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Der renommierte türkische Komponist und Pianist Fazil Say erhielt zehn Monate bedingte Haft, da er den Islam verunglimpft haben soll. Selbst die betont religiöse Regierung zeigt ob des Urteils Unbehagen.
Der weltweit renommierte türkische Komponist und Pianist Fazil Say ist am Montag von einem Istanbuler Gericht wie befürchtet wegen „religiöser Volksverhetzung“ zu einer zehnmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Say (43) soll mit Kommentaren auf Twitter den Islam und die Muslime beleidigt haben.
Das Urteil löste einen Sturm der Kritik aus. Say, derzeit in Deutschland auf Tournee und deshalb bei der Urteilsverkündung in Istanbul nicht dabei, erklärte nach der Entscheidung, er mache sich Sorgen um den Zustand der Meinungsfreiheit in seinem Land.
Im April vergangenen Jahres hatte sich Say, ein bekennender Atheist und prominenter Kritiker der religiös-konservativen Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan, per Twitter über einige islamische Glaubenssätze lustig gemacht.
„Ist der Himmel ein Bordell?“
In Anspielung auf die koranische Beschreibung von „Bächen von Wein“ im Paradies fragte Say etwa, ob das Jenseits denn eine Bar sei. Und dass im Paradies Jungfrauen auf die gläubigen (Männer) warten sollen, nahm Say zum Anlass für die Frage, ob der Himmel denn ein Bordell sei.
Teilweise hatte Say dabei bloß einen persischen Dichter aus dem elften Jahrhundert zitiert. Vor Gericht nützte ihm das nichts. Das 19. Amtsgericht in Istanbul entschied, Say habe „die religiösen Werte eines Teils der Bevölkerung herabgewürdigt“ und setzte den Bewährungszeitraum auf fünf Jahre fest: Sollte er sich während dieser Zeit etwas Ähnliches zuschulden kommen lassen, droht ihm tatsächlich Gefängnis.
Emre Bukagili, ein Geschäftsmann und einer der Kläger, erklärte nach dem Urteil, Say könne glauben, was er wolle – er habe aber kein Recht, den Glauben anderer zu beleidigen.
Intellektuelle und Menschenrechtler reagierten entsetzt. „Ist irgendjemand schon einmal wegen der Beleidigung von Christen oder Juden vor Gericht gekommen?“, fragte der in London lebende türkische Politologe Ziya Meral.
Sorge um Ruf der Türkei
Selbst die türkische Regierung signalisierte Unbehagen ob des Urteils: Kulturminister Ömer Celik erklärte, auch wenn die Entscheidung beim Gericht liege, wolle er niemanden wegen eines gesprochenen Wortes vor dem Richter sehen. Aus der verhaltenen Kritik des Ministers spricht die Sorge der Regierung, das Urteil gegen Say werde dem sowieso nicht eben glänzenden Ruf des Landes im Westen schaden.
Davon ist in der Tat auszugehen. Eine EU-Sprecherin erinnerte den Beitrittskandidaten Türkei an die Normen der Meinungsfreiheit. Emma Sinclair-Lewis, Türkei-Berichterstatterin von „Human Rights Watch“, sagte zur „Presse“, die türkische Justiz verschwende ihre Zeit damit, „triviale Tweets“ zu verfolgen. In Berlin erklärte Linke-Politikerin Sevim Dağdelen, das Urteil sei ein Skandal und zeige, dass die regierungstreue Justiz in der Türkei versuche, „Kritiker des Erdoğan-Regimes mundtot zu machen“.
„Das Urteil ist eine Schande“
In der Türkei erinnerte die Politologin Deniz Ülke Ariboğan indes daran, dass auch Erdoğan selbst schon einmal aufgrund von Gedichtpassagen zur einer Gefängnisstrafe verurteilt worden sei: 1999 verbrachte der heutige Ministerpräsident vier Monate hinter Gittern, weil er laut Gericht in einer Rede die Zuhörer zu islamistischem Hass aufgestachelt hatte. In der Rede hatte er damals ein Gedicht zitiert, in dem die Moscheen als „Kasernen der Gläubigen“ bezeichnet wurden. Bei Say sei heute dieselbe merkwürdige juristische Logik am Werke wie damals bei Erdoğan, kritisierte Ariboğan: „Das Urteil ist eine Schande.“
Zur Person
Fazil Say (* 1970 in Ankara) spielte schon als Fünfjähriger Klavier, studierte in Deutschland Musik und startete ab 1994 richtig durch. Als Pianist spielte er u. a. für die Wiener Philharmoniker und komponierte etwa Klavier- und Kammerorchester sowie Filmmusik. Seit 2007 löste er durch religions- und sozialkritische sowie politische Statements Debatten aus, etwa, als er vom „Proletentum des türkischen Volkes“ sprach. [ EPA ]
Islambeleidigung: Türkischer Starpianist verurteilt « DiePresse.com
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