Die traditionelle türkische Gastfreundschaft kommt bei Flüchtlingen und Asylsuchenden nicht an. Jedes Jahr werden in der Türkei Hunderte von Asylsuchenden, MigrantInnen und sogar anerkannten Flüchtlingen in speziellen Haftanstalten auf unbestimmte Zeit eingesperrt. Nun lanciert Amnesty International eine weltweite Aktion gegen diese rechtswidrige Praxis. Nehmen auch Sie daran teil und schreiben Sie einen
Brief an den türkischen Innenminister!
„Geographische Beschränkung“ gegen Flüchtlinge
Die Türkei hat zwar die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) unterzeichnet und ist Mitglied des Exekutivkomitees des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR).
In ihrer ursprünglichen Fassung von 1951 hatte die GFK den Unterzeichnerstaaten jedoch die Option offen gelassen, ihre Schutzzusage für Flüchtlinge auf Personen zu begrenzen die
- aufgrund von Ereignissen in Europa vor dem 1. Januar 1951 oder
- aufgrund von Ereignissen in Europa oder anderswo vor dem 1. Januar 1951 zu Flüchtlingen geworden sind.
Die zeitliche Beschränkung wurde in einem Zusatzprotokoll der GFK von 1967 aufgehoben, Staaten, welche die Konvention schon vorher unterzeichnet hatten, konnten jedoch die geographische Beschränkung aufrecht erhalten. Die Türkei hat diese Option gewählt und ist heute der einzige Mitgliedstaat der GFK, der das Asylrecht auf Flüchtlinge aus Europa begrenzt.
Die geographische Beschränkung macht eine Ansiedlung von Flüchtlingen aus nichteuropäischen Ländern unmöglich, auch wenn sie als Flüchtlinge gemäss der GFK anerkannt wurden. Für diese Flüchtlinge muss das UNHCR ein anderes Aufnahmeland suchen, allerdings gemäss einer Übereinkunft mit den türkischen Behörden nur für diejenigen, die auch nach dem türkischen Verfahren als Flüchtlinge anerkannt sind.
Trotz dieser schwierigen rechtlichen Lage versuchen Tausende von Flüchtlingen aus Ländern ausserhalb Europas in der Türkei Zuflucht vor politischer Verfolgung in ihrem Heimatland zu finden.
Administrativhaft ohne Rechtsmittel
Flüchtlinge und Asylsuchende werden in der Türkei oft über lange Zeiträume inhaftiert - ohne klare rechtliche Grundlage. Die sonst in der Türkei zugänglichen Rechtsmittel gegen Inhaftierung werden Flüchtlingen und Asylsuchenden vorenthalten. Ausserdem leiden die Insassen unter sehr schlechten Haftbedingungen, bekommen keine ausreichende Nahrung und sind Berichten zufolge Misshandlungen von Polizisten und Soldaten der Gendarmerie ausgesetzt.
In den meisten Fällen werden Flüchtlinge und Asylsuchende unter dem Vorwurf des Verstosses gegen das Passgesetz oder Ausländergesetz inhaftiert. Eingeleitete Strafverfahren aufgrund dieser Vorwürfe werden zwar in der Regel eingestellt, die betroffenen Personen werden aber anschliessend automatisch in eine Administrativhaft in sogenannten „Gästezentren“ (vor kurzem in Haftzentren umbenannt) für Ausländer überstellt.
Diejenigen, die in Haftzentren untergebracht sind, haben kein Recht auf den Besuch eines Anwalts, da diese Internierung nach türkischem Recht nicht als Inhaftierung gilt und da keine Strafverfahren gegen sie geführt werden. Nur in Einzelfällen durften Anwälte und Vertreter des UNHCR Flüchtlinge aufsuchen, in der Regel werden aber derartige Besuche, ebenso wie auch Besuche von Vertretern von NGO’s, abgelehnt.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat unlängst geurteilt, dass die Türkei mit der willkürlichen Inhaftierung von Flüchtlingen in diesen Haftzentren internationales Recht verletzt. In zwei weiteren Urteilen hat er auch festgehalten, dass die Haftbedingungen in den Zentren von Fatih und Tunca einer gemäss Europäischer Menschenrechtskonvention verbotenen unmenschlichen oder erniedrigen Behandlung gleichkommen.
Gebühren als Voraussetzung für soziale Leistungen
Auch die wirtschaftlichen und sozialen Rechte werden Flüchtlingen in gravierendem Masse verweigert. Die Türkei verstösst auch in diesem Punkt gegen ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen. Der Zugang zu sämtlichen sozialen Leistungen ist von einer gültigen Aufenthaltserlaubnis abhängig. Diese muss alle sechs Monate verlängert werden, wofür eine Gebühr von 300 TL (ca. 200 SFr) erhoben wird.