Man muss es schon sagen: Die FAZ verfügt über einen hervorragenden Südosteuropa-Korrespondenten. Dieses Mal hat Michael Martens ein Thema aufgegriffen, das in Griechenland ein heisses Eisen wäre, wenn…. ja wenn Kritik an griechischer Politik nicht immer gleich als Angriff auf Griechenland gewertet und daher grundsätzlich mit Schweigen gestraft würde. Denn “der Grieche” ist nun einmal ewiges Opfer der Weltgeschichte, ein “bruderloses Volk” (Anadelfos Laos), dem Juden, Amerikaner, Albaner und Türken nur Böses wollen. Erinnern Sie sich an den Doping-Skandal um die Sportler Kenteris und Thanou im Olympiajahr 2004? Die ganze Geschichte stank zum Himmel, aber griechische Zeitungen vermuteten seinerzeit ein Komplott der Amerikaner, waren es doch diese, die auf den Blutkontrollen bestanden, während sich unter der griechischen Bevölkerung das Gerücht verbreitete, das amerikanische Dream Team sei als einzige Mannschaft von den Kontrollen ausgenommen. Auch die Erschleichung des Beitritts zur Euro-Zone mittels gefälschter Bilanzen war natürlich eine Verschwörung von Eurostat, hinter der Zionisten und Amerikaner stecken. Ebenso war die Besetzung Zyperns durch die Türkei in Wahrheit ein gewaltiges Komplott gegen die griechische Nation, das im Weissen Haus geschmiedet wurde – die Liste der Absurditäten liesse sich noch beliebig fortsetzen. Denn “der” Grieche ist immer Opfer. Und die Opferpose ist heilig.
Umso bemerkenswerter ist deshalb, dass die derzeitige Aussenministerin Dora Bakogiannis noch als Athens Bürgermeisterin (seit Okt. 2002) sich vor einer Regierungsdelegation aus Bosnien-Herzegowina für die Rolle ihres Landes während der Kriegsjahre entschuldigte und Griechenland zusammen mit anderen NATO-Mitgliedern immerhin eine “moralische Verantwortung” für die Taten und Versäumnisse gegenüber Bosnien zuschrieb. Was hier vorsichtig-diplomatisch formuliert wurde, hatte der griechische Publizist Takis Michas detailliert in einem Buch ausgeführt, das in Griechenland bis heute totgeschwiegen wird. Die ganze Wahrheit in einem einzigen Satz: “Griechische Freiwillige waren am Massaker von Srebrenica beteiligt - doch die griechische Justiz interessiert sich nicht dafür“, fasst Michael Martens die Situation zusammen. In Srebrenica waren mehr als 7000 Muslime ermordet worden, was in dem mehrere tausend Seiten umfassenden Bericht des Niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation (Niod) geschildert wird:
Umso bemerkenswerter ist deshalb, dass die derzeitige Aussenministerin Dora Bakogiannis noch als Athens Bürgermeisterin (seit Okt. 2002) sich vor einer Regierungsdelegation aus Bosnien-Herzegowina für die Rolle ihres Landes während der Kriegsjahre entschuldigte und Griechenland zusammen mit anderen NATO-Mitgliedern immerhin eine “moralische Verantwortung” für die Taten und Versäumnisse gegenüber Bosnien zuschrieb. Was hier vorsichtig-diplomatisch formuliert wurde, hatte der griechische Publizist Takis Michas detailliert in einem Buch ausgeführt, das in Griechenland bis heute totgeschwiegen wird. Die ganze Wahrheit in einem einzigen Satz: “Griechische Freiwillige waren am Massaker von Srebrenica beteiligt - doch die griechische Justiz interessiert sich nicht dafür“, fasst Michael Martens die Situation zusammen. In Srebrenica waren mehr als 7000 Muslime ermordet worden, was in dem mehrere tausend Seiten umfassenden Bericht des Niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation (Niod) geschildert wird:
Zwei Tage nach dem Fall der Enklave, als das Massaker an den eingeschlossenen Muslimen der Kleinstadt weitgehend abgeschlossen war, berichtete die Athener Tageszeitung “Ethnos”, dass in Srebrenica die griechische und die serbische Flagge Seite an Seite gehisst worden seien, als Beweis “der Liebe und der Solidarität der beiden Völker und der Dankbarkeit, die die serbischen Soldaten für die griechischen Freiwilligen empfinden, die an ihrer Seite kämpfen”. Diese Art der Berichterstattung über die größten Verbrechen auf europäischem Boden seit 1945 war in Griechenland Regel, nicht Ausnahme.
Der frühere griechische Parlamentsabgeordnete und Minister Andreas Andrianopoulos macht die “absurd pro-serbische” Berichterstattung der Massenmedien des Landes dafür verantwortlich, dass die öffentliche Meinung in Griechenland “den Westen” für alle Übel der Belgrader Kriege verantwortlich machte. Andrianopoulos ist als einer der wenigen gegen diesen Meinungsstrom geschwommen. Er war es auch, der im Jahr 2005 im Parlament eine Untersuchung der näheren Umstände der griechischen Beteiligung an dem Massaker verlangte.
Nach eigenen Angaben wurde er von der Staatsanwaltschaft zu einem Gespräch eingeladen, bevor der Fall versandete: Der frühere griechische Parlamentsabgeordnete und Minister Andreas Andrianopoulos macht die “absurd pro-serbische” Berichterstattung der Massenmedien des Landes dafür verantwortlich, dass die öffentliche Meinung in Griechenland “den Westen” für alle Übel der Belgrader Kriege verantwortlich machte. Andrianopoulos ist als einer der wenigen gegen diesen Meinungsstrom geschwommen. Er war es auch, der im Jahr 2005 im Parlament eine Untersuchung der näheren Umstände der griechischen Beteiligung an dem Massaker verlangte.
Er habe die mit der Untersuchung beauftragte Staatsanwältin auf Zeitungsartikel und Fotografien aufmerksam gemacht, in denen sogar die Namen griechischer Kämpfer erwähnt wurden, sagt er. “Aber danach geschah nichts. Ich habe nie wieder etwas gehört.” Er habe daher auch “nicht die leiseste Ahnung”, was aus den Ermittlungen geworden sei, obwohl er annehme, dass die Staatsanwaltschaft die mit dem Verbrechen in Verbindung gebrachten Männer durchaus ausfindig machen könne - zumal einer der mutmaßlichen Mittäter noch nach seiner Anfrage im Parlament in einem ausführlichen Zeitungsinterview über die Griechen in Srebrenica berichtet habe. Doch es war nicht nur Desinteresse, das Andrianopoulos nach seinem Vorstoß begegnete. Der zuletzt parteilose Abgeordnete spricht auch von gehässigen Medienkommentaren, in denen gefragt wurde, warum er diese alte Geschichte ausgrabe.
Auch der bereits erwähnte Takis Michas hatte es mit seinem Buch “Die unheilige Allianz - Griechenland und Milosevics Serbien” nicht geschafft, die griechische Öffentlichkeit wachzurütteln:
Es ist bezeichnend, dass Michas das Buch zunächst in englischer Übersetzung veröffentlicht hat, da er nicht zu Unrecht vermutete, dass es nur durch die ausländischen Reaktionen darauf auch in Griechenland Aufmerksamkeit finden werde. Für Michas steht fest: “Griechen kämpften in Srebrenica mit dem Wissen der griechischen Behörden. Es gab in Griechenland jeden Tag Berichte über diese Leute, die in Bosnien gegen eine Regierung kämpften, die damals von der Staatengemeinschaft als die einzige legitime Regierung des Landes anerkannt war. Aber niemand hat versucht, dem nachzugehen”. Die Griechen unter Mladics Befehl charakterisiert er als “Jungs vom Lande”, die von den Verzerrungen der Berichterstattung in den griechischen Medien beeinflusst worden seien. Nach Bosnien seien sie mit der vagen Vorstellung gegangen, “dass sie im Kampf gegen die Muslime irgendwie auch für die griechische Souveränität kämpften”. Über die serbischen Massaker in Bosnien sei nämlich kaum und zudem meist in Form von Meinungsartikeln berichtet worden. Takis spricht von einer “umfassenden Unterstützung” der griechischen Medien und auch der Mehrheit der Öffentlichkeit für die Politik Milosevics in Serbien, Kroatien und Bosnien. Das führe jedoch zu einer wichtigeren Frage: “Wer hat das organisiert, wer hat es angeordnet?”
Seine Recherchen führten den Autor bis an die Regierungsspitze. Der bis 1993 regierende konservative Ministerpräsident Mitsotakis habe auf Milosevic gesetzt, weil er ihn - einer damals auch anderswo gängigen Fehleinschätzung folgend - für einen Stabilitätsfaktor hielt. Zudem nahm aber auch und gerade die griechische Linke für Milosevic Partei, denn der Umstand, dass er zeitweilig scheinbar gegen die Amerikaner kämpfte, schien ihn für einige Leute zu einem Linken zu machen. Der Antiamerikanismus, der bei den Griechen schon en vogue war, bevor er durch George Bush auch anderswo zur Erkennungsparole politischer Korrektheit wurde, ist laut Michas in Griechenland schlicht eine Variante des Nationalismus, der mit dem eingebildeten Antikapitalismus vieler Hellenen Hand in Hand gehe.
Bravo! Martens muss grosser Dank ausgesprochen werden, dass er Michas, der hier genaus ins Schwarze trifft, so ungeschminkt zu Wort kommen lässt! Schon früher hatte Michas festgestellt: “To be Greek today is to be anti-American.” Milosevic aber hatte in Griechenland auch Gegner. Was hatten die nunr an ihm auszusetzen? Seine Recherchen führten den Autor bis an die Regierungsspitze. Der bis 1993 regierende konservative Ministerpräsident Mitsotakis habe auf Milosevic gesetzt, weil er ihn - einer damals auch anderswo gängigen Fehleinschätzung folgend - für einen Stabilitätsfaktor hielt. Zudem nahm aber auch und gerade die griechische Linke für Milosevic Partei, denn der Umstand, dass er zeitweilig scheinbar gegen die Amerikaner kämpfte, schien ihn für einige Leute zu einem Linken zu machen. Der Antiamerikanismus, der bei den Griechen schon en vogue war, bevor er durch George Bush auch anderswo zur Erkennungsparole politischer Korrektheit wurde, ist laut Michas in Griechenland schlicht eine Variante des Nationalismus, der mit dem eingebildeten Antikapitalismus vieler Hellenen Hand in Hand gehe.
Andreas Papandreou allerdings, der erzpopulistische Nachfolger von Mitsotakis im Amt des Regierungschefs, mochte Milosevic nicht, “weil er ihn für zu amerikanisch hielt. Er war aber ein großer Bewunderer von Radovan Karadzic”, stellt Michas fest. Die Bewunderung für den seit 1995 vor dem Haager UN-Tribunal als Kriegsverbrecher angeklagten bosnischen Serbenführer wusste dieser zu erwidern. “Wir haben heute nur noch zwei Freunde, die Griechen und Gott, aber das ist nicht wenig”, sagte er in für ihn typischem Pathos bei einem Besuch in Athen am 15. Juni 1993, mitten im Bosnienkrieg, als er Ehrengast eines griechisch-serbischen Freundschaftstreffens war. Damals wurde er von dem damaligen Oppositionsführer Papandreou von der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung sowie von Mitsotakis empfangen.
Die einen mögen Milosevic, weil sie ihn für antiamerikanisch halten; die anderen mögen ihn nicht, weil er in ihren Augen zu amerikanisch ist – Pluralismus auf griechisch! Aber der Skandal hat ein noch weit grösseres Ausmass. Michas nämlich weist in seinem Buch nach, wie Griechenland das UN-Embargo gegen Milosevics Jugoslawien brach, als – so der Vorwurf Michas’ – die Regierung Papandreu NATO-Luftangriffspläne an Mladic verriet! Michas belegt seine Aussagen mit verschiedenen Quellen, u.a. zitiert er Cees Wiebes von der Universität Amsterdam, demzufolge die Nato-Stellen ihren Informationsfluss an Griechen und Türken kappten, weil sie fürchteten, vertrauliche Nachrichten könnten an Serben, bzw. Bosniaken weitergereicht werden. Von den etwa hundert Angehörigen einer griechischen Freiwilligengarde in Serbisch-Bosnien waren im September 1995 vier von Karadzic mit dem Orden des ,Weißen Adlers’ ausgezeichnet worden:
Wo diese für ihre Teilnahme an einem Großverbrechen heute ausgezeichneten Männer sind und was sie treiben, interessiere die Behörden in Griechenland heute ganz offensichtlich nicht, kritisiert Takis Michas. Wie Andreas Andrianopoulos wurde auch er von der Staatsanwaltschaft in Sachen Srebrenica vorgeladen. Man habe ihn dort gebeten, Namen und die Adressen der griechischen Kämpfer zu nennen. “Ich habe geantwortet, dass ich einige der Namen habe, aber nicht die Adressen und dass es zudem auch nicht meine Aufgabe sei, sie ausfindig zu machen. Ich bin kein Polizist.” Dabei sei es dann geblieben. “Nichts ist passiert. Nach mehr als einem Jahr sind keinerlei Anklagen erhoben worden.”
Michas Buch, in dem diese Behauptung aufstellt wird, erschien in englischer Sprache schon im Mai 2002, also vor mehr als vier Jahren, doch ist Michas bisher weder verklagt worden, noch hat sich ein Staatsanwalt die Mühe gemacht, der Sache nachzugehen. Warum auch? Michas dürfte heute in Griechenland wohl als Antigrieche gelten, getreu der Definition von Nikos Dimou:
To whom do we refer as an anti-Hellene? As a rule, to Greeks or foreigners who write (or say) unpleasant things about Greeks, who criticize us, or express opinions we don’t like.
Regarding the Greeks who are placed in this category: Is it really so difficult to understand that such a critic does his country a greater service than the most enthusiastic cheerleader?
Sehr Interessant
da bekommt man mehr Blick hinter den Kulissen was in Griechenland wirklich passiert.
Regarding the Greeks who are placed in this category: Is it really so difficult to understand that such a critic does his country a greater service than the most enthusiastic cheerleader?
Sehr Interessant
da bekommt man mehr Blick hinter den Kulissen was in Griechenland wirklich passiert.