Die schlacht um die Dardanellen-Eines der grösten Schlachten
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Wie kein anderer Schlacht des Ersten Weltkrieges, ist die britische Landung auf der türkischen Halbinsel Gallipoli gekennzeichnet von der Inkompetenz des englischen Offizierskorps. An anderen Fronten gab es ähnliche Debakel, jedoch ist Gallipoli die enzige Schlacht, in der das Eingeständnis einer Niederlage deutlich wurde. Nach 9 Monaten vergeblichen Kampfes ohne nennenswerten Geländegewinn, zogen sich die Briten aus den Dardanellen zurück. Die Verluste auf beiden Seiten waren enorm : Die Briten hatten 43.000 Tote zu beklagen, die Türken über 55.000. Auf beiden Seiten gab es über 250.000 Verwundete. Bei 800.000 Soldaten, die in Gallipoli zum Einsatz gekommen sind, entspricht das eine Verlustrate von etwa 43%, das heißt in Klartext dass fast jeder zweite Teilnehmer Schaden genommen hat, von den vielen Männern, die einen seelischen Schaden davon getragen haben, sprach damals niemand. (Anmerkung : Während des Ersten Weltkrieges war es durchaus üblich, Offiziere die seelische Probleme bekamen, in eigens dafür eingerichtete pschychiatrische Kliniken zu behandeln. Die einfachen Soldaten, die mit den Erlebnissen an der Front nicht fertig wurden, wurden meistens der Militärpolizei überlassen.)
Strategisch betrachtet, war ein Angriff auf die Meerenge bei Istanbul durchaus ein logisches, wenn auch schwieriges Unternehmen. Die Zielsetzung war die Öffnung dieser Verbindung zwischen Mittelmeer und Schwarzen Meer für Material- und Truppentransporte in beiden Richtungen. Nebenbei sollte die Türkei, die grosse Teile des Nahen Ostens besetzt hielt, und damit auch erheblich Teile des britischen Heeres gebunden, zur Kapitulation gezwungen werden. Um korrekt zu bleiben, muss klargestellt werden, dass die Idee, die Halbinsel Gallipoli anzugreifen, nicht von Winston Churchill stammte, sondern von dem griechischen Regierungschef Venizelos. Bereits Ende August 1914 wollten die Griechen 90.000 Mann an verschiedenen Stellen der Halbinsel an Land bringen, wohl weniger aus gesamtstrategischen Gründen, sondern eher um die Türken endgültig zu besiegen. Der letzte Krieg zwischen beiden Ländern war gerade 2 Jahre vorher zu Ende gegangen.
Die Briten, vor allem der Aussenminister Sir Edward Grey, hatten immer noch die Hoffnung die Türken wieder auf ihrer Seite zu bringen, und unternahmen daher nichts was von den Türken als Aggression verstanden werden konnte. Dabei hätte rasches Handeln seitens der Westmächten durchaus erfolgreich sein können. Die Türken waren noch militärisch schwach. Die Hauptmacht der türkischen Armee waren bereits in Kämpfen mit Russland verwickelt, die westlichen Grenzen dagegen nur schwach verteidigt.
Aber schon die Vorbereitungen für die Landung standen unter keinem guten Stern. Lord Kitchener, selbst nicht gerade ein genialer Führer, sucht die unfähigsten Offiziere aus, um den Angriff zu leiten. Allein die Wahl Sir Ian Hamiltons als Oberkommandierender, der als gebildet aber ohne Durchsetzungsvermögen galt, war ein schwerwiegender Fehler. Niemals hatte er im Laufe der Kampagne geschafft, sich gegen seine unfähige Divisionskommandeure, allen voran General Hunter-Weston, durchzusetzen. Und gegen Kitchener kam er gar nicht an, vermutlich ist er auch deswegen für diese Aufgabe ausgesucht worden. Die Berichte die an Kitchener sandte waren weitgehend verschönigt, und seine Forderungen nach Verstärkungen wurden nie ernst genommen.
Die Hauplast sollten dann australische und neuseeländische Soldaten tragen, überhaupt kamen diese Einheiten, die als ANZAC (Australia and Newzealand Army Corps) bekannt wurden an dieser Stelle erstmals zum Einsatz. An der Kampffähigkeit dieses neu aufgestellten Korps wurde zudem gezweifelt, dennoch haben sie sich unter den gegebenen Umständen, und auch später bei Einsätze an der Westfront, durchaus als vollwertige Kampftruppe bewiesen. Im Laufe des Ersten Weltkrieges wurden insgesamt 330.000 Australier zum Kriegsdienst eingezogen, über 50.000 starben, weitere 150.000 wurden verwundet. Bei Kriegsende waren nur noch 140.000 als Kriegsdiensttauglich eingestuft.
Der entscheidende Fehler wurde aber lange vor der eigentlichen Landung gemacht : in Februar 1915 beschossen britische Kriegsschiffe die damals noch relativ schwachen türkischen Artillerie Stellungen auf der Halbinsel Gallipoli. Am 25. Februar landeten britische Marines um die Überreste der Stellungen zu zerstören. Die Aufgabe wurde ohne jeden Gegenwehr ausgeführt. Einige Berater hatten Churchill vorgeschlagen, die ganze Marine Infanterie Division an Land zu senden, unter den gegebenen Umständen hätten sie wahrscheinlich grosse Teile der Halbinsel halten können bis Verstärkungen herangebracht werden konnten. Churchill, und auch Kitchener, hielten jedoch an den Plan fest, die Türken erst mit massiver Artilleriebeschuss niederzuhalten und anschliessend mit starken Kräften eine Landung durchzuführen. Die militärische Doktrin am Anfang des 20. Jahrhunderts sah vor, den Gegner frontal mit starken Kräften anzugreifen, ohne Rücksicht auf die eigenen Verluste zu nehmen. Diese Taktik wurde im Ersten Weltkrieg fast ausschliesslich angewendet, mit verheerenden Folgen. So wurden die Marines wieder abgezogen; Monate später starben an denselben Stellen Tausende britische, australische und neuseeländische Soldaten.
Die Türken waren mit diesem Angriff gewarnt, und hatten einige Wochen Zeit um ihre Verteidigung vorzubereiten. Der Inspekteur der türkischen Armee, Marschall Liman von Sanders sandte in aller Eile Verstärkungen nach Gallipoli. Zur Beginn der Landung standen dann drei türkische Divisionen zur Verteidigung bereit.
Kurze Übersicht
13. Dezember 1914 : das britische U-Boot B11 dringt in die Dardannellen ein, und versenkt das Schlachtschiff "Messudieh".
25. Februar 1915 : die britische Kriegsmarine beschiesst türkische Stellung auf der Halbinsel Gallipoli. Einige Einheiten der Royal Marines werden an Land gesetzt und wieder abgezogen.
5. März 1915 : Die britische Kriegsmarine beschiesst türkische Stellungen bei Gaba Tepe an der Westküste der Halbinsel. Wiederholte Versuche die Minenfelder in den Dardanellen zu räumen schlagen fehl.
18. März 1915 : Vize-Admiral de Robeck wird Nachfolger des Konteradmirals Sackville-Carden, der tags zuvor ein Nervenzusammenbruch erlitten hatte. Seine erste Handlung war völlig sinnlos : er versuchte eine Flotte von 18 Schlachtschiffen, mit begleitenden Kreuzern und Zerstörern mit Gewalt durch die Dardanellen zu zwingen. Das Ergebnis war verheerend: 6 britische und 2 französische Schlachtschiffe werden in kürzeste Zeit von der türkische Küstenartillerie versenkt.
25. April 1915 : Die ersten Truppen werden an sechs verschiedenen Stellen im Süden der Halbinsel an Land gesetzt. Die Türken, obwohl deutlich in der Minderzahl, setzen sich erfolgreich zur Wehr.
28. April 1915 : General Hunter-Weston befiehlt den ersten Angriff auf Krithia. Wegen der üblichen organisatorischen Mängel und vagen Befehlen, die keinen genauen operativen Ziel vorgaben, wurde der Angriff ein Desaster. Als Hunter-Weston endlich merkte, dass er die Übersicht verloren hatte und den Rückzugsbefehl gab, war es zu spät. Von den 14.000 Man, die um 8.00 morgens antrate, ware am Abend 3.000 tot oder verwundet.
6. Mai 1915 : Der zweite Angriff auf Krithia beginnt. Hunter-Weston widersetzt sich dem Befehl, noch vor Tagesanbruch anzugreifen, entgegen allen Regeln lässt er erst um 11.00 Uhr vormittags angreifen : der Überraschungeffekt ist vertan, die Verteidiger ausgeruht. Vier Tage lang wurde der Wahnsinn wiederholt, am letzten Tag sollte der Angriff sogar von Militärkapellen und wehenden Fahnen begleitet werden, wohl um die Kampfmoral der Australier zu erhöhen und die Türken zu intimidieren. Zum Glück waren weder Musiker noch Fahnen vorhanden.
19. Mai 1915 : 40.000 Türken greifen ANZAC Stellungen in der Nähe von Gaba Tepe an. Am Abend sind 3.000 Türken tot, weitere 7.000 verwundet.
7. August 1915 : 20.000 britische Soldaten landen in der Suvla Bucht. Das Ziel der Operation war, ein Geländestreifen etwa 8 Kilometer tief in der Halbinsel zu besetzen. An dieser Stelle standen etwa 1500 Türken, unter der Führung des deutsche Majors Willmer. Diese "Anafarta Detachement bestand aus drei Infanterie Batallione, eine Kompanie Pioniere, eine kleine Kavallerie Abteilung, sowie ein Arbeitsbatallion. In Anbetracht der Kräfteverhältnisse an anderen Stellen eine relativ leichte Aufgabe für die Angreifer, die jedoch nicht erfüllt wurde. Das Kommando wurde General-Leutnant Sir Frederick Stopford angetragen, ein Mann, der bereits wegen seinem schlechten Gesundheitszustand beriets in Ruhestand war. Zudem hatte er überhaupt keine Kampferfahrung. Anstatt seinen Untergebenen die Dringlichkeit eines raschen Vormarsches zu erläutern, liess er die gelandeten Truppen sich 24 Stunden ausruhen, ohne ernsthafte Kampftätigkeit zu entwickeln. Als am nächsten Tag Hamilton und de Robeck persönlich in der Suvla Bucht erschienen, und ihm zu Handlung zwangen, war es bereits zu spät. Liman von Sanders hatte bereits die Gefahr erkannt und sandte 3 Divisionen im Eilmarsch in das Kampfgebiet. Als die Briten dann doch zum Angriff übergingen, hatten die Türken bereits die günstigsten Verteidungsstellen besetzt, und konnten alle Angriffe erfolgreich abwehren. Neun Tage später wurde General-Leutnant Stopford durch General-Major de Lisle abgelöst.
Kleine Randgeschichte : General-Leutnant Sir Bryan Mahon, Kommandeur der 10. Division, weigerte sich unter dem Befehl de Lisle zu dienen, erstens weil er selbst der Ranghöhere war, und zweitens weil er de Lisle persönlich nicht mochte. Er verliess seinen Posten während seine Division in schweren Kämpfen auf den Kiretch Tepe Höhen verwickelt war. Jeder einfacher Soldat wäre in ähnlicher Situation standrechtlich wegen Desertion erschossen worden. Sir Bryan Mahon wurde von seinem Posten enthoben und in den Ruhestand versetzt.
14. Oktober 1915 : General Sir Ian Hamilton wird durch General Sir Charles Monro abgelöst.
3. November 1915 : Lord Kitchener fährt selbst nach Gallipoli. Nach dem er sich ein Bild von den örtlichen Begebenheiten gemacht hat, gesteht er in einem Bericht an den Premierminister Asquith, das die Aufgabe viel schwieriger ist, als er bei der Planung angenommen hatte.
16. November 1915 : wegen der wachsenden Kritik an der Gallipoli Kampagne, tritt Winston Churchill zurück.
7. Dezember 1915 : Der Rückzug aus den Dardanellen wird beschlosssen.
10. Dezember 1915 : Die Evakuierung beginnt. Bis zum 2. Januar 1916 werden 134.000 Mann, etwa 5.000 Pferde und Maultiere, sowie etwa 300 Geschütze, von den Türken weitgehend unbehelligt, von der Halbinsel abgezogen.