Grizzly schrieb:
@Schiptar:
Dein Punkmagazinreisebericht über Albanien würde mich interessieren.
Okay, dann will ich mal nicht so sein.
Kann mir vorstellen, daß viele von euch an dem Bericht was Inhaltliches zu bemängeln haben werden, aber denkt daran, er war für Leser gedacht, die vom Balkan überhaupt keinen Plan haben und denen man nicht mit allzu komplexen Einzelheiten kommen sollte...
„Balkane, Balkane, Balkane moj…“
25. März – 4. April: ALBANIEN & MAZEDONIEN
Warum, weiß ich nicht mehr genau, aber ich hatte mit ein paar Leuten aus Nijmegen und meinem Holland-Engländer John vereinbart, dass wir uns der diesjährigen ISHA-Konferenz in Ohrid aus westlicher Richtung, sprich: Albanien nähern würden. Das ist schließlich ein europäisches Land, das noch von einem richtigen Hauch wilder Exotik umgeben ist, wo keiner so recht weiß, was ihn dort erwartet. Chaos, Bürgerkrieg, Blutrache, Bandenunwesen, Massenflucht, das wären wohl die typischen Begriffe, die bei ein bisschen Brainstorming in Bezug auf Albanien fallen dürften.
Nach einer wie immer unbequemen Nacht in London-Stansted und dem Weiterflug mit Ryanair nach Bari, von wo aus uns eine achtstündige Überfahrt in die albanische Hafenstadt Durrës brachte, betraten wir am Morgen des Ostersonntags zum ersten Mal albanischen Boden. Der Plan war, so schnell wie möglich in die Hauptstadt Tirana zu gelangen, aber dazu musste man erst mal in der ungewohnten Umgebung den Bahnhof finden und den ein oder anderen Bettler oder seine Dienste anbietenden Taxifahrer hinter sich lassen. Kaum aus dem Ferryterminal gekommen, sahen wir auf dem Weg zum Bahnhof auch schon den ersten (vermutlich Roma-)Jungen auf der Suche nach Verwertbarem in einem Müllcontainer herumklettern… Ich hatte ja so etwas in der Art durchaus erwartet, aber wenn man dann zum ersten Mal selbst mit der tatsächlichen Armut konfrontiert wird…
Im Bahnhof (Marke: Dorfbahnhof) stellte sich dann heraus, dass der Zug nach Tirana aufgrund technischer Probleme (vermutlich ein aufgrund heftiger Regenfälle eingesunkenes Gleisbett) ausfiel, so dass wir schweren Herzens für höchstens einen Euro pro Nase Plätze in einem der Busse vorm Bahnhof erstehen mussten. Schade, denn die Zugfahrt bei einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h in einem ausgemusterten DB-Zug wäre sicher interessant geworden… Auf dem Bahnhof von Durrës standen übrigens ganze zwei Züge herum: ein ehemaliger Deutsche-Bahn-Nahverkehrszug, der wohl tatsächlich noch irgendwann an jenem Tag nach Elbasani fahren sollte, und gegenüber ein noch her-untergekommeneres Teil unbekannter Herkunft, in dem sich allerdings meines Erachtens eine Romafamilie häuslich eingerichtet hatte und der vorerst nirgendwohin fuhr. Kommunikation ging nur mittels Hand und Fuß und einiger allgemeineuropäischer Fremdwörter; von den angeblich durchaus vorhandenen Italienisch- bzw. Englischkenntnissen war die nächsten Tage über nur sehr vereinzelt etwas zu spüren.
So ging’s denn also mit dem Bus in die Hauptstadt, nachdem der sich mit ausreichend Mitreisenden gefüllt hatte. Vorbei ging’s an jeder Menge Skelette nie zu Ende gebauter Häuser, über jedem zweiten Haus wehenden Albanerflaggen, wilden Müllhalden so weit das Auge reichte (besonders in den Ästen von Bäumen entlang der Flussbette… hatte wohl ein paar Tage zuvor stark geregnet…) und immer wieder diesen hässlich-faszinierenden Einmannbunkern, die wie wahllos wuchernde Pilze die albani-schen Grenzlandschaften überziehen. Nicht umsonst war dieses Land seinerzeit neben Nordkorea die in jeglicher Hinsicht paranoideste stalinistische Diktatur der Welt. Das Regime unter Enver Hoxha hatte ja in ständiger Furcht vor dem Ausland gelebt und sich dementsprechend in praktisch jedem Jahrzehnt einen neuen großen sozialistischen Bruder gesucht – von Jugoslawien zur UdSSR zur VR China – bis es schließlich konsequenterweise den Weg der völligen Selbstisolation einschlug, der für die für europäische Verhältnisse katastrophale Wirtschaftslage des Landes zumindest mitverantwortlich sein dürfte.
Albanien kann man wohl getrost als kleinen Kulturschock bezeichnen. Über Europa bin ich ja bisher erst ein einziges Mal so richtig hinausgekommen, und da auch nur in die USA, also war bis dahin der ärmste, tristeste Landstrich, den ich selbst erlebt hatte, das Kaliningrader Gebiet. Im Vergleich dazu kam mir Albanien aber in punkto Infrastruktur erheblich heruntergekommener bzw. unterentwickelter vor. Immer mal wieder fehlten die Gullydeckel (Stichwort „Alteisen“…) oder gleich der ganze Gehweg, die Straßen befanden sich in einem wahrhaft abenteuerlichen Zustand und die örtlichen Geschäfte (diejenigen, die nicht nur mit irgendwelchem überteuerten westlichen Importmüll gefüllt waren) sahen oft genug wie aus ‚einer anderen Zeit’ aus. Als ich John fragte, wie er Albanien im Vergleich zu Europas anderem Armenhaus, Moldawien, einordnen würde, meinte er, in Moldawien sei viel mehr allgemeine Verzweiflung bzw. Hoffnungslosigkeit spürbar als in Albanien, wo die Leute wenigstens noch versuchten, das Leben einigermaßen zu genießen, etwa indem sie sich ein bisschen herausputzen und was zum Vögeln abzukriegen versuchen…
Man darf sich Tirana also nicht wie eine graue orientalische Kloake oder so was vorstellen. Die Stadt ging eigentlich. Von ein paar alten Romafrauen bzw. Kindern mal abgesehen gab es gar nicht mal so viele Bettler (…von wem hätten die denn auch was abbekommen sollen? Hab ja außer uns keine anderen Touristen wahrgenommen, und die Einheimischen haben genug eigene Probleme). Es gab auch keine Hundescheiße, in die man hätte treten können, doch über den Verbleib der Hunde wollte ich mir keine allzu großen Gedanken machen... Noch über deren genauen Platz in der hiesigen Nahrungskette; dazu war das Hackfleischgericht in der alle Nostalgiker sozialistischer Kantinenkultur befriedigenden Gastwirtschaft am ersten Tag im Nachhinein dann doch zu wenig vertrauenseinflößend gewesen…
Obwohl Albanien theoretisch ein Land mit einer islamischen Bevölkerungsmehrheit ist, sah ich in der Hauptstadt weniger Frauen in Kopftüchern als in Heidelberg oder sogar meinem badischen Heimatdorf. Die jungen Mädels, die man so herumflanieren sah, waren eigentlich alle westlich-modisch gekleidet (allerdings nicht gerade nuttig) und sahen zudem in verdammt vielen Fällen äußerst attraktiv aus. Dass ich vor lauter Reizüberflutung durch überdurchschnittlich hübsche Ladies schon gar nicht mehr hingucken wollte, war mir bisher v.a. in Vilnius und Dubrovnik so gegangen, aber ich glaube in Tirana war’s noch mal eine Spur ärger… Auch mit König Alkohol scheinen die Albaner kein moralisches Problem zu haben; empfohlen seien an dieser Stelle an Bier „Birra Tirana“ und an Hartalk „Raki rrushi“ (…v.a. gegen etwaige Magen-Darminfektionen…) und „Skënderbeg Cognac“ (…den sogar die Serben und Mazedonier schätzen; vgl. Goethe: „Ein echter Deutscher mag keinen Franzen leiden, aber seine Weine trinkt er gern“). Ich weiß nicht, wie das in vorkommunistischen Zeiten war, aber vielleicht hat ja der staatlich verordnete Atheismus unter Hoxha das Seine dazu beigetragen, Tirana zumindest in punkto Alkohol und Frauenemanzipation zu einem liberalen Ort zu machen.
Zu den hygienischen Verhältnissen hatte ich ja im Voraus die abenteuerlichsten Sachen vernommen: bloß kein Obst oder Gemüse essen und kein Wasser trinken, und nach jeder Mahlzeit (besonders bei Fleisch) zur Desinfektion einen Raki trinken (aber immer doch…)! Abwechselnd keine Elektrizität (nur vor Wahlen regelmäßig) und kein fließendes Wasser! Ach was… Ich hatte zwar gegen Ende auch ein bisschen mit Hoxhas Rache zu kämpfen, aber insgesamt war alles halb so wild. In unserem Hotel (3 Sterne für 10,- Euro pro Nase…) gab’s jedenfalls immer Strom und fließend Wasser, wenn auch kein warmes (…das hätte genauso wie Frühstück einen Aufpreis von 5,- Euro bedeutet… pfff!).
Zu den Leuten kann ich nur sagen, dass diese dem Klischee vom finsteren Kosovo-Zuhälter, der mit Leidenschaft der Blutrache frönt, überhaupt nicht entsprachen. Im Gegenteil: vielleicht weil man hier noch nicht so an Touristen/Ausländer an sich gewöhnt ist, fand ich die Menschen insgesamt am herzlichsten, offensten und freundlichsten im direkten Vergleich zu allen südosteuropäischen Städten, die ich vorher und seitdem bereist habe, und sind ansonsten eh mehr oder weniger normale Europäer, was immer das heißen soll. Unangenehm aufgefallen ist uns niemand, aber wir haben ja auch unser Glück nicht gerade überstrapaziert (Am gefährlichsten war eh der Verkehr, nicht der böse Mitmensch an sich…). So haben wir unsere nächtliche Alkoholration auch stets in einer winzigen Kneipe gegenüber vom Hotel eingenommen, in der der stets alkoholisierte kultige Hausherr schnell einen Narren an mir fraß, nachdem er mich als Deutschen identifiziert hatte: Raki auf Kosten des Hauses, Gratisoliven, Männerküsse, und immer wieder: „Deutsch: gut! Deutschland: botë!“ (=Welt) Uriger Typ… Ich hoffe nur, es gibt nicht zu viele Photos davon, wie er und ich im angesoffenen Verbrüderungswahn ständig abwechselnd das albanische und deutsche Fähnchen aus seiner Kneipendekoration weihevoll abküss-ten… Weia, würde Klaus N. Frick an dieser Stelle sagen.
Am Dienstagmorgen hatte jedenfalls unser Albanienaufenthalt sein Ende und wir reisten für 20,- EUR pro Nase mit zwei Mercedes-Taxis an die makedonische Grenze weiter. War eine ebenso beschauliche wie (aufgrund der Straßenverhältnisse und Fahrweise) abenteuerliche Fahrt, die zwar teurer, aber um einiges gemütlicher und schneller war als die Fahrt mit dem Zug, den wir unterwegs überholten und der sich seit 5 Uhr morgens mit maximal 30 km/h durch die Berge quälte, während wir erst um 9:30 losgestartet waren. (Na ja, allerdings hatten wir im Gegensatz zum Zug auch keinen Umweg über Durrës gemacht.) Die Grenze wurde von uns zu Fuß überquert, ohne dass wir die angeblich übliche Ausreisegebühr von ca. 10,- Euro gezahlt hätten, und auf der anderen Seite stiegen wir in die nächsten beiden Mercedes-Taxis um, die uns für 6,- EUR pro Nase die Viertel- bis halbe Stunde zu dem Hotel am Ohridsee brachten, wo unsere Konferenz stattfand.
Obwohl Mazedonien im gesamtjugoslawischen Vergleich immer eines der ärmsten und rückständigsten Gebiete war, kam ich mir im Vergleich mit Albanien vor, als sei ich in die 1. Welt zurückgekehrt… Aber die Gegend um den Ohridsee herum ist als das traditionelle Tourismuszentrum des Landes eh nicht wirklich repräsentativ, auch wenn die Leute sie natürlich als Vorzeigeobjekt für die Schönheit Mazedoniens verstehen.
Wie bei diesen Anlässen üblich, kostete die Gebühr für eine Woche Teilnahme inklusive Mahlzeiten und Unterkunft etc. ganze 50,- EUR. Und ebenso üblich waren die Besäufnisse der folgenden Woche, die ich jetzt nicht im Einzelnen zu schildern brauche… Nur soviel: der einheimische Schnaps (rakija) ist ein wüstes Zeug, der Wein ist billig und lecker, und die einheimischen Biere wie „Skopsko“ und „Bitolsko“ laufen gut runter, obwohl man als Deutscher Bier aus 2-Liter-Plastikflaschen erst mal prinzipiell verdächtig findet. Drogen sollen in Makedonien genauso spottbillig sein wie Kippen, aber da ich mit beiden nichts am Hut habe, kann ich da nicht aus persönlicher Erfahrung sprechen.
Meine einheimischen Bekannten waren nicht gerade angetan, als John und ich nach dem Beziehen unseres Zimmers als Erstes gleich eine albanische Flagge aus dem Fenster hissten. Die Spannungen zwischen der slawomakedonischen Bevölkerungsmehrheit und der zahlenmäßig starken albanischen Minderheit sind in dem Land in der Tat allgegenwärtig. Besonders um Ostern herum war die Stimmung ein wenig angeheizt, da zum einen einige Mazedonier (z.B. der ehem. Innenminister Boškovski) wegen den Vorfällen im Jahre 2001 (sag ich jetzt nichts zu…) in Den Haag vor Gericht standen und zum anderen die nationalistische VMRO-DPMNE (eine der beiden großen slawischen Volksparteien), bei den miserabel besuchten nationalen Wahlen den Kürzeren gezogen hatte und deren Anhänger nun Wahlbetrug witterten und u.a. in Ohrid demonstrieren gingen. Im Gegensatz zu bestimmten Gebieten im Westen (Debar) und Nordwesten/Norden Makedoniens (Gostivar, Tetovo, Kumanovo, Skopje, etc.) handelt es sich bei Ohrid aber um einen Ort ohne viele Albaner, wo man demzufolge auch nicht so viele Spannungen mitkriegt. Als wir auf der Rückreise mit dem Bus durch oben genannte Gebiete kamen, sah das alles schon eine Spur unfreundlicher aus… besonders die überall präsenten Flaggen und Plakate in den albanischen Nationalfarben in Gostivar konnte man im direkten Vergleich zum idyllischen Ohrid latent bedrohlich finden.
Ich will hier nicht die üblichen Phrasen der Reiseführer und Fremdenverkehrsheinis nachplappern, aber Ohrid ist ein verdammt geschichtsträchtiges Städtchen (365 Kirchen, die Burg des Zaren Samuil, usw.), das in den Bergen und am gleichnamigen See gelegen eine bisweilen atemberaubend schöne Natur bietet. Besonders die Bootsfahrt an das an der albanischen Grenze gelegene Kloster Sveti Naum war schon eine angenehme Erfahrung… besonders in Verbindung mit der makedonischen Folkloremusik im Hintergrund, auf die dort jeder abgeht. Ich hatte gegen Ende der Woche zwar langsam genug von Liedern über „Makedonija“ und den dazugehörigen Kreistänzen, aber in Maßen ergänzt das die von dem Land ausgehende Faszination recht gut… Bei den Parties war’s halt meistens so gewesen, dass immer früher oder später auf alte Jugoschlager bzw. einheimische Rockklassiker und auf makedonisches „Narodno“ (Folklore) zurückgegriffen wurde und alle sich an den Händen fassend im Kreis tanzten usw., wie das der Südbalkanese halt so macht. Das war ab und zu ganz witzig, z.B. auf der Karaokeparty in so einem Club wo eine Band alte Jugoschlager bzw. einheimische Rockklassiker coverte und das Mikro von unseren frenetisch abfeiernden ex-jugoslawischen Teilnehmern monopolisiert wurde. Ich kannte zwar kein Lied, aber witzig war’s…
1.-12. Mai: ZAGREB & PULA, KROATIEN
Kroatien ist ja nicht gerade eine terra incognita für den deutschen Urlauber, deshalb schildere ich über diesen meinen 5. Kroatienaufenthalt nur ein paar speziellere Eindrücke.
Am 1. Mai für schlappe 36,- EUR von Stuttgart nach Zagreb eingeflogen (anstatt sich auf das in meinen Breitengraden an diesem Tag traditionelle Räuber-und-Gendarm-Spiel mit völkisch gesinnten Sackgesichtern einzulassen), fuhr mich und meinen Zürcher Kumpel Simon am darauf folgenden Tag unsere Freundin Iva zum Sightseeing in ihre Heimatstadt SISAK.
Dort hatten am Vorabend zum Auftakt der Kommunal- und Regionalwahlen drei Wahlkampfkonzerte stattgefunden: für die HSP (Kroatische Rechtspartei – nomen est omen; stark rechtsgerichtete Partei, die seit dem 19. Jh. existiert und somit zu den ältesten politischen Parteien Kroatiens zählt) trat wohl irgendeine obskure „Ethno“truppe; für die seit der Unabhängigkeit geradezu traditionelle konservative Regierungspartei HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) spielten wohl irgendwelche Volksmusiker oder Schlagerfuzzis (wer kann das schon so genau trennen?); während für die Sozialdemokraten die sogar hierzulande bekannte Sisaker Surfrockband BAMBI MOLESTERS ein wenig feinen Lärm produzierte. Die HSP (die viele heutzutage wohl nicht ganz zu unrecht als die Fortsetzer der faschisti-schen kroatischen Ustaše sehen) ist die wichtigste, aber nicht die einzige in der Öffentlichkeit stehende rechtsradikale Partei Kroatiens. Daneben gibt’s v.a. noch den Hrvatski Blok, eine kleine Rechtsabspaltung der HDZ als diese nach Tuđmans Tod einen ‚liberaleren’ Kurs einschlug.
Derzeit gibt’s in Kroatien eine recht beliebte Reality-TV-Sendung namens „Mjenjačnica“ (Wechselstube?), bei der halt – man kennt das ja – zwei Leute aus völlig gegensätzlichen Berufen einen Tag lang für die Kamera den Alltag des anderen leben sollen. Als ich das Teil mal sah, musste ein reicher Unternehmer aus Split mit einem obdachlosen Zagreber tauschen. Die Folge in der Woche danach hab ich aber leider verpasst: die Mitglieder des kroatischen Pendants zu ‚unseren’ Toten Hosen, nämlich HLADNO PIVO (Kaltes Bier), mussten mit Mitgliedern der Spezialkräfte der kroatischen Armee tauschen. Dazu wurden sie von den Spezialkräften mitten in der Nacht gefesselt aus dem flugs gestürmten Hotelzimmer geschleppt und mussten ein hartes Armytraining über sich ergehen lassen, während eine Hand voll Soldaten vor mehreren tausend Fans ein bisschen Musik machte. HLADNO PIVO sind eh ziemlich medienpräsent in Kroatien: mehrere Werbespots sind mit ihren Songs unterlegt, ihr Hauptsponsor ist Ožujsko, der (beinahe) Biermonopolist des Landes, und nun hat der Frontmann der Band, Mile Kekin, anscheinend auch noch in einer TV-Serie namens „Bitange i princeze“ (in etwa ‚Abschaum und Prinzessinnen’) in einer Gastrolle einen Pornofan gespielt. (Der gute Mann ist übrigens von Haus aus gelernter Deutsch- und Englischlehrer, was vielleicht die eine oder andere Coverversion à la „Für immer Punk“ oder „Niemals“ erklären könnte.) Musikalisch sind die Herren mittlerweile wohl endgültig in Mainstream-Rock-Gefilden angekommen; folglich gefallen mir ihre Alben aus der Zeit, als sie „noch nicht spielen konnten“, erheblich besser. Aber auch auf dem aktuellen Album „Šamar“ (2003) sind mit „Ljetni hit“, „Samo za taj osjećaj“ und „Zimmer frei“ ein paar anständige Kracher dabei.
Apropos Punkrock in Kroatien: Während meines besagten Aufenthalts hatte ich auch die Gelegenheit „Sretno dijete“ (Glückliches Kind) zu sehen, einen von der Konzeption her mit „Verschwende Deine Jugend“ vergleichbaren Dokufilm über die „Neue Welle“ jugoslawischer Rockmusik in den späten 70ern/frühen 80ern (also auch Punkrock & Artverwandtes). Darin geht’s v.a. um Bands aus Zagreb und die dortige Szene, aber nicht nur, also insgesamt z.B. um Bands wie BIJELO DUGME, AZRA, PANKRTI, PRLJAVO KAZALIŠTE, ELEKTRIČNI ORGAZAM… so was halt. Hab ich mir allerdings nicht gekauft, da ich keinen Bock hatte, normale DVD-Preise zu löhnen. Wenn ich mir schon Mucke gekauft hab, dann war das in den Läden von Croatia Records bzw. Dancing Bear Records der Fall, und dann auch nur günstige Kassetten z.B. von BAMBI MOLESTERS, den alten Montenegro-Rockern PARTIBREJKERS und PRLJAVO KAZALIŠTE (eines der ersten Alben; heutzutage müssen sie ja abscheulich sein und tingeln hierzulande konsequenterweise durch die Gastarbeiterschlagerdiscos und sind in Kroatien noch zu Tuđmans Zeiten für die HDZ aufgetreten…).
Was ich so Kulturelles und Akademisches in der Woche getrieben habe, interessiert hier eh keine Sau. Aber okay, der Ausflug zum Nationalpark Plitvice (bekannt aus so einigen „Winnetou“-Filmchen) wäre vielleicht erwähnenswert. Sieht einfach fantastisch aus da, sollte man gesehen haben. Liegt übrigens in dem Teil Kroatiens, den die Serben Anfang bis Mitte der 90er unter dem Namen „Serbische Republik Krajina“ besetzt hielten; angeblich hatten sie sogar damit gedroht, im Falle eines Angriffs die einmalige Natur der Plitvicer Seen durch Sprengungen zu verunstalten. So war ich auch nicht allzu überrascht, bei der Fahrt durch dieses ehemalige Kriegsgebiet ein Restaurant namens „Oluja“ zu sehen (= Sturm, der Codename für die militärische Operation, in der die Kroaten dieses Gebiet 1995 zurückeroberten); sowie die gesammelten Panzer und Artilleriegeschütze in Karlovac an der ehem. Frontlinie, die der Anfang eines geplanten Freilichtmuseums zur Erinnerung an den Unabhängigkeitskrieg sind. Zagreb an sich wurde vom Krieg ja nicht so stark getroffen, aber 1995 war z.B. ein General der bosnischen Serben der Meinung, als Vergeltung für die Operation „Bljesak“ ein paar Raketen auf Zagreb abfeuern zu müssen und dabei noch ein paar unschuldige Menschen zu töten. Da er diesen Schlag öffentlich im Fernsehen anordnete, findet er sich nun in Den Haag als Kriegsverbrecher wieder. Tja, so kann’s gehen…
In punkto Feiern aber gab’s zum einen mal wieder Parties, wo sich in musikalischer Hinsicht die jugoslawische Folklore und die Jugo-Rock-Klassiker die Klinke in die Hand gaben und der ganze Balkan-mob am Tanzen war, und zum anderen Grillfeste im Jarun-Park (am gleichnamigen See gelegen), wo sich am Wochenende allerlei Jungvolk tummelt und Leute mit voyeuristischer Gesinnung ansehnliche junge Kroatinnen dabei bewundern können, wie sie sich bei verschiedenen Sportarten verausgaben. Lechz. Das beste Bier gibt’s übrigens in der Wirtschaft „Medvedgrad“, wo die Leute ihr eigenes (ich schätze mal ungefiltertes) Bier brauen, was ich ja immer wieder gerne trinke… immer nur Ožujsko, Karlovačko oder Laško ist auf die Dauer auch langweilig.