Perun
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Seit Jahrtausenden übt der Mensch den aufrechten Gang. Aber seine Wirbelsäule scheint dafür einfach nicht geschaffen: Schmerzen und Abnutzungserscheinungen plagen den zivilisierten Menschen häufig schon vor Erreichen der Lebensmitte. Ähnlich weit her scheint es mit der Anpassung an extremes Leiden, wie es ein Krieg mit sich bringt. Kriegsgräuel, Flucht und Vertreibung gehören untrennbar zur menschlichen Geschichte. Trotzdem hat es die Evolution aber offensichtlich versäumt dem Menschen eine suffiziente Schutzausrüstung mitzugeben. Für derartige seelische Extremsituationen fehlen uns ausreichende Schutzpanzer oder eine genügend dicke Hornhaut.
Menschen reagieren auf Traumata immer noch genau so wie es unsere steinzeitlichen Verwandten taten: mit den entwicklungsgeschichtlich ältesten Hirnzentren und weitestgehend unter Umgehung der Grosshirnrinde. Dieses Reaktionsmuster lässt nur zwei Alternativen zu: Wegrennen oder Kämpfen. Der Impuls zur Flucht ist hierbei der stärkere. Was aber bleibt zu tun, wenn beide Möglichkeiten verwehrt sind? Existenzielle Angst und ein tiefes Gefühl des Ausgeliefertseins sind die Folge.
Wir kennen solche Beispiele. Welchen Ausweg gibt es für die Mutter im KZ, die vor die Wahl gestellt wird, eines ihrer Kinder in den Tod zu schicken - als einzige Alternative die Auslöschung der eigenen Existenz und die ihrer übrigen Kinder vor Augen? Welchen Ausweg gibt es für die moslemische Frau, die mehrfach vergewaltigt und entehrt wieder zu ihrer Familie zurückkommt?
Dabei darf nicht vergessen werden, dass es sich im Kriegsfall um wiederholte Sequenzen traumatischer Situationen handelt. Eine Vergewaltigung ist schlimm genug. Ein Vergewaltigungslager dagegen ist ungleich schlimmer. Ein Umzug von einer Stadt in die andere kann unter Umständen traumatisch sein. Der Verlust der Heimat durch den Krieg, die lebensgefährliche Flucht, der Aufenthalt im Lager bei Kälte und Hunger und schliesslich das Stranden im Exil sind die Potenzierung einer solchen Situation.
Derartige Ereignisse werden als zutiefst inhuman und widernatürlich empfunden. Auf solche Situationen gibt es keine im gesellschaftlichen Sinne "normale" Antwort. Der traumatisierte Mensch sitzt in einer Falle, die ihm nur ein Ausweichen in verschiedene Symptome ermöglicht, die sein Leiden für einen kurzen Zeitraum etwas erträglicher machen. Abtauchen und Abspalten - im Fachjargon Dissoziation sind Umschreibungen für diesen Zustand. Das Unerträgliche verschwindet in einer gnädigen Ohnmacht. Immer wieder schildern Klienten Erlebnisse, bei denen sie aus dem eigenen Körper herausgetreten, über der Szene schwebend zum emotionslosen Beobachter des Grauens wurden. Eine andere Reaktionsvariante ist die extreme Anspannung aller Sinne, eine Hypervigilanz im Sinne einer nicht endenden Alarmsituation. Dies alles mag beim Überleben der akuten Situation helfen aber früher oder später wird fast allen traumatisierten Menschen schmerzlich klar, dass Überleben alleine nicht genug ist. Es stellt sich die Frage wie das Leben weitergehen soll.
"Ich werde diese Bilder in meinem Kopf einfach nicht los." Diese Klage höre ich von traumatisierten Klienten sehr häufig. Manchmal sind es aber nicht die grauenhaften Bilder, die sich ungewollt immer wieder aufdrängen. Manchmal sind es banale Geräusche, alltägliche Gerüche oder andere Auslöser, die den Betroffenen immer wieder in die traumatische Situation zurückkatapultieren. Heraus aus dem Alltag und hinein in einen Horrofilm, der scheinbar auf einem Endlosband läuft. Zusätzlich erschwert wird die Situation in solchen Fällen, bei denen der Auslöser (Trigger) für die Panikreaktion nicht klar ist oder bei denen eine sehr starke Fragmentierung stattgefunden hat. Fragmentierung bedeutet, dass die traumatische Situation nicht als fortlaufende Handlungssequenz abgespeichert wurde sondern nur bruchstückhaft in einzelnen Sinneskanälen "ad acta" gelegt wurde. Diese Wahrnehmungen sind für für den Betroffenen zutiefst verstörend und gleichzeitig unerklärlich.
Mir ist der Fall eines Bekannten in Erinnerung dessen Mutter während der letzten Wochen des Schwangerschaft in Köln massiven Bombardements ausgesetzt war. Zweimal wurde sie verschüttet. Obwohl nach Kriegsende geboren schrie das Baby und war durch nichts zu trösten, wenn es Flugzeuglärm am Himmel hörte. Bis in die Schulzeit hinein reagierte der Knabe panisch auf Flugzeuglärm und versteckte sich so gut es ging. Es dauerte lange bis den Eltern klar wurde worauf das befremdliche Verhalten des Jungen beruhte. Das Fragment "Flugzeuglärm" und die damit verbundene Panikreaktion der Mutter hatten beim Ungeborenen zu einer Traumatisierung geführt.
Auf diese Weise wird die eigene Psyche zum inneren Kriegsschauplatz, ein ganz normaler Alltag zum Hindernislauf. Das Leben wird wieder zum schieren Über-Leben degradiert.
Wir sollten uns über dieses Wichtige Thema unterhalten , weil das nur all zu gerne ausgeblendet wird.
Menschen reagieren auf Traumata immer noch genau so wie es unsere steinzeitlichen Verwandten taten: mit den entwicklungsgeschichtlich ältesten Hirnzentren und weitestgehend unter Umgehung der Grosshirnrinde. Dieses Reaktionsmuster lässt nur zwei Alternativen zu: Wegrennen oder Kämpfen. Der Impuls zur Flucht ist hierbei der stärkere. Was aber bleibt zu tun, wenn beide Möglichkeiten verwehrt sind? Existenzielle Angst und ein tiefes Gefühl des Ausgeliefertseins sind die Folge.
Wir kennen solche Beispiele. Welchen Ausweg gibt es für die Mutter im KZ, die vor die Wahl gestellt wird, eines ihrer Kinder in den Tod zu schicken - als einzige Alternative die Auslöschung der eigenen Existenz und die ihrer übrigen Kinder vor Augen? Welchen Ausweg gibt es für die moslemische Frau, die mehrfach vergewaltigt und entehrt wieder zu ihrer Familie zurückkommt?
Dabei darf nicht vergessen werden, dass es sich im Kriegsfall um wiederholte Sequenzen traumatischer Situationen handelt. Eine Vergewaltigung ist schlimm genug. Ein Vergewaltigungslager dagegen ist ungleich schlimmer. Ein Umzug von einer Stadt in die andere kann unter Umständen traumatisch sein. Der Verlust der Heimat durch den Krieg, die lebensgefährliche Flucht, der Aufenthalt im Lager bei Kälte und Hunger und schliesslich das Stranden im Exil sind die Potenzierung einer solchen Situation.
Derartige Ereignisse werden als zutiefst inhuman und widernatürlich empfunden. Auf solche Situationen gibt es keine im gesellschaftlichen Sinne "normale" Antwort. Der traumatisierte Mensch sitzt in einer Falle, die ihm nur ein Ausweichen in verschiedene Symptome ermöglicht, die sein Leiden für einen kurzen Zeitraum etwas erträglicher machen. Abtauchen und Abspalten - im Fachjargon Dissoziation sind Umschreibungen für diesen Zustand. Das Unerträgliche verschwindet in einer gnädigen Ohnmacht. Immer wieder schildern Klienten Erlebnisse, bei denen sie aus dem eigenen Körper herausgetreten, über der Szene schwebend zum emotionslosen Beobachter des Grauens wurden. Eine andere Reaktionsvariante ist die extreme Anspannung aller Sinne, eine Hypervigilanz im Sinne einer nicht endenden Alarmsituation. Dies alles mag beim Überleben der akuten Situation helfen aber früher oder später wird fast allen traumatisierten Menschen schmerzlich klar, dass Überleben alleine nicht genug ist. Es stellt sich die Frage wie das Leben weitergehen soll.
"Ich werde diese Bilder in meinem Kopf einfach nicht los." Diese Klage höre ich von traumatisierten Klienten sehr häufig. Manchmal sind es aber nicht die grauenhaften Bilder, die sich ungewollt immer wieder aufdrängen. Manchmal sind es banale Geräusche, alltägliche Gerüche oder andere Auslöser, die den Betroffenen immer wieder in die traumatische Situation zurückkatapultieren. Heraus aus dem Alltag und hinein in einen Horrofilm, der scheinbar auf einem Endlosband läuft. Zusätzlich erschwert wird die Situation in solchen Fällen, bei denen der Auslöser (Trigger) für die Panikreaktion nicht klar ist oder bei denen eine sehr starke Fragmentierung stattgefunden hat. Fragmentierung bedeutet, dass die traumatische Situation nicht als fortlaufende Handlungssequenz abgespeichert wurde sondern nur bruchstückhaft in einzelnen Sinneskanälen "ad acta" gelegt wurde. Diese Wahrnehmungen sind für für den Betroffenen zutiefst verstörend und gleichzeitig unerklärlich.
Mir ist der Fall eines Bekannten in Erinnerung dessen Mutter während der letzten Wochen des Schwangerschaft in Köln massiven Bombardements ausgesetzt war. Zweimal wurde sie verschüttet. Obwohl nach Kriegsende geboren schrie das Baby und war durch nichts zu trösten, wenn es Flugzeuglärm am Himmel hörte. Bis in die Schulzeit hinein reagierte der Knabe panisch auf Flugzeuglärm und versteckte sich so gut es ging. Es dauerte lange bis den Eltern klar wurde worauf das befremdliche Verhalten des Jungen beruhte. Das Fragment "Flugzeuglärm" und die damit verbundene Panikreaktion der Mutter hatten beim Ungeborenen zu einer Traumatisierung geführt.
Auf diese Weise wird die eigene Psyche zum inneren Kriegsschauplatz, ein ganz normaler Alltag zum Hindernislauf. Das Leben wird wieder zum schieren Über-Leben degradiert.
Wir sollten uns über dieses Wichtige Thema unterhalten , weil das nur all zu gerne ausgeblendet wird.