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Enver Hoxha: Paranoider Mörder oder väterlicher Volksfreund?

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Nik

Guest
Enver Hoxha war von 1944 bis zu seinem Tod 1985 Generalsekretär der Partei der Arbeit Albaniens (alb. Partia e Punës e Shqipërisë) und damit zugleich politischer Führer der Sozialistischen Volksrepublik Albanien.

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Tirana im Jahr 1978. Links die Propagandaaufschrift «Rroftë shoku Enver Hoxha» (Es lebe Genosse Enver Hoxha) und rechts «Rroftë uniteti i pathyeshëm parti-popull» (Es lebe die untrennbare Einheit Partei-Volk).

In diesem Thread geht es um die historische Persönlichkeit von Enver Hoxha und seiner jahrzehntelangen totalitären Politik in Albanien. Was denkt man heute über ihn? Mehrheitlich positiv oder mehrheitlich negativ? Wie fühlten sich die Menschen unter seiner Herrschaft?

War er bloss ein machthungriger, egoistischer und paranoider Massenmörder, der über 25.000 Menschen auf dem Gewissen hatte und engste langjährige Freunde skrupellos ermorden liess?

Oder war er der bürgernahe, volksfreundliche und humane «Xhaxha» (alb. für «Onkel»), der in Albanien die Alphabetisierung in Turbo-Tempo voranbrachte und die Albanerinnen aus den Küchen in die Universitäten und in die Arbeitswelt brachte?

Zuerst möchte ich euch kurz seine Biografie erläutern. Als erstes kommt etwas zu seiner Kindheit, Jugend und seiner prä-politischen Zeit. In einem nächsten Beitrag folgt der Partisanenkampf gegen die italienischen und deutschen Besatzer und in einem dritten Beitrag fasse ich kurz die wichtigsten Ereignisse während der kommunistischen Herrschaft zusammen. Viel Spass beim Lesen. Der Text ist eine Übersetzung bzw. Paraphrasierung des englischen Wikipedia-Artikels über ihn.

Kindheit, Jugend und seine prä-politische Zeit
Er entstammte einer Kaufmanns-Familie aus Gjirokastra, einer Stadt im toskischen – einer der beiden albanischen Dialekte – Süden des Landes. Sein Vater Halil Hoxha war Textilhändler und war weit in Europa und in den USA herumgereist. Die Familie Hoxha praktizierte den bektaschitischen Ritus des Islams. Mit acht Jahren wurde Enver Hoxha in der Zall-Tekke von Baba Selim, einem Bektaschi-Geistlichen, gesegnet.

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Das Elternhaus in der UNESCO-geschützten Altstadt von Gjirokastra

Mit 16 Jahren protestierte er mit Kollegen in einer Studentenverbindung gegen die monarchistische Regierung von Ahmet Zogu. Nachdem die Verbindung von der Regierung verboten wurde, ging er ins südostalbanische Korça, wo er an einer französischsprachigen Sekundarschule französische Geschichte, Literatur und Philosophie studierte. Dort las er zum ersten Mal das «Manifest der Kommunistischen Partei» von Karl Marx und Friedrich Engels.

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Enver Hoxha mit 18 Jahren

1930 ging er mit 22 Jahren nach Südfrankreich, um an der Universität von Montpellier Naturwissenschaften zu studieren, nachdem er im Rahmen der Stiftung der Mutter des albanischen Königs Ahmet Zogu ein Stipendium gekriegt hatte. Sein Studentenleben war jedoch von mangelndem Interesse an naturwissenschaftlichen Themen und von Abwesenheit an Examen und Vorlesungen gekennzeichnet. Nachdem er Montpellier nach einem Jahr verlassen hatte, ging er nach Paris, um an der Sorbonne Philosophie zu studieren, wo er aber auch kein Interesse zeigte. Zu dieser Zeit arbeitete er für die kommunistische Zeitschrift «L'Humanité» und hatte dort mit der Albanischen Kommunistischen Gruppe Kontakt, die von Llazar Fundo präsidiert wurde und der ihm Recht lehrte.

Zwischen 1934 und 1936 war er Sekretär des albanischen Botschafters in Brüssel, wurde aber entlassen, nachdem der Botschafter in seinem Büro marxistisches Schriftmaterial entdeckte. Er kehrte also zurück nach Albanien, wo er am Französischen Lyzeum in Korça als Lehrer für Grammatik arbeitete. Er lernte gleichzeitig ein wenig Russisch, Italienisch, Kroatisch und Englisch.

Am 7. April 1939 marschierten die faschistischen Truppen Benito Mussolinis ins Königreich Albanien ein und installierten eine Marionettenregierung unter Mustafa Merlika-Kruja. Hoxha wurde von seiner Lehrerstelle entlassen, da er sich weigerte, Mitglied der Albanischen Faschistischen Partei zu werden. Daraufhin eröffnete er einen Tabakladen in Tirana, wo sich bald Kommunisten im Geheimen trafen.

Partisanenkampf gegen die italienischen und deutschen Besatzer
Am 8. November 1941 wurde die Kommunistische Partei Albaniens gegründet, die später in Partei der Arbeit Albaniens umbenannt wurde. Das erste konsultative Treffen der Aktivisten fand 1942 in Tirana statt.

Im Juli 1942 forderte Hoxha in einem Schreiben alle albanischen Bauern auf, sich gegen die faschistischen Besatzer zu behaupten und zu verteidigen. Sie sollten ihnen beispielsweise keine Steuern mehr zahlen.

Im März 1943 wurde Hoxha zum ersten Generalsekretär der Partei gewählt. Die albanischen Partisanen waren in der Albanischen Nationalen Befreiungsarmee organisiert, die vom britischen «Secret Intelligence Service» (besser bekannt als MI6) finanziell unterstützt wurde.

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Enver Hoxha als Partisan

Im August 1943 einigten sich die Kommunistische Partei mit der Nationalen Front (alb. Balli Kombëtar), der anderen (anti-kommunistischen, nationalistischen) Partisanenbewegung im Land, in einem Abkommen auf neun Punkte. Damit die Kommunisten mit den Nationalisten zusammenarbeiten konnten, einigten sie sich auch darauf, auf ein Grossalbanien (mit Kosovo und Çamëria) hinzuarbeiten.

Die jugoslawischen Kommunisten, welche die albanischen finanziell und militärisch unterstützten, kritisierten das. Während Tito zwar behauptete, dass «Kosovo albanisch ist», war die serbische Opposition ganz und gar nicht mit diesem Abkommen einverstanden. Die Kommunisten unter Hoxha verwarfen somit das Abkommen und verzichteten auf ein Grossalbanien. Die Nationalisten der Balli Kombëtar verurteilten dies, wogegen die Kommunisten sie der Kollaboration mit den Italienern beschuldigten. Jene verloren immer wie mehr den Rückhalt in der Bevölkerung und verbündeten sich anschliessend mit den Deutschen, was ihrem Ruf nur noch mehr schädigte. Dadurch wurden die Kommunisten zu den zentralsten Figuren im Befreiungskampf in Albanien.

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Deutsche Soldaten der Wehrmacht mit einem italienischen Panzer im Jahr 1943

Die Kommunisten propagierten «ein neues demokratisches Albanien für das Volk». Zwar wurde die Monarchie formell noch nicht abgeschafft, doch wurde Ahmet Zogu die Rückreise versperrt, was die Macht der Kommunisten nur noch mehr zementierte.

Am 22. Oktober 1944 wurde in Berat die «Demokratische Regierung Albaniens» mit Hoxha als Ministerpräsidenten gebildet. Überall wurden Kriegsgerichte aufgestellt, die Todesurteile gegen «Feinde des Volkes» aussprachen, an deren Prozessen Koçi Xoxe präsidierte.

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Koçi Xoxe, hoher Funktionär der Kommunisten Albaniens, wurde 1948 aus der Partei ausgeschlossen, wegen «trotzkistischer und titoistischer Tätigkeit» zum Tode verurteilt und gehenkt.

Am 29. November 1944 befreiten die kommunistischen Partisanen Albanien von den Faschisten und Nationalsozialisten. Danach übertraten einige Partisanenverbände die jugoslawische Grenze, um ihren jugoslawischen Kameraden und der sowjetischen Roten Armee Unterstützung beim Kampf gegen die letzten deutschen Wehrmachtsverbände zu bieten. Jahre später bedankte sich Tito dafür.

Am 2. Dezember 1944 wurden die ersten Wahlen im Nachkriegs-Albanien abgehalten, wo als einziges politisches Subjekt nur die Kommunistische Partei antreten durfte. Laut Regierung wählten 93 % der Stimmberechtigten für die Kommunisten.

Am 11. Januar 1946 wurde Ahmet Zogu endgültig abgesetzt und die Volksrepublik Albanien wurde proklamiert, später umbenannt in Sozialistische Volksrepublik Albanien. Enver Hoxha war als Parteisekretär de facto Staatsoberhaupt und mächtigster Politiker im Land.

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Enver Hoxha bei der Befreiung Tiranas 1944

Demnächst folgt noch der dritte Abschnitt...
 
Ich sehe es bei Hoxha immer differenzierter. Er war sicherlich extremst paranoid, und noch schlimmer oder verrückter als die Sowjets oder Chinesen zu dieser Zeit. Dennoch muss man aber beachten welche Fortschritte er in diesem Land brachte: Er brachte wieder mehr Bildung rein, denn vor dem Kommunismus war die Zahl der Anaplhabeten extremst hoch unter der Bevölkerung. Auch konnte er die Faschisten aus dem II. Weltkrieg besiegen und die Grenzen Albaniens so halten wie man sie heute kennt. Man war von niemanden mehr abhängig, war kein Spielball der anderen (wie heute), sondern selbstständiger, teils sogar gefürchtet, die Kriminalität war auf den offenen Straßen quasi gar nicht enthalten, und man verbannte alle Religionen um keiner extremen Ecke zu verfallen (gut, über die Art und Weiße wie er die Religionen verbot kann man sich natürlich streiten).

ABER, jetzt kommt das große aber, er schaffte es Albanien nach seinen ersten Jahren nicht mehr sinnvoll weiterzuentwickeln. Er war wie erwähnt extrem paranoid, grenzte Albanien von der ganze Außenwelt ab, gab ein Dreck darauf was die anderen von ihm hielten/oder ließ sie dafür willkürlich umbringen. Statt Albanien wirklich auf langfristige Basis aufzubauen (oder wenigstens verdammte Straßen) baute er lieber (verrückt wie er war) seine Bunker überall wo es nur ging. Man war von der Außenwelt völlig abgeschnitten, man lebte in Angst und hatte kaum richtige Freiheiten. Vor allem nach seinem Tod wurde es erst richtig schlimm - alles wurde chaotisch, der Staat, das Volk, das ganze Land - und gewisser Weiße kann man Enver Hoxha durchaus für Albaniens heutige Probleme und die daraus entstandene Armut verantwortlich machen.
Er hatte durchaus seine vorteilhaften Seiten, seine Ordnung, Disziplin und Bildung waren wirklich beispiellos. Aber ich würde ihn trotzdem eher als negativ aus der albanischen Perspektive ansehen. Auf sowas lässt sich einfach nichts aufbauen. Vieles was Albanien heute hat hatte man damals gar nicht. Das einzige was heute negativ auffällt ist die Kriminalität in Albanien, die sich aber seit Rama wieder besser bekämpfen lässt. Der Sozialismus allein ist genau das richtige für die Albaner meiner Meinung nach (die etwas demokratische Variante aber natürlich), denn wäre Hoxha nicht so paranoid gewesen und so alt-kommunistisch wie seine anderen Kollegen (und Hoxha war wie gesagt sogar noch viel extremer) hätte er durchaus etwas leisten können. Und bei Rama sieht man zum Beispiel Fortschritte. Die totale Demokratie nützt uns auch nichts wenn wir uns mal die Zeit unter Sali Berisha anschauen, da die albanischen Politiker nichts von Demokratie verstehen, oder total korrupt sind, oder die 90-er Jahre, wo totales Chaos herrschte nach dem Kommunismus, und man bürgerkriegägnliche Zustande um sich hatte. Also etwas Sozialismus ist immer für uns gut, nur nicht nach der Art von Enver Hoxha.
 
Rugova war cooler.

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Koçi Xoxe, hoher Funktionär der Kommunisten Albaniens, wurde 1948 aus der Partei ausgeschlossen, wegen «trotzkistischer und titoistischer Tätigkeit» zum Tode verurteilt und gehenkt.
Krass.
 
Ich sehe es bei Hoxha immer differenzierter. Er war sicherlich extremst paranoid, und noch schlimmer oder verrückter als die Sowjets oder Chinesen zu dieser Zeit. Dennoch muss man aber beachten welche Fortschritte er in diesem Land brachte: Er brachte wieder mehr Bildung rein, denn vor dem Kommunismus war die Zahl der Anaplhabeten extremst hoch unter der Bevölkerung. Auch konnte er die Faschisten aus dem II. Weltkrieg besiegen und die Grenzen Albaniens so halten wie man sie heute kennt. Man war von niemanden mehr abhängig, war kein Spielball der anderen (wie heute), sondern selbstständiger, teils sogar gefürchtet, die Kriminalität war auf den offenen Straßen quasi gar nicht enthalten, und man verbannte alle Religionen um keiner extremen Ecke zu verfallen (gut, über die Art und Weiße wie er die Religionen verbot kann man sich natürlich streiten).

ABER, jetzt kommt das große aber, er schaffte es Albanien nach seinen ersten Jahren nicht mehr sinnvoll weiterzuentwickeln. Er war wie erwähnt extrem paranoid, grenzte Albanien von der ganze Außenwelt ab, gab ein Dreck darauf was die anderen von ihm hielten/oder ließ sie dafür willkürlich umbringen. Statt Albanien wirklich auf langfristige Basis aufzubauen (oder wenigstens verdammte Straßen) baute er lieber (verrückt wie er war) seine Bunker überall wo es nur ging. Man war von der Außenwelt völlig abgeschnitten, man lebte in Angst und hatte kaum richtige Freiheiten. Vor allem nach seinem Tod wurde es erst richtig schlimm - alles wurde chaotisch, der Staat, das Volk, das ganze Land - und gewisser Weiße kann man Enver Hoxha durchaus für Albaniens heutige Probleme und die daraus entstandene Armut verantwortlich machen.
Er hatte durchaus seine vorteilhaften Seiten, seine Ordnung, Disziplin und Bildung waren wirklich beispiellos. Aber ich würde ihn trotzdem eher als negativ aus der albanischen Perspektive ansehen. Auf sowas lässt sich einfach nichts aufbauen. Vieles was Albanien heute hat hatte man damals gar nicht. Das einzige was heute negativ auffällt ist die Kriminalität in Albanien, die sich aber seit Rama wieder besser bekämpfen lässt. Der Sozialismus allein ist genau das richtige für die Albaner meiner Meinung nach (die etwas demokratische Variante aber natürlich), denn wäre Hoxha nicht so paranoid gewesen und so alt-kommunistisch wie seine anderen Kollegen (und Hoxha war wie gesagt sogar noch viel extremer) hätte er durchaus etwas leisten können. Und bei Rama sieht man zum Beispiel Fortschritte. Die totale Demokratie nützt uns auch nichts wenn wir uns mal die Zeit unter Sali Berisha anschauen, da die albanischen Politiker nichts von Demokratie verstehen, oder total korrupt sind, oder die 90-er Jahre, wo totales Chaos herrschte nach dem Kommunismus, und man bürgerkriegägnliche Zustande um sich hatte. Also etwas Sozialismus ist immer für uns gut, nur nicht nach der Art von Enver Hoxha.

Albanien hat sich unter Hoxha selbst für kommunistische Verhältnisse extrem wenig entwickelt. Zwischen dem Ende des zweiten Weltkrieges bis zu seinem Tod hat sich die Produktivität pro Kopf kaum gesteigert. Schlechtere Wachstumszahlen über so eine lange Periode findest du nur in kriegs- und krankheitsgebeutelten Ländern in Afrika. Dabei war Albanien eigentlich ein Land mit vielen Möglichkeiten, strategisch recht gut gelegen, reich an Rohstoffen, einem stark wachsenden, jungen Volk und einer wunderschönen Natur. Vor allem durch den Verkauf von Chrom hat Albanien viel Geld gemacht. Aber worin investiert unser kommunistischer Heilsbringer das Geld? In unnütze, überteuerte Bunker. Diese beschissenen Bunker haben nach heutigem Wert wohl ca. 10 Milliarden US-$ gekostet. Das muss man sich mal vorstellen.

Als wäre das nicht genug, hat der Paranoide auch noch das Land in politischer Instabilität hinterlassen, weswegen das Land in den 90ern nochmal ein gutes Stück abgestürzt ist und während den 90ern zu den ärmsten Ländern der Welt gehört hat.

Von seinen ganzen Verbrechen gegen die Menschlichkeit will ich gar nicht erst anfangen.

Dieser Bastard hat Albanien ein halbes Jahrhundert gekostet, er hat nichts gutes gebracht, sondern nur schlechtes. Die halbwegs stabile demokratische Regierung seit ~2000 hat in 15 Jahren viel mehr erreicht, als der Paranoide in 40.
 
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