K
Karim-Benzema
Guest
"Es ist ein Skandal, wenn Christen isoliert bleiben" Interview mitÖRK-Präsident Erz.
Die reichen ökumenischen und kirchlichen Erfahrungen, die Erzbischof Dr. Anastasios von Tirana, Oberhaupt der Autokephalen Orthodoxen Kirche von Albanien gesammelt hat, umspannen vier Jahrzehnte und mehrere Kontinente. Seit er 1991 nach Albanien gesandt wurde, hat er die zerstörte orthodoxe Kirche, die größte und älteste in diesem mehrheitlich muslimischen Land, mit großem Erfolg erneuert. 1967 wurde den 3,5 Millionen Albanern/innen unter der kommunistischen Regierung jegliche Religionsausübung verboten. Anastasios fand 1600 zerstörte oder geschlossene Kirchen vor und von den 440 Priestern, die vor der kommunistischen Herrschaft im Amt gewesen waren, waren nur noch 22 am Leben. Seither hat er große Anstrengungen zum Wiederaufbau des kirchlichen Lebens unternommen. Tausende wurden getauft, Hunderte von Gottesdiensthäusern, Schulen, Jugendzentren, Krankenhäuser und Klöster wurden eröffnet.
Von 1984 bis 1991 leitete Anastasios die ÖRK-Kommission für Weltmission und Evangelisation; von 1981 bis 1990 war er Amtierender Erzbischof von Ostafrika, wo er die orthodoxe Mission organisierte und ausbaute, und von 1983 bis 1986 war er Dekan der theologischen Fakultät der Universität Athen. Als renommierter Theologe und Missionswissenschaftler ist Erzbischof Athanasios emeritierter Professor der Staatlichen Universität Athen, Ehrenmitglied der Akademie von Athen und hat Ehrentitel von 15 Universitäten in Europa und den Vereinigten Staaten erhalten. 2006 wurde er zu einem der acht ÖRK-Präsidenten/innen gewählt.
Wie sind Sie zur ökumenischen Bewegung gekommen und welches waren Ihre ersten Kontakte mit dem ÖRK?
Meine ersten Kontakte zum ÖRK gehen zurück auf die Konferenz für Weltmission und Evangelisation 1963 in Mexiko, zu der der Heilige Synod der Kirche von Griechenland mich als Delegierter entsandt hatte. Von da an habe ich zunehmend in der internationalen ökumenischen Bewegung mitgearbeitet.
Nach der Vollversammlung des ÖRK 1983 in Vancouver wurde ich zum Vorsitzenden der Kommission für Weltmission und Evangelisation gewählt und arbeitete an dem Thema "Dein Wille geschehe: Mission in der Nachfolge Christi". Ich glaube, dass dieses Thema meine Berufung, mein geistliches Leben und meine weitere Arbeit sehr stark geprägt hat.
Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Lage der ökumenischen Bewegung?
Ich glaube, wir befinden uns in einer Übergangsphase. Es ist klar, dass die ökumenische Bewegung keine Institution, kein Gebäude ist; sie ist eher so etwas wie ein Fluss. Ein Fluss fließt durch unterschiedliche Gebiete, er beginnt als Quelle und verändert sich in seinem weiteren Verlauf. Aber ein Fluss ist wunderschön und bringt der Welt großen Nutzen.
Wir sprechen über Krisen, Schwierigkeiten und Enttäuschungen. Trotzdem glaube ich, dass die ökumenische Bewegung für uns alle ein Muss ist. Wir müssen gemeinsam denken, wir müssen gemeinsam sprechen und handeln und wir müssen sogar gemeinsam streiten, ohne dass unsere ambivalenten oder säkularen Interessen störend in den Fluss eingreifen und ihn verschmutzen würden.
Wie sehen Sie Ihre Aufgabe als ÖRK-Präsident?
Als Präsident habe ich die Aufgabe, an den Beratungen des Rates teilzunehmen, die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte einzubringen, einen Beitrag zu den gegenwärtigen Diskussionen zu leisten und die zukünftigen Probleme in den Blick zu bekommen.
Außerhalb des ÖRK ist es meine Aufgabe, die Ökumene zu stärken und die Arbeit des ÖRK zu vermitteln. Letzteres setzt voraus, dass man beide Seiten kennt: man muss mit der Sprache des ÖRK vertraut sein und man muss wissen, wie andere außerhalb des ÖRK diese Sprache verstehen.
Insbesondere gegenüber der orthodoxen Kirche ist es meine Aufgabe, den Gläubigen zu helfen, ihre Verantwortung für die ganze christliche Welt zu erkennen und nicht in ihren eigenen Gemeinden isoliert zu bleiben. Denn wir in der orthodoxen Kirche sind ein lebendiger Teil der modernen Welt.
Gegenüber anderen Kirchen besteht meine Rolle darin, die orthodoxen Erfahrungen und Sichtweisen und unser Interesse an den Plänen des ÖRK zu artikulieren. Ich glaube, dass die orthodoxen Kirchen mit ihrer Spiritualität, ihrem gelebten Glauben und ihrer Arbeit einen nützlichen Beitrag zur ökumenischen Bewegung leisten können.
Können Sie uns etwas über die gegenwärtige Situation in Albanien sagen?
Albanien ist auf seine Weise einzigartig. Es war das einzige Land, in dem 23 Jahre lang ein Religionsverbot galt. Die Auswirkungen dieser Zeit sind auch heute noch spürbar. Gott sei Dank herrscht heute Religionsfreiheit. Die orthodoxe Kirche musste ganz von vorne anfangen. Aber heute haben wir ein sehr lebendiges kirchliches Leben. Wir versuchen auch, im gesellschaftlichen Leben aktiv zu sein, in den Bereichen Gesundheit, Bildung, landwirtschaftliche Entwicklung, Kultur und Umwelt.
Wir sind nicht eine geschlossene Gemeinschaft, die nur mit sich selbst beschäftigt ist, sondern wir teilen mit anderen, was wir haben. Die Orthodoxe Kirche in Albanien ist keine Mehrheitskirche, aber wir sind in der Gesellschaft sehr präsent. Wir haben gute Beziehungen mit anderen religiösen Gemeinschaften, einschließlich der muslimischen Mehrheit. Ich glaube, dass wir im ganzen Balkangebiet die Kirche sind, die die besten Beziehungen mit anderen unterhält.
Es ist nicht genug, über Koexistenz zu sprechen; wir müssen über Zusammenarbeit sprechen. Und die Religionen müssen in Krisenzeiten zusammenstehen. Zur Zeit der Kosovokrise 1999, als viele Flüchtlinge, alle Muslime, nach Albanien kamen, sind wir auf sie zugegangen, haben ihnen geholfen und ihre Sorgen und Nöte geteilt. Wir appellierten an die ökumenische Familie, uns zu helfen, und die Reaktion war zutiefst bewegend. Zusammen mit ACT-Kirchen helfen gemeinsam, dem ökumenischen Hilfswerk, konnten wir 33 000 Menschen helfen. Dies hatte nicht nur symbolische Bedeutung, sondern war auch überaus wichtig für die ganze Entwicklung auf dem Balkan.
In Albanien sind wir der festen Überzeugung, dass wir das religiöse Feld nicht einfach anderen Kräften überlassen dürfen; wir müssen die Religion nutzen, um Wunden zu heilen und die Herzen menschlicher zu machen.
Wie lautet als ÖRK-Präsident ihre Botschaft an die Kirchen?
Ich benutze nicht gern das Wort Botschaft, sondern sage lieber, dass wir unsere Anliegen mit anderen teilen müssen, denn ich bin auch ein aktiver Mensch in einer konkreten Ortskirche. Mein allererstes Anliegen ist es, anderen zu vermitteln, dass wir in Gemeinschaft leben müssen. Jede Isolation, jeder Rückzug auf uns selbst, wäre ein großer Fehler und sogar eine Sünde. Es ist ein Skandal, wenn Christen isoliert bleiben.
Wir dürfen grundlegende Fragen nicht einfach anderen überlassen. So war es z.B. im letzten Jahrhundert ein Fehler, dass wir anderen Ideologien eine Vorreiterrolle zugestanden haben, wenn es um Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und die Interessen der Armen ging. Im 21. Jahrhundert wäre es ein noch viel schlimmerer Fehler zuzulassen, dass andere Religionsgemeinschaften sich an vorderster Front engagieren, während die Christen mit den Mächtigen identifiziert werden und den Anschein erwecken, gegenüber Ungerechtigkeit, Missachtung der Menschenwürde und Armut gleichgültig zu bleiben.
Wir sind Mitstreiter und Mitstreiterinnen des verwandelnden Werkes der göttlichen Gnade. Wir müssen diese Rolle annehmen. Der wichtigste Beitrag, den wir als Christen, als Kirchen, leisten können, besteht darin, dass wir wirklich das sind, was wir zu sein beanspruchen: der lebendige Leib Christi. Die Kirche muss ein Volk sein, das kreativ, verantwortlich, voller Liebe und Energie ist.
QUELLE
"Es ist ein Skandal, wenn Christen isoliert bleiben" Interview mit ÖRK-Präsident Erzbischof Anastasios von Tirana und ganz Albanien
Die reichen ökumenischen und kirchlichen Erfahrungen, die Erzbischof Dr. Anastasios von Tirana, Oberhaupt der Autokephalen Orthodoxen Kirche von Albanien gesammelt hat, umspannen vier Jahrzehnte und mehrere Kontinente. Seit er 1991 nach Albanien gesandt wurde, hat er die zerstörte orthodoxe Kirche, die größte und älteste in diesem mehrheitlich muslimischen Land, mit großem Erfolg erneuert. 1967 wurde den 3,5 Millionen Albanern/innen unter der kommunistischen Regierung jegliche Religionsausübung verboten. Anastasios fand 1600 zerstörte oder geschlossene Kirchen vor und von den 440 Priestern, die vor der kommunistischen Herrschaft im Amt gewesen waren, waren nur noch 22 am Leben. Seither hat er große Anstrengungen zum Wiederaufbau des kirchlichen Lebens unternommen. Tausende wurden getauft, Hunderte von Gottesdiensthäusern, Schulen, Jugendzentren, Krankenhäuser und Klöster wurden eröffnet.
Von 1984 bis 1991 leitete Anastasios die ÖRK-Kommission für Weltmission und Evangelisation; von 1981 bis 1990 war er Amtierender Erzbischof von Ostafrika, wo er die orthodoxe Mission organisierte und ausbaute, und von 1983 bis 1986 war er Dekan der theologischen Fakultät der Universität Athen. Als renommierter Theologe und Missionswissenschaftler ist Erzbischof Athanasios emeritierter Professor der Staatlichen Universität Athen, Ehrenmitglied der Akademie von Athen und hat Ehrentitel von 15 Universitäten in Europa und den Vereinigten Staaten erhalten. 2006 wurde er zu einem der acht ÖRK-Präsidenten/innen gewählt.
Wie sind Sie zur ökumenischen Bewegung gekommen und welches waren Ihre ersten Kontakte mit dem ÖRK?
Meine ersten Kontakte zum ÖRK gehen zurück auf die Konferenz für Weltmission und Evangelisation 1963 in Mexiko, zu der der Heilige Synod der Kirche von Griechenland mich als Delegierter entsandt hatte. Von da an habe ich zunehmend in der internationalen ökumenischen Bewegung mitgearbeitet.
Nach der Vollversammlung des ÖRK 1983 in Vancouver wurde ich zum Vorsitzenden der Kommission für Weltmission und Evangelisation gewählt und arbeitete an dem Thema "Dein Wille geschehe: Mission in der Nachfolge Christi". Ich glaube, dass dieses Thema meine Berufung, mein geistliches Leben und meine weitere Arbeit sehr stark geprägt hat.
Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Lage der ökumenischen Bewegung?
Ich glaube, wir befinden uns in einer Übergangsphase. Es ist klar, dass die ökumenische Bewegung keine Institution, kein Gebäude ist; sie ist eher so etwas wie ein Fluss. Ein Fluss fließt durch unterschiedliche Gebiete, er beginnt als Quelle und verändert sich in seinem weiteren Verlauf. Aber ein Fluss ist wunderschön und bringt der Welt großen Nutzen.
Wir sprechen über Krisen, Schwierigkeiten und Enttäuschungen. Trotzdem glaube ich, dass die ökumenische Bewegung für uns alle ein Muss ist. Wir müssen gemeinsam denken, wir müssen gemeinsam sprechen und handeln und wir müssen sogar gemeinsam streiten, ohne dass unsere ambivalenten oder säkularen Interessen störend in den Fluss eingreifen und ihn verschmutzen würden.
Wie sehen Sie Ihre Aufgabe als ÖRK-Präsident?
Als Präsident habe ich die Aufgabe, an den Beratungen des Rates teilzunehmen, die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte einzubringen, einen Beitrag zu den gegenwärtigen Diskussionen zu leisten und die zukünftigen Probleme in den Blick zu bekommen.
Außerhalb des ÖRK ist es meine Aufgabe, die Ökumene zu stärken und die Arbeit des ÖRK zu vermitteln. Letzteres setzt voraus, dass man beide Seiten kennt: man muss mit der Sprache des ÖRK vertraut sein und man muss wissen, wie andere außerhalb des ÖRK diese Sprache verstehen.
Insbesondere gegenüber der orthodoxen Kirche ist es meine Aufgabe, den Gläubigen zu helfen, ihre Verantwortung für die ganze christliche Welt zu erkennen und nicht in ihren eigenen Gemeinden isoliert zu bleiben. Denn wir in der orthodoxen Kirche sind ein lebendiger Teil der modernen Welt.
Gegenüber anderen Kirchen besteht meine Rolle darin, die orthodoxen Erfahrungen und Sichtweisen und unser Interesse an den Plänen des ÖRK zu artikulieren. Ich glaube, dass die orthodoxen Kirchen mit ihrer Spiritualität, ihrem gelebten Glauben und ihrer Arbeit einen nützlichen Beitrag zur ökumenischen Bewegung leisten können.
Können Sie uns etwas über die gegenwärtige Situation in Albanien sagen?
Albanien ist auf seine Weise einzigartig. Es war das einzige Land, in dem 23 Jahre lang ein Religionsverbot galt. Die Auswirkungen dieser Zeit sind auch heute noch spürbar. Gott sei Dank herrscht heute Religionsfreiheit. Die orthodoxe Kirche musste ganz von vorne anfangen. Aber heute haben wir ein sehr lebendiges kirchliches Leben. Wir versuchen auch, im gesellschaftlichen Leben aktiv zu sein, in den Bereichen Gesundheit, Bildung, landwirtschaftliche Entwicklung, Kultur und Umwelt.
Wir sind nicht eine geschlossene Gemeinschaft, die nur mit sich selbst beschäftigt ist, sondern wir teilen mit anderen, was wir haben. Die Orthodoxe Kirche in Albanien ist keine Mehrheitskirche, aber wir sind in der Gesellschaft sehr präsent. Wir haben gute Beziehungen mit anderen religiösen Gemeinschaften, einschließlich der muslimischen Mehrheit. Ich glaube, dass wir im ganzen Balkangebiet die Kirche sind, die die besten Beziehungen mit anderen unterhält.
Es ist nicht genug, über Koexistenz zu sprechen; wir müssen über Zusammenarbeit sprechen. Und die Religionen müssen in Krisenzeiten zusammenstehen. Zur Zeit der Kosovokrise 1999, als viele Flüchtlinge, alle Muslime, nach Albanien kamen, sind wir auf sie zugegangen, haben ihnen geholfen und ihre Sorgen und Nöte geteilt. Wir appellierten an die ökumenische Familie, uns zu helfen, und die Reaktion war zutiefst bewegend. Zusammen mit ACT-Kirchen helfen gemeinsam, dem ökumenischen Hilfswerk, konnten wir 33 000 Menschen helfen. Dies hatte nicht nur symbolische Bedeutung, sondern war auch überaus wichtig für die ganze Entwicklung auf dem Balkan.
In Albanien sind wir der festen Überzeugung, dass wir das religiöse Feld nicht einfach anderen Kräften überlassen dürfen; wir müssen die Religion nutzen, um Wunden zu heilen und die Herzen menschlicher zu machen.
Wie lautet als ÖRK-Präsident ihre Botschaft an die Kirchen?
Ich benutze nicht gern das Wort Botschaft, sondern sage lieber, dass wir unsere Anliegen mit anderen teilen müssen, denn ich bin auch ein aktiver Mensch in einer konkreten Ortskirche. Mein allererstes Anliegen ist es, anderen zu vermitteln, dass wir in Gemeinschaft leben müssen. Jede Isolation, jeder Rückzug auf uns selbst, wäre ein großer Fehler und sogar eine Sünde. Es ist ein Skandal, wenn Christen isoliert bleiben.
Wir dürfen grundlegende Fragen nicht einfach anderen überlassen. So war es z.B. im letzten Jahrhundert ein Fehler, dass wir anderen Ideologien eine Vorreiterrolle zugestanden haben, wenn es um Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und die Interessen der Armen ging. Im 21. Jahrhundert wäre es ein noch viel schlimmerer Fehler zuzulassen, dass andere Religionsgemeinschaften sich an vorderster Front engagieren, während die Christen mit den Mächtigen identifiziert werden und den Anschein erwecken, gegenüber Ungerechtigkeit, Missachtung der Menschenwürde und Armut gleichgültig zu bleiben.
Wir sind Mitstreiter und Mitstreiterinnen des verwandelnden Werkes der göttlichen Gnade. Wir müssen diese Rolle annehmen. Der wichtigste Beitrag, den wir als Christen, als Kirchen, leisten können, besteht darin, dass wir wirklich das sind, was wir zu sein beanspruchen: der lebendige Leib Christi. Die Kirche muss ein Volk sein, das kreativ, verantwortlich, voller Liebe und Energie ist.
QUELLE
"Es ist ein Skandal, wenn Christen isoliert bleiben" Interview mit ÖRK-Präsident Erzbischof Anastasios von Tirana und ganz Albanien