Wieso Kanzler, ich dachte ihr wählt einen neuen Präsidenten.
In Österreich gibt es nur zwei politische Ämter, die direkt vom Volk gewählt werden: Der Bundespräsident und der Gemeinderat.
Ja, am Sonntag ist die Stichwahl des zukünftigen Bundespräsidenten.
Letzten Montag legte nach erwiesener Unfähigkeit, nachdem der politische Druck aus allen Richtungen zu groß wurde, der bisherige Bundeskanzler alle Ämter in Partei und Regierung zurück. Es lag also an der bei der letzten Wahl stimmenstärksten Partei, einen Nachfolger als SPÖ Parteiobmann und Bundeskanzler zu finden. Wie gesagt - ein Bundeskanzler wird (genau so wenig wie die Bundesregierung) in Österreich nicht gewählt, sondern auf Vorschlag der Mehrheit der Abgeordneten im Nationalrat, vom Bundespräsidenten ernannt.
Es gelten die Mehrheitsverhältnisse der letzten Wahl. Und da hatten SPÖ und ÖVP gemeinsam die Mehrheit und stellen daher die Bundesregierung. Welche Mehrheiten aktuell herrschen würden, wären am nächsten Sonntag keine Präsidentschaftswahlen, sondern Nationalratswahlen, spielen dabei keine Rolle.
Um beim Bundeskanzler zu bleiben: Ich kenne Herrn Kern persönlich aus vielen Besprechungen ca. 6 Jahre lang (er war bis heute mein Chef) und werde mit größter Genugtuung zusehen, wie die ganzen inhaltslosen Floskelschleuderer in SPÖ und ÖVP, sowie die unsäglichen Wadelbeißer in der FPÖ und der Restopposition (gibts die überhaupt noch?) einpacken können.
Meine Erfahrungen mit Kern waren die: Wenn du nicht inhaltlich absolut sattelfest und top-gebrieft in in die Besprechung gekommen bist, und vielleicht auch noch mit irgendwelchen Füllwörtern herumgestammelt hast, dann hat er dich gefragt, wieviel du gerade verdienst, nur um dir dann zu sagen, wieviel du ab morgen Arbeitslosengeld bekommst. Er hasst nichts mehr, als wenn jemand seine Zeit vergeudet und vielleicht noch eine Folgebesprechung zum gleichen Thema erforderlich wird. Andererseits - wenn perfekte Vorarbeit geleistet wurde, dann kann man sich auch in einer halben Stunde das OK für eine 500 Mio. € Investition abholen. Aber du musst ALLES im Kopf haben.
Eine Anekdote aus einer Vorstandsitzung (vor ca. einem Jahr): Meine "Präsentation" bestand aus einer halben Seite Fließtext in Word. Die ganze Runde hat mir prophezeit, dass ich damit bei Kern rausfliege... Nach 25 Minuten verließ ich mit einem breiten Grinsen im Gesicht Kerns Büro. Seine Assistentin hat mich danach gefragt, wie ich das gemacht habe. Ich meinte nur: Kannst du was, oder kannst du Power-Point?
Und ich bin überzeugt davon: Kern wird es nicht sein, der sich ändert. Wer Kerns Tempo mitgehen kann, wird 2018 noch immer Minister sein. Wer nicht, kann noch heuer einen ruhigen Sommer genießen.
Ich wage die Behauptung: Ein Bundeskanzler Kern ist für Österreich ein Glücksfall in letzter Minute! Er wird sogar in den paar verbleibenden Tagen die Stimmung gegenüber einen ev. Präsidenten Hofer noch drehen.