Chaos perfekt in der Türkei? – TFF ändert die Statuten und kippt Paragraph 58!
Angeblich gab es in der Türkei keine erfolgreichen Spielmanipulationen. Die Kritik am TFF ist groß.
Antalya.Der türkische Fußballverband, die TFF, hat auf einen Bericht der Ethik-Kommission reagiert und via Pressekonferenz verkündet, es habe in der türkischen Süper Lig keine erfolgreich durchgeführten Spielmanipulationen gegeben. Gleichzeit wurde dann auch noch bekannt gegeben,
man hat den Paragraphen 58, der den Zwangsabstieg bei Manipulationen und Manipulationsversuchen, entsprechend angepasst, beziehungsweise geändert. Nun kann man ruhigen Gewissens sagen, es ist Feuer unter dem türkischen Dach. Es hagelt schärfste Kritik aus allen Ecken.
Betrug ist strafbar – auch der Versuch. Nicht mehr so in der Türkei. Da wird nach der Änderung der TFF-Statuten nur noch der Verein mit einem Zwangsabstieg bestraft, der erfolgreich manipuliert. Die Sanktionen erfolgen in der Zukunft abgestuft und richten sich nach der Schwere des Vergehens. Man könnte den Paragraphen auch „Lex Fenerbahce“ nennen. Bisher wurde die Manipulation, die versuchte Spielmanipulation, die Zahlung einer Motivationsprämie an dritte Vereine und selbst der Versuch dieser Motivationszahlung mit dem sofortigen Zwangsabstieg nach Bekanntwerden geahndet. All das ist seit dieser Nacht Geschichte.
Laut Ethik-Kommission gab es keine erfolgreichen Manipulationen
All die Vereine, die mit einem Zwangsabstieg von Fenerbahce gerechnet hatten, müssen umdenken. Im Bericht der Ethik-Kommission kommen die Justiziare zu der Überzeugung, es gab keine Manipulation, die sich auf die Ergebnisse auf dem Platz ausgewirkt habe. Dadurch ist seit dieser Nacht der Zwangsabstieg von Fenerbahce final vom Tisch. Wie TFF-Präsident Yildirim Demirören auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz verlautbarte, habe man sich hinter verschlossenen Türen drei Tage mit dem Bericht der Kommission befasst. Fünf Justiziare hatten darin festgehalten, dass keine Manipulationsversuche einen Einfluss auf Spielergebnisse hatten – so sähe die Aktenlage aus, so wären die Resultate aus Befragungen. Demirören sagte ferner, selbst wenn es die Absicht gegeben habe, Manipulationen durchzuführen, so seien diese Versuche erfolglos verlaufen.
Schiedsrichter und Spielbeobachter wurden gehört sowie Spiele angeschaut
Durch die Kommission, so Demirören, seien alle Spielberichte ausgewertet worden, man habe sämtliche Partien, die unter Manipulationsverdacht gestanden haben, erneut angeschaut, die Schiedsrichter angehört und die Spielbeobachter befragt. Auch da seien keinerlei Rückschlüsse darauf zu ziehen gewesen, es wäre mit Erfolg manipuliert worden. Ebenso seien in den Finanzunterlagen keinerlei Hinweise darauf zu finden gewesen, dass es Manipulationen gegeben habe. Indizien und Gesprächsaufzeichnungen, die den Verdacht nahelegen, es wäre doch zu Manipulationsversuchen gekommen, sollen der Disziplinarkommission vorgelegt werden.
Verdachtsfälle über Manipulationsversuche gehen an die Disziplinarkommission
Die Verdachtsmomente, die auf versuchte Manipulation hindeuten, was aber keinen Zwangsabstieg mehr nach sich zieht, werden in den kommenden Tagen der Disziplinarkommission vorgelegt. Dort soll entschieden werden, so Demirören, welche Sanktionen ausgesprochen werden – Geldstrafen und Punktabzüge sind im Bereich des Möglichen. 22 Spiele von 16 Klubs sind in diesem Paket enthalten – einige Klubs seien allerdings bereits von der Ethik-Kommission als „unbelastet“ eingestuft worden. Trotzdem wird die Disziplinarkommission auch diese Spiele nochmals unter ihre Lupe nehmen. So wolle man laut Yildirim Demirören auch letzte Zweifel ausräumen. Sollte die Disziplinarkommission zu dem Schluss kommen, es habe Manipulationsversuche gegeben, kommen nun maximal Punktabzüge in Frage – weil der Manipulationserfolg fehlt.
Der neue Paragraph 58 der TFF-Statuten
Der unbedingte Zwangsabstieg erfolgt in der Zukunft nur noch dann, wenn ein Manipulationsversuch oder eine Zahlung zur Motivation Erfolg trägt. Das bedeutet, zahlt Verein A an Verein B eine Prämie, damit er Verein C besiegt, bleibt das ohne Abstiegskonsequenzen, wenn B trotz der Zahlung von A gegen C verliert. Nur dann, wenn das Ergebnis auf dem Platz dem gewünschten und durch Zahlung herbeigeführten Ergebniswunsch entspricht, besteht die Chance auf einen Zwangsabstieg. Der bloße Versuch wird bei schweren Vergehen mit Punktabzug belegt. Die Spanne startet bei einem Abzug von 12 Punkten und ist nach oben offen. Die Wertung der Schwere des Vergehens obliegt einzig dem Werturteil der Disziplinarkommission. Nur wenn es um einen Versuch im Zusammenhang mit Wettbetrug geht, steht bereits im Vorfeld fest, dass es sich um ein schweres Vergehen handelt.
Die Änderung des Paragraphen 58 stößt auf Unzufriedenheit
Trabzonspor hat bereits offiziell verkündet, man werde nach dieser Entscheidung und Statutenänderung der TFF die UEFA anrufen. Galatasaray geht gar so weit, den sofortigen Rücktritt der TFF-Führung, die noch nicht lange im Amt ist, zu fordern. Beklatscht wird das Resultat hingegen von Verantwortlichen des Klubs Fenerbahce. Andere Vereine fügen sich dem Versuch des Präsidiums, Ruhe in die Manipulationsgeschichte zu bringen.
Trabzonspor auf Kriegspfad
Trabzonspor-Präsident Sadri Sener reagierte mit großer Verärgerung auf den Beschluss des TFF. „Es wäre falsch, zum jetzigen und frühen Zeitpunkt nach der Pressekonferenz klare und deutlich Worte zu sprechen, die eventuell für weiteren Ärger sorgen könnten. Wir werden uns auf jeden Fall dagegen wehren, mit Fenerbahce gleichgesetzt zu werden. Wir haben in der vergangenen Woche an die UEFA geschrieben und einen Termin erhalten. Es muss von der UEFA eine Entscheidung herbeigeführt werden und dies wurde uns von UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino auch zugesagt.“
Unterstützung von Fenerbahce für Yildirim Demirören
„Wir als Klub unterstützen die Entscheidungen der TFF und Einlassungen von Präsident Yildirim Demirören. Wir denken, diese Maßnahmen sind dazu geeignet, den türkischen Fußball aus der Krise zu führen. Man muss erkennen, dass Demirören und die TFF alle Vereine auf gleicher Ebene behandeln wollen, niemanden bevorzugen oder benachteiligen. Wir als Verein Fenerbahce glauben fest daran, dass durch diese weitschauende Entscheidung das Chaos des letzten Jahres beendet wird“, sagte unterdessen Yüksel Günay von Fenerbahce zur Sache.
Kritik von Besiktas, dem Ex-Klub von Demirören
BJK-Vize Levent Erdogan meinte: „Wir haben über exakt diesen Paragraphen doch schon vor geraumer Zeit abgestimmt. In einer außerordentlichen Versammlung, an der auch der jetzige TFF beteiligt war, wurde jede Statutenänderung abgelehnt. Diesen Beschluss der außerordentlichen Versammlung nun zu ignorieren, wird von uns nicht als richtig angesehen. Uns ist die Novellierung nicht eindeutig und rigide genug. Schuldige sollen und müssen bestraft werden. Und die unschuldigen Vereine, die längst von Vorwürfen reingewaschen wurden, sind endlich aus dem Skandal herauszuhalten.“
Gencler schweigt, die kleinen Klubs fügen sich und der Rest regt sich auf
Ilhan Cavcac, Präsident von Genclerbirligi, wollte keinen Kommentar abgeben und spricht damit Bände. Gaziantepspor ließ melden, man habe Entscheidungen, die in Sinne des türkischen Fußballs fallen, zu akzeptieren. Bursa meldet, man habe zu früh Erklärungen abgegeben und vorher hätte die Disziplinarkommission Sanktionen aussprechen sollen. Aus Sivas hört man, der TFF entscheidet, die Vereine hätten das zu akzeptieren, was man als Resignation werten könnte. Kayseri reagiert mit Unverständnis darauf, zu den 16 Klubs zu gehören, die erneut geprüft werden sollen und wird danach, wenn man weiß, wieso man geprüft wird, eine offizielle Erklärung folgen lassen.
Volle Breitseite von Galatasaray gegen Demirören
Auf der Homepage der Löwen liest sich die offizielle Erklärung knallhart: „Die Entscheidung der TFF hat in der Medienlandschaft und der türkischen Öffentlichkeit für Unverständnis oder sogar tiefste Bestürzung gesorgt. Uns drängt sich der Eindruck auf, die TFF wolle mit diesem Beschluss alle Rechtmäßigkeiten und Gesetze selbstherrlich außer Kraft setzen. Die TFF führt den gesamten Fußball der Türkei in eine Sackgasse, aus der es keinerlei Ausweg mehr geben wird. Wir erkennen die Absicht, dass Galatasaray mit in den Manipulationsskandal hinein gezogen werden soll, weil man sich davon wohl verspricht, mit einem blauen Auge aus der Angelegenheit zu kommen. Der Vorstand der TFF führt mit der Richtung den türkischen Fußball sehenden Auges in sein Verderben und bevor das geschieht, sollen die Verantwortlichen Anstand zeigen und ihr Amt unverzüglich niederlegen!“
Auch Galas Ex-Präsident übt scharfe Kritik
Faruk Süren, ehemaliger Präsident der Löwen, sagte: „Wenn ich richtig informiert bin, hat der Verband überhaupt nicht die rechtsverbindlichen und formaljuristischen Möglichkeiten, den Paragraphen 58 selbst zu verändern. Sollte sie es dennoch tun, ist das ein moralischer Fehlgriff und nicht zu vertreten oder mit dem Ethikverständnis vereinbar. Der ganze Skandal wird zu einem einzigen Schauspiel, um die Vorwürfe mehr und mehr zu verwässern. Der Versuch, Galatasaray mit in dieses unwürdige Spiel zu ziehen ist unanständig und verabscheuungswürdig. Doch was sollen wir groß sagen, wo sich doch der jetzige Vorstand von Galatasaray auf den Verbandswahlen völlig gleichgültig zeigte und nicht in die Opposition ging.“
Türker Arslan versteht die Welt nicht mehr
Türker Arslan, ehemaliger Klubpräsident, meinte: „Eine solche Erklärung der TFF und der Vorstandes hätte zu einem weit früheren Zeitpunkt kommen müssen. Aktuell bringt das mehr Schaden als Nutzen und schadet dem ganzen türkischen Fußball.
Die UEFA wird sich mit den billigen Sanktionsmaßnahmen niemals zufriedengeben und eher den ganzen türkischen Fußball bestrafen. Wir werden uns im Juni dafür weitereichende Sanktionen und Bestrafungen abholen – auf Vereinsebene und für das Nationalteam. Die Veränderung vom Paragraphen 58 wird in einer großen Katastrophe und einem riesigen Fiasko enden. Sobald auch nur ein Klub Widerspruch einlegt, verzögert sich erneut alles.“
Verkündung von Demirören könnte für die Freilassung von Aziz Yildirim sorgen
Noch in dieser Woche könnte Aziz Yildirim aus der Haft entlassen werden. Dies würde basierend darauf stattfinden, dass Yildirim Demirören als Präsident der TFF mitteilte, es gab nach den TFF-Ermittlungen keine Manipulationen, welche erfolgreich gewesen wäre. Auf der Basis dieser TFF-Entscheidung besteht eigentlich für keinen der noch in Haft befindlichen Angeklagten im Strafprozess mehr ein Haftgrund.
Chaos perfekt in der Türkei?