"Die „griechisch“ denkenden Menschen unterschieden sich in vielen Bereichen von ihren lateinischen Nachbarn, vor allem wegen des Erhaltes und Fortbestandes der Staatlichkeit im Osten, wegen der unterschiedlichen Ethnizität und wegen des Zugangs zu den Errungenschaften der antiken Kultur. Während das byzantinische Reich nie den Boden der antiken Welt verließ, breitete sich das westliche Mittelalter auch in Gebieten und unter Völkern (z.B. in Germanien) aus, die kaum mit dem römischen Reich in Berührung gekommen waren. Außerhalb Italiens wurde deshalb der antike Einfluß im Westen schwächer, während er im Osten ungebrochen war. Hinzu kamen zwei wesentliche Charakteristika der griechisch-byzantinischen Bildung: die griechische Sprache und der christliche Glauben. Von der Antike unterschieden sich beide Reichsteile durch ihren Bezug zum Christentum gleichermaßen, aber während das Latein des Westens im wesentlichen eine Fremd- bzw. Gelehrtensprache war oder im Laufe der Zeit wurde, blieb Griechisch für alle Byzantiner Muttersprache. Auch wenn es durchaus unterschiedliche Sprachebenen gab und nicht jeder problemlos die Texte Homers lesen konnte, war der Zugang zur Antike doch erheblich einfacher als im Westen. Von der Pflege des Spracherbes zeugen auch Veränderungen der Sprache, Anpassungen und Vervollkommnungen; die Sprache blieb lebendig.
Wegen dieser sprachlichen Kontinuität läßt sich die Trennungslinie zwischen antiker und mittelalterlicher Bildung nur unter Bezug auf die christliche Komponente ziehen. "
"Aber trotz aller Bemühungen war die erreichte Einheitlichkeit um 300 n.Chr. teilweise schon wieder verloren, obwohl im Kernbereich des byzantinischen Reiches bis ins 11. Jahrhundert durchgehend Griechisch gesprochen wurde. Beeinflußt wurde diese riesige sprachliche Einheit zur Zeit Justinians (565 n.Chr.) im Nordosten vom Georgischen, im Osten vom Armenischen, Syrischen, Arabischen und Koptischen, im Westen und Süden vom Lateinischen und Germanischen. Unter Basileos II. (um 1025 n.Chr.) hatte sich das Bild nicht wesentlich geändert, lediglich der lateinische Einfluß war zurückgegangen und im Norden durch Slawisch ersetzt worden. Alle diese fremden Sprachen wirkten aber nur in den Grenzbereichen von Byzanz, mit Ausnahme des Armenischen. Die Armenier hatten in Kleinasien einen hohen Bevölkerungsanteil, eine eigene Sprache und Kultur; die hohen armenischen Staatsbeamten waren wohl die einzigen wirklich zweisprachigen Byzantiner."