Raketen aus dem Libanon, Israel reagiert mit Artilleriebeschuss
Hamas hatte sich von früheren Angriffen aus dem Libanon distanziert - Bereits mehr als 170 Tote in Gaza
Gaza/New York - Aus dem Libanon wurden Montagfrüh Raketen auf Israel abgefeuert. Es ist der dritte Raketenangriff aus dem nördlichen Nachbarstaat. Israel reagierte Montagfrüh mit Artilleriebeschuss. Die radikal-islamischen Hamas hatte zuvor erklärt, sie stehe nicht hinter den Angriffen aus dem Libanon am Samstag.
Die libanesischen Sicherheitskräfte hatten am Freitag einen Mann festgenommen, der verdächtigt wird, für die ersten der drei Raketenangriffe auf Israel verantwortlich zu sein. Es handle sich um ein Mitglied einer "fundamentalistischen Gruppierung", hieß es.
Im August hatten sich die Brigaden von Abdullah Azzam, eine der Al-Kaida nahestehende Organisation, zu Raketenangriffen aus dem Libanon bekannt.
Offensive in Gaza
Am Wochenende hat die israelische Armee bei ihrer Großoffensive im Gazastreifen kurzzeitig Bodentruppen eingesetzt. Ein Elitekommando der Marine sei in der Nacht zum Sonntag in den Norden des Palästinensergebiets eingedrungen und habe eine Raketenstellung der radikalislamischen Hamas angegriffen, berichtete der israelische Rundfunk.
Israelische Soldaten haben zudem nach palästinensischen Angaben in der Nacht auf Montag im südlichen Westjordanland einen 21-Jährigen erschossen. Der palästinensische Rundfunk meldete, der junge Mann sei in der Nähe von Hebron bei einem Einsatz der Armee getötet worden. Soldaten hätten in verschiedenen Städten elf Abgeordnete der Hamas festgenommen.
Drohne abgefangen
Islamistische Palästinensergruppen schossen aus dem Küstengebiet seit Dienstag fast 870 Raketen auf Israel ab. Etwa ein Fünftel davon bedrohte Wohngebiete und wurde abgefangen; die anderen fielen meist in unbewohnte Gebiete, manche richteten Sachschäden an. Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben am Montag eine Drohne vor der Küste der Stadt Ashdod abgeschossen.
Das unbemannte Fluggerät sei von einer Rakete des Abwehrsystems "Patriot" abgefangen und in der Luft zerstört worden, teilte das Militär mit. Die Hamas erklärte, sie habe mehrere Drohnen für "Spezialeinsätze" weit im israelischen Hinterland starten lassen. Sollten die Angaben stimmen, hätte die Organisation weit ausgereiftere Waffen als bisher bekannt.
Abbas fordert Kommission
Im Norden des Gazastreifens setzte eine Massenflucht ein, Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas forderte die UNO auf, "Palästina unter internationalen Schutz zu stellen". Zudem forderte er, umgehend eine Kommission zur Untersuchung des israelischen Militäreinsatzes einzusetzen.
UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon hat Israel und die Hamas erneut zu einer sofortigen Waffenruhe aufgefordert. Es sei im Interesse beider Seiten, unverzüglich Schritte zur Beilegung der Gefechte zu ergreifen, erklärte Ban am Sonntag in New York.
Stimmen gegen Waffenruhe in Israel
Rechtsorientierte israelische Politiker haben sich jedoch gegen eine rasche Waffenruhe mit der Hamas ausgesprochen. Zeev Elkin von der regierenden Likud-Partei sagte: "Wir müssen weiter Schläge gegen die Hamas austeilen und wenn notwendig auch mit Bodentruppen vorgehen." Ein Streben Israels nach einer Waffenruhe würde von der anderen Seite als Schwäche ausgelegt, warnte er.
Außenminister Avigdor Lieberman betonte im Gespräch mit der Nachrichtenseite "ynet", alle Optionen seien offen. "Wir haben das Gefühl, dass die internationale Gemeinschaft um jeden Preis Ruhe erzielen will." Sollte der Schlagabtausch jetzt enden, werde es jedoch in Kürze wieder eine neue Runde der Gewalt geben.
Landungsversuch
Der bewaffnete Arm der Hamas, die Essedin-al-Kassam-Brigaden, teilte mit, dass ein israelisches Kommando versucht habe, am Sudanstrand an Land zu gehen. Dabei habe es Feuergefechte mit palästinensischen Kämpfern gegeben. Ein israelischer Armeesprecher sagte, vier Soldaten seien leicht verletzt worden. Insgesamt wurden seit Beginn der Offensive am Dienstag nach Angaben des Leiters der Rettungskräfte in Gaza 172 Palästinenser getötet. 1120 weitere wurden verletzt, darunter überwiegend Zivilisten. Auf israelischer Seite gab es keine Todesopfer.
Die Armee rief die Bewohner zweier Stadtteile von Beit Lahija am Nordrand des Gazastreifens auf, "umgehend" ihre Häuser zu verlassen. Mit Flugblättern, SMS und automatisierten Anrufen wurde die Zivilbevölkerung angehalten, "sich zu ihrer eigenen Sicherheit von Aktivisten der Hamas und ihren Operationsbasen zu entfernen".
Tausende auf der Flucht
Laut einem Bericht des Armeeradios waren Luftangriffe "in bisher nicht gekanntem Ausmaß" geplant. Tausende Menschen flohen Medienberichten zufolge im Auto, auf Eselsrücken, mit Pferdekarren oder zu Fuß aus Beit Lahija. Die Hamas forderte die Bewohner auf, den Anordnungen nicht Folge zu leisten und zu Hause zu bleiben. Nach Angaben des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) suchten mehr als 6.000 Menschen Schutz in Einrichtungen des Hilfswerks. Neun UNRWA-Schulen wurden durch israelische Angriffe beschädigt.
Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der USA, Frank-Walter Steinmeier, Laurent Fabius, William Hague und John Kerry, wollten am Sonntag bei ihren Beratungen über den Iran in Wien über den Nahost-Konflikt sprechen. Kerry teilte dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu mit, die USA seien weiter bereit, einen Waffenstillstand zu vermitteln.
Vermittlungsmissionen
Das Auswärtige Amt bestätigte, dass Steinmeier am Montag und Dienstag in den Nahen Osten reisen werde. Israelische Medien berichteten, Ziele Steinmeiers seien Jordanien, Israel und das Westjordanland.
Die italienische Außenministerin Federica Mogherini, deren Land derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, reist am Dienstag nach Israel. Sie werde dort Netanjahu treffen, teilte ihr Ministerium mit. Auch ein Gespräch mit Abbas sei geplant. Der UN-Sicherheitsrat rief Israelis und Palästinenser zu einer Waffenruhe auf. Die Außenminister der Arabischen Liga wollen am Montag zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen. (APA, Reuters, 14.7.2014)