bullfire schrieb:
Jugoslawien war 1989 ein blühendes Land
Ähem:
Krise und Auseinanderfallen Jugoslawiens
In den 80er Jahren wachsen die Anzeichen einer
großen Wirtschaftskrise, insbesondere wegen der enormen Auslandsverschuldung.
Jugoslawien ist das höchstverschuldetste Land Europas, gemessen am Bruttosozialprodukt. 1983/84 finden erste Umschuldungsverhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds statt. Dieser bürdet Jugoslawien die gängige "Kur" auf: Lohnsenkungen, Preisfreigaben (d.h. Preiserhöhungen insbesondere bei Gütern des täglichen Bedarfs), Entlassungen (genannt ökonomische Gesundung der Betriebe).
Von 1981 bis 1985 sinken die Durchschnittslöhne um 40 % (6).
Kroatien und Slowenien starten Versuche über die Ausgabenpolitik noch weitergehender als bislang bestimmen zu können. Je weniger die Ausgaben zentral geplant werden, desto weniger bleibt für die südöstlichen Republiken. Die Streitereien um diese Frage nehmen an Heftigkeit zu.
Zu diesem Zeitpunkt ist die Verfügungsgewalt über Devisen bereits so weit regionalisiert, daß die Hauptdeviseneinnahmequellen des Bundes der Tourismus und die Überweisungen der ArbeitsemigrantInnen sind, die in Devisen auf die Banken kommen, jedoch in Dinar ausgezahlt werden. Die Schulden Jugoslawiens werden anteilig auf die Republiken verrechnet, so daß alle Republiken Schulden zu zahlen haben, von deren Aufnahme zum überwiegenden Teil nur die nordöstlichen Republiken profitierten. Die ärmeren Republiken sind überhaupt nicht in der Lage ihren Schuldenanteil zu zahlen. 1988 beträgt die Gesamtschuldenlast Jugoslawiens 21 Mrd. $ (7).
Auf die
massive Wirtschaftskrise reagieren die Republiken unterschiedlich.
Kroatien und Slowenien betreiben die Abtrennung von Jugoslawien und eine Hinwendung zur EG, Serbien setzt auf serbische Dominanz innerhalb Jugoslawiens oder gar auf den Aufbau eines großserbischen Reiches. Der längst gebrochene Gründungskonsens Jugoslawiens wird offen aufgegeben. Jede Republik sucht ihren Vorteil gegen andere Republiken durchzusetzen. Die Auflösung Jugoslawiens ist die zwangsläufige Folge einer solchen Politik.
[...]
Jugoslawien ist in erster Linie zerbrochen, weil es nicht gelang, alle Landesteile gleichmäßig zu entwickeln. Die relative industrielle Stärke des Nordwestens ist auf gemeinsame Anstrengungen aller Republiken zurückzuführen. Wenn 1991 der slowenische Finanzminister Sesok erklärte, die slowenische "Wirtschaft werde durch den Bund heruntergezogen" (5), dann drückte er damit genau die Haltung aus, die Kroatien und Slowenien dazu brachte, den Staatenbund zu verlassen - unter Mißachtung aller Verpflichtungen, die ihnen erwuchsen, weil die anderen Republiken zu Gunsten ihres Aufbaus auf stärkere Eigenentwicklung verzichteten.
Slowenien, mit 9 % der EinwohnerInnen Jugoslawiens, trägt 22 % des Sozialprodukts, 35 % des Exports (16) und 25 % des Haushalts Jugoslawiens (17). Vergessen wird dabei leicht, daß Slowenien dieses Potential nur hat, weil gemeinsame jugoslawische Anstrengungen "ihre" Industrie aufbauten. Es bildet sich eine Ideologie. wonach die SlowenInnen besser arbeiten und innovativer wirtschaften könnten und schon immer andere mit durchfüttern mußten. Es wird verschwiegen, daß sie auch ihren Nutzen zogen: das durchschnittliche Einkommen der SlowenInnen ist das Höchste in Jugoslawien, mehr als doppelt so hoch wie im Kosovo.
In dieser Situation versprachen sich Slowenien und Kroatien eine wirtschaftliche Stärkung durch Anschluß an die EG (das dies ein fataler Irrtum ist, ist hier nicht Thema). Hinzu kam die großserbische Karte, die die Führung in Belgrad spielte. Auch sie trug dazu bei, daß es nicht gelang, ja nicht einmal ernsthaft versucht wurde, einen neuen Grundkonsens des Zusammenlebens der jugoslwischen Völker zu finden. Das zerbrechen Jugoslawiens ist dann nur noch die logische Konsequenz.
Quellen: Der Teil "Grundlagen und Entwicklungen Jugoslawiens" folgt wo nicht anders angegeben in der Darstellung der Broschüre des Osteuropaarchivs Berlin: Jugoslawien: Klassenkampf-Krise-Krieg. (1) NZZ Folio 9/92 (2) Zahlen für 1947, SAG: Der Zerfall Jugoslawiens und der Krieg auf dem Balkan (3) Zeit 26.7.91 (4) Zeit 5.6.92 (5) Kommunismus udn Klassenkampf 11/80 (6) Osteuropaarchiv (7) ebenda (8) NZZ Folio 9/92 (9) Osteuropaarchiv (10) NZZ 12.9.92 (11) Zeit 2.11.90 (12) FAZ 7.4.87 (13) Zeit 26.7.91 (14) Zeit 2.11.90 (15) Meurer, Vollmer, Hochberger: Die Intervention der BRD in den jugoslawischen Bürgerkrieg (16) ebenda (17) Zeit 26.7.91 (18) NZZ 13.8.92 (19) Daten von vor dem Kriegsbeginn, NZZ Folio 9/92 (20) Knaurs Lexikon A-Z (21) Osteuropaarchiv, Vollmer et al., Lokalberichte Hamburg 17/92, Zeit 26.7.91, 5.6.92 (22) Osteuropaarchiv, NZZ Folio 9/92, SAG: Der Zerfall Jugoslawiens und der Krieg auf dem Balkan, FAZ 26.2.87, 2.3.87, 7.4.87.
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http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agr/jugoslawien.html