorilla» thematisiert ist. Tatsächlich reiste er nach Paris, wo er mit Markovic arbeitete. Die Anekdoten im Buch, sagte Dacovic, seien grösstenteils wahr, sein Tod hingegen noch unromantischer als die literarische Version. Nachdem Markovic verschwunden war, habe er Erkundungen angestellt, worauf ihn korsische Gangster wissen liessen, dass «dein Freund im Müll liegt, zusammen mit dem anderen Abfall». Heute ist Daca von dieser Welt nicht mehr fasziniert. «Sie haben Ketchup im Gehirn», sagte er mir. Zur Betonung schmierte er sich Ketchup auf die Hand und leckte es auf. Auf der Rückseite der Hand hatte er eine tätowierte Rose. Überhaupt war sein ganzer Körper mit Tätowierungen übersät.

Daca ist ein cleverer und charismatischer Zeitgenosse. Es war einfach zu sehen, wie er mit Ljubas Einfluss in Italien ein Imperium errichten konnte, das andere Diebe vom Balkan anzog. Er schätzte, dass seine ursprüngliche Bande von fünf auf über 100 Mitglieder angewachsen war, alle aus Belgrad. Ich fragte ihn, wie viele davon noch am Leben seien. «Vier oder fünf», antwortete er und tat so, als ob er sich Heroin spritzte, Kokain sniffte und eine Pistole abfeuerte.

Gelegentlich essen Panther in seinem Restaurant. «Sie haben meine Unterstützung. Ich mag keinen von ihnen in Schwierigkeiten bringen.» Seine Art zu reden war voller Räuber-Slang: Diamanten hiessen «Kleines Glas»; ein Panther-Rekrut war eine «Echse». Einige Ausdrücke liessen erahnen, wie alt und kulturell verwurzelt das organisierte Verbrechen auf dem Balkan sein muss. Die Person, die einen Wachmann ablenkt, war ein zavodnik, ein Verführer, der Initiator ein magare, ein Esel. Jemand, der für die Logistik zuständig ist, ein jatak – ein Ausdruck, der auf Serben zurückgeht, die unter ottomanischer Herrschaft Rebellen beherbergten. Ein Juwelier, der Diebesgut kaufte, eine sisa, eine Titte.

Eines Nachmittags schaute ein grosser, gut aussehender Mann in einem engen, schwarzen T-Shirt und teuren Hosen bei Daca vorbei. Er sagte, er lebe in Dänemark und arbeite in der Schweiz, Holland und Frankreich. Daca gab sich kurz angebunden, doch es war klar, dass ihr Gespräch von einen möglichen Einsatz in Italien handelte.

Es gebe eine Organisation, so Daca, allerdings sei sie nicht formell. Für Jobs würden sich Freunde und Bekannte untereinander empfehlen. Obwohl man sich innerhalb der Verbindung nicht kenne, existiere eine zentrale Hierarchie, die bestimme, wie Jobs auszuführen sind – und wer für die Auslagen aufzukommen hat. Daca sagte, dass der Tokio-Raub ungefähr 100'000 Dollar gekostet habe. Das Syndikat bestimme, wer die Beute behält und wohin das Geld schliesslich fliesst. Der Mann aus Dänemark sah nervös aus, doch Daca beruhigte ihn.

Panther-Gruppen, so Daca weiter, befänden sich auch ausserhalb Serbiens. Die Länder, die er nannte, waren mir inzwischen bekannt: Italien, Frankreich, Belgien, Holland. Dänemark, die Schweiz. Zwischen Einsätzen kehrten die Diebe nach Serbien oder Montenegro zurück und seien auf «Stand-by». Aufgeflogene Panther seien meistens von ihren Vorgesetzten verraten worden, um das Personal sauber zu halten oder um die Polizei ruhig zu stellen. Das Kader der Panther bestehe aus serbischen Ex-Soldaten, die in Skandinavien lebten. Der Handel von Diamanten obliege allerdings Verbrechern aus Italien, Russland, Israel und Holland.

Daca selber war nie an Panther-Aktionen beteiligt gewesen. Aus welchem Grund er die Arbeit der Gruppe unterstützt, erklärte er so: «Im Unterschied zu unserer sogenannten politischen Elite bringen sie Geld ins Land. Was auch immer sie an einem Job verdienen – und das ist ein kleiner Teil der Gesamtbeute – bringen sie hierher.»
 
Comtesse de Vendôme, 33 Millionen Dollar

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Police raid over £18m gems theft

The Comtesse de Vendome necklace

Police have raided a house in Aberdeen in connection with an £18m jewellery robbery in Japan.

Twelve Grampian Police officers took part in the joint operation with Interpol a week ago, but details have only just emerged.

The house near Bucksburn in the north of the city was searched on 7 July, but no-one has been charged.

The Tokyo boutique robbery in March included the theft of a £17m gold necklace encrusted with 116 diamonds.

The Comtesse de Vendome necklace was stolen from the Le Supre-Diamant Couture de Maki jewellery shop in the Ginza district.

It is understood a British woman is being sought over the robbery at the store.

Twelve police officers were involved in the search

A police spokesman said: "Grampian Police is assisting with a Japanese police inquiry into the theft of several pieces of jewellery worth a combined total of £18m. The theft took place in Tokyo on March 5.

"A joint police operation was conducted in Aberdeen on July 7 and a house has been searched. Twelve Grampian Police officers were involved in the operation.

"At this stage no-one in the Grampian Police area has been charged in connection with the inquiry. The inquiry is being led by police in Tokyo and is still ongoing."
 
Auch wenn es alles Serben sind und auch die erfolgreichsten Diebe der Welt und spektakulärsten Überfälle machen.

SOLLTE MAN ALLE FÜR IMMER IN DEN KNAST SPERREN.
ABSCHAUM. MACHEN DEN RUF DER SERBEN KAPUTT

SO AUF DIE ART ALLE SERBEN SIND MEISTERVERBRECHER

Ich glaube nicht das hier jemand deine Aussage bestreitet...
Also wozu, das?
 
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Pink Panther, IX: Der furchteinflössendste Staat Europas

Mord und Korruption in Montenegro: Das Banditenwesen im Mittelmeerstaat ist wohl noch stärker ausgeprägt als in Serbien. Selbst gegen Premierminister Djukanovic laufen internationale Ermittlungen.
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Drehscheibe Montenegro: 2002 lieferten Schmuggler in Schnellbooten ungefähr eine Milliarde Zigaretten pro Monat nach Italien.

Ljubica Vujosevic lebt in einem verfallenden Wohnblock im montenegrinischen Fischerdorf Bijela. Das Gebäude steht in der Nähe einer rostigen Hafenanlage, die zu Zeiten Titos armselige, aber konstante Einkünfte garantierte. Als ich Ljubica besuchte, hing im dunklen Beton-Korridor vor ihrer Haustür eine defekte Glühbirne. Ljubica ist die Mutter von Predrag Vujosevic – jenem Panther, der den Londoner Juwelierladen Graff mit einem Sack Diamanten verlassen hatte.

Erst Anfang 50, hat sie bereits Hüft- und Leberoperationen hinter sich. Ihre Augen sind dunkelblau und ihr einst hübsches Gesicht von tiefen Furchen durchzogen. Ihren Kleidern nach zu urteilen, hatte sie vorgehabt, sich für das Gespräch zurechtzumachen, den Plan indes wieder verworfen: Sie trug eine hübsche Burlington-Bluse und ein Goldkettchen – allerdings auch graue Trainerhosen und Pantoffeln.

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Ich sass am Küchentisch, während sie zwei Stunden lang vor einem Büchergestell auf und ab ging, das das Andenken an ihren Sohn beherbergte: ein Pferd aus goldenem Draht, eine Flasche Sekt und die Figur der drei Affen, die das Motto aller Mütter und Diebe verdeutlicht: Ich sehe, höre und rede nichts Böses. «Das Kreuz, das ich um meinen Hals trage, habe ich von ihm», sagte Ljubica, auf ein Bild von Predrag deutend, das auf einem Ungeheuer von einem Fernsehgerät stand. «Er erhielt es von einem Mitgefangenen. Ich soll es behalten, bis er wieder draussen ist.»

Sie wusste, dass die englische Presse ihren Sohn «Pedja» nach dem Graff-Raub als Anführer der Panther dargestellt hatte. «Man hatte das Gefühl, er sei der Wichtigste von ihnen», sagte sie mit Verwunderung in der Stimme. Tatsächlich sah es nicht so aus, als ob viel Geld in Ljubicas Richtung geflossen sei. «Er entschloss sich, Gangster zu werden, weil er in Schwierigkeiten steckte», sagte Ljubica. Als Predrag Vujosevic klein war, lebte seine Familie in den Hügeln. Um in der Stadt einzukaufen, ging man eine Stunde zu Fuss. Er liebte Fussball, verbrachte die Tage aber mit Gewichtheben und Jogging. Er wusch seine Turnschuhe, bügelte seine T-Shirts und kehrte unter seinem Bett, ohne dass man ihn darauf aufmerksam machen musste.

Dann begann er, die Nächte in Cetinje zu verbringen. Ljubica und ihr Mann, der in der Hafenanlage arbeitete, versuchten, ihren Sohn in Bijela zu behalten. Doch dieser wollte weg – um einen «anständigen Lohn» zu verdienen. «Und was kam dabei heraus? Neun Jahre hat er sich verdient», so seine Mutter mit saurer Miene. «Neun Jahre.» Vujosevic verliess seine Familie mit 24, als er am Steuer einschlief und einen Unfall verursachte, bei dem jemand ums Leben kam. Noch vor seinem Prozess flüchtete er nach Italien. Während sechs Monaten hörten seine Eltern nichts von ihm. «Mir gehts gut», sagte er, als er endlich zu Hause anrief. «Es gefällt mir hier immer besser.»

Manchmal rief er von Italien aus an, manchmal von Frankreich. Die Anrufe waren in der Regel kurz und klangen, als ob sie von der Strasse kämen. Hin und wieder schickte er eine Postkarte: «Mir gehts gut. Ich bin gesund. Küsse. Pedja.» Seine Mutter deutete auf das Foto auf dem Fernseher und sagte: «Das ist Pedja in Paris.» Die Aufnahme zeigte einen blonden Mann mit ernster Miene in einem roten Pullover. Er sah aus wie ein Olympionike aus der Sowjet-Ära. Dass Vujosevic 2005 an der französisch-italienischen Grenze verhaftet worden war, erfuhren seine Eltern von der Familie seiner damaligen Freundin. Während der Gerichtsverhandlung in Paris sagte Vujosevic, es stünden Panther in der Hierarchie über ihm, doch Namen wollte er keine nennen.

Ljubicas Ehemann wollte seinen Sohn im Gefängnis besuchen, doch dann stimmte etwas mit seinem Herzen nicht, und er starb. Danach schrieb Vujosevic seinen ersten richtigen Brief an die Mutter und bat sie, diesen an der Beerdigung des Vaters vorzulesen. Auszüge daraus lauten: «Ruhe in Frieden. Es tut mir leid, dass ich nicht kommen konnte. Ich bin zu weit weg. Ewiger Ruhm für dich, von deinem Sohn, der dich sehr liebt.» Folglich sei es nicht wahr, so Ljubica, dass ihr Sohn keine Gefühle habe. Letztes Jahr besuchte sie Predrag im Gefängnis; er war in einen Hungerstreik getreten und gab ein elendes Bild ab. Danach sprach sie jeden Monat während 15 Minuten mit ihm am Telefon. «Ich lüge ihn jeweils an, sage ihm, dass es mir gut geht. Ich will ihn nur noch einmal sehen, dann kann ich sterben.» In einer Viertelstunde, sagte Ljubica, würde er sie anrufen.

Ihr Mobiltelefon blieb stumm. Nach einer Weile stand ich auf, um mich zu verabschieden. Sie versprach mir, ihren Sohn nach den Namen der Männer zu fragen, die die Diamanten erhalten hatten.

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Gegenspieler: Premier Milo Djukanovic, Ex-Spitzendiplomat Ratko Knezevic

Montenegro ist ein schönes, furchteinflössendes Land mit 600'000 Einwohnern. Es hat Grenzen mit Serbien, Albanien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina, was das Land zu einer Schmuggelhochburg macht. An den Küsten fallen hohe Berge wie ein Bühnenvorhang in die Adria. Das Klima ist beinahe tropisch, an den Strassenrändern wachsen Kiwi- und Zitronenbäume. Das Land sieht aus wie eine Studiokulisse Südfrankreichs, bloss sind die Strände nur knapp einen Meter breit und betonverbaut.

Während ich die Küste entlang in Richtung der Hauptstadt Podgorica fuhr, erklang aus dem Radio ein grässlicher, dröhnender Lärm – produziert vom traditionellen, einsaitigen Instrument namens Gusle. Lieder, die auf dem Instrument gespielt werden, beinhalten Männlichkeit, Ehrlichkeit und Tapferkeit jener Serben, die gegen die Türken kämpften.

Aktuellere Lieder lobpreisen Radovan Karadzic und andere serbische Kriminelle für ihren heroischen Einsatz in den Balkankriegen. Die Montenegriner sind stolz, dass sie nie von einer fremden Macht erobert wurden. Ihr felsiges Land war die Mühe allerdings auch nie wert. Erst nachdem hier in den letzten Jahren reiche Russen Feriendomizile errichteten, ist der Wert des Bodens gestiegen.

In Montenegro ist das Banditenwesen wohl noch stärker ausgeprägt als in Serbien. Gemäss einem Bericht der italienischen Anti-Mafia-Einheit DIA ist Montenegros Gastfreundschaft gegenüber dem organisierten Verbrechen vergleichbar mit jenem des legendären Piraten-Paradieses Tortuga. Der habgierigste Pirat in Montenegro, so heisst es im Bericht, ist Milo Djukanovic, der in den letzten 19 Jahren entweder Premierminister oder Präsident war. Der italienische Staatsanwalt Giuseppe Scelsi aus Bari, das Montenegro gegenüberliegt, beschuldigt Djukanovic, Montenegro in ein Paradies für illegalen Handel transformiert zu haben. Dazu habe er einen mafiaartigen Verbund «erstellt, beworben und geleitet».

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Der Bericht ist voller schillernder Details und Beweise, unter anderem Protokollen von abgehörten Gesprächen zwischen Djukanovic und seiner Liebhaberin. Der Tonfall ist bestimmt-verurteilend. «Milo Djukanovic war sich absolut bewusst, was in Montenegro geschah», heisst es. «Weil er involviert war und ein direktes Interesse hatte. Er wusste von den riesigen Summen, die aus illegalem Zigarettenhandel mit Italien stammten. Seine Gier nach Reichtum machte ihn derart prinzipienlos, dass er sich letztlich nicht mehr von seinen kriminellen Verbündeten unterschied. Er ging sogar so weit, in Italien gesuchten Verbrechern Schutz zu gewähren, wozu er staatliche Sicherheitsorgane benutzte. In Missachtung jeglichen bestehendes Rechts.»

Djukanovics Handlungen generierten unglaubliche Profite. Zwischen 1994 und 2002, so der Report, schickten montenegrinische Schmuggler in Schnellbooten ungefähr eine Milliarde Zigaretten pro Monat nach Italien. Einmal in Italien, wurden die Zigaretten von der italienischen Mafia vertrieben und die Gewinne über Briefkastenfirmen mit Konten in der Schweiz, Liechtenstein und Zypern gewaschen.

Im Jahr 2006 verfasste Radko Knezevic, ein ehemaliger Spitzendiplomat in Washington, einen Bericht über die Schmuggel-Aktivitäten seines Landes. Es war seine Masterarbeit für die London Business School. Seiner Analyse zufolge verdiente die montenegrinische Regierung am illegalen Zigarettenhandel Ende der 90er-Jahre 700 Millionen Dollar pro Jahr. Im vergangenen Jahr bestätigte Knezevic die Details seiner Abschlussarbeit gegenüber der montenegrinischen Tageszeitung «Vijesti»: «Es war ein offenes Geheimnis. Als Herr Djukanovics Berater und US-Gesandter wusste ich noch ganz andere Dinge.» So seien mindestens sieben Menschen, die am Handel beteiligt waren, umgebracht worden. Die montenegrinische Regierung wollte dies mir gegenüber nicht kommentieren; Djukanovic hat Knezevic in Interviews einen «pathologischen Lügner» und «Narzissten» geschimpft.

Als ich in Podgorica eintraf, fuhr ich an ein paar Anti-Korruptionstafeln vorbei, die die Regierung in orwellscher Manier errichtet hatte. Eine von ihnen zeigte das verpixelte Gesicht eines Mannes, darunter den wenig beruhigenden Slogan «Melde Korruption – den Rest übernehmen wir». Die Hauptstadt ist ein lebendiger Ort mit vielen neuen Limousinen und Mercedes-Geländewagen, die durch die Strassen rollen. Die Männer haben tätowierte Arme, und die Frauen sind beunruhigend hoch gewachsen. Das Nachtleben ist energetisch, Clubs schliessen nicht vor vier Uhr morgens. Der zur Schau gestellte Reichtum ist auffällig, zumal die einzigen arbeitenden Menschen Kellner oder alte Melonenverkäuferinnen zu sein scheinen.

Eines Abends besuchte ich das Polizeihauptquartier von Podgorica. Der Parkplatz war leer, bis auf zwei gelangweilte Wachmänner und einen Interpol-Mitarbeiter, der sich nach einer Woche telefonischer Bitten bereit erklärt hatte, mich nach Dienstschluss ins Gebäude zu lassen. Er führte mich in ein halbleeres Büro mit einem Faxgerät, dann entschuldigte er sich und kam mit einem Glas sirupartigem Orangensaft zurück. Unser Gespräch wurde alle fünf Minuten durch das Summen des Faxgeräts unterbrochen. Sobald die Übertragung fertig war, nahm der Beamte das Papier aus der Maschine und legte es mit dem Text nach unten auf den Schreibtisch. Trotzdem konnte ich erkennen, dass es sich um Fotokopien allerlei europäischer Pässe handelte. Ich erkundigte mich nach Vladimir Lekic, einem 34-jährigen Panther, der kürzlich in seinem Haus in Centinje verhaftet worden war. Ihm wird zur Last gelegt, in einem Frankfurter Geschäft Uhren im Wert von 1,4 Millionen Dollar gestohlen zu haben.

Ich fragte, weshalb es erst jetzt zur Verhaftung gekommen sei. «Hätte Deutschland uns früher Beweise zukommen lassen, wären wir früher aktiv geworden», erwiderte der Beamte und fügte an, dass Lekic einer der harmlosesten Panther der Interpol-Datenbank sei. Die plötzliche Verhaftung eines semipensionierten Panthers für ein Verbrechen, das sechs Jahre zurücklag, schien seltsam. Dann erinnerte ich mich an ein früheres Treffen mit Mitarbeitern des Innenministeriums. Sie hatten mir einen schwarzen Ordner gezeigt, in dem 2000 Fragen standen, die Montenegro beantworten musste, um den Prozess zur Integration in die EU zu starten. Der Beamte bestätigte mir, dass zwischen der Verhaftung Lekics und der EU-Annäherung ein Zusammenhang besteht. «Der Zutritt zur EU», sagte er, «ist enorm wichtig für uns.»
 
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