Charlie Brown
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http://www.welt.de/politik/deutschl...Opfer-tuerkisch-gaebe-es-einen-Aufschrei.html
Auf den Mord türkischstämmiger Schläger an Jonny K. haben Migrantenverbände kaum reagiert. Auch Justiz und Sozialarbeiter in Berlin schützen Schwerstkriminelle. Scharfe Kritik kommt von Deutschtürken.Von Freia Peters
"Wenn ich Mist baue, macht nichts, ich komme morgen wieder frei!" Das ist so ein Satz, den Ercan Yasaroglu oft hört von seinen Jugendlichen. Seit fast 30 Jahren arbeitet er nun als Sozialarbeiter in Berlin, vor allem mit Drogenabhängigen. "Unsere Justiz sucht immer Milde in der Strafe", sagt Yasaroglu. Und: "Ich halte das für ein fatales Signal an Jugendliche, die auf der Straße aufwachsen."
Neben seiner Arbeit mit Jugendlichen betreibt Yasaroglu ein Café in Berlin-Kreuzberg, in dem der Gast sich auf Polstermöbeln niederlässt und Tee serviert bekommt. Er ist Deutscher türkischer Herkunft, doch von Migrantenverbänden wie etwa der Türkischen Gemeinde Deutschland fühlt er sich nicht vertreten. "Diese Verbände betreiben separatistische Politik", sagt Yasaroglu.
"Die schweigen, solange ein Opfer nicht türkischer Herkunft ist. Erst wenn ein Türke einem Verbrechen zum Opfer fällt, ist der Aufstand groß." Als Beispiel nennt er die NSU-Morde. Lange Zeit standen auf den Internetseiten vieler Migrantenverbände nur die acht Fotos der türkischen Opfer – die Fotos des zu Tode gekommenen Griechen und der deutschen Polizistin fehlten.
"Gelyncht, weil jemand schlechte Laune hatte"
Gemeinsam mit 15 deutschtürkischen Intellektuellen hat er einen Brief unterzeichnet, in dem er seiner Empörung Ausdruck verleiht über die Reaktionslosigkeit von Gesellschaft und Justiz über das Attentat an Jonny K., jenem 20-Jährigen, der vor gut einem Monat am Berliner Alexanderplatz zusammengeschlagen wurde und verstarb.
"Da wird ein junger Mensch gelyncht, mitten unter uns, weil jemand schlechte Laune hatte", sagt Yasaroglu. "Ich stelle mir bloß vor, ein Faschist hätte einen Türken zusammengeschlagen. Das hätte einen Aufschrei gegeben!"
Dieses Mal aber war das Opfer Sohn eines Deutschen und einer Thailänderin. Die Täter allem Anschein nach türkischer Herkunft. Die Türkische Gemeinde hat sich nicht zu dem Vorfall geäußert – nach dem Motto: Egal, hat keinen von uns getroffen, sagt Yasaroglu.
"Mich schreckt diese Form des Rassismus ab. Jeder Verein nutzt eine Tat für seine Interessen. Opfer ist Opfer." Gewartet hätten er und seine Mitstreiter, ob Migrantenpolitiker und Verbandsvertreter von sich aus ihre Betroffenheit zeigen würden. Aber es sei keine Reaktion gekommen....
Ursachen der Gewalt in Berlin werden ignoriert
"Den Ursachen der Gewalt in unserer Stadt wird nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt; und Jonny ist das neuste Opfer dieser sinnlosen und anhaltenden Brutalität", heißt es darin.
An Gewalttaten wie dieser trügen "die Ignoranz der Mehrheitsgesellschaft, das Justizsystem, die Familien, die Politiker, die im Namen von Migranten agieren, sowie Verantwortliche in der Bildungs- und Jugendpolitik eine Mitschuld". Die 16 Unterzeichner sind Erzieher, Fußballtrainer, Pfleger, Juristen, Bauunternehmer. Man könnte sagen: ein Querschnitt der deutschtürkischen Gesellschaft.
"Letztlich gibt es immer nur dieselben acht Türken, die reden und in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden", sagt Yasaroglu. "Das kritisieren wir." Gerne würde der Sozialarbeiter selbst einmal etwa an der Deutschen Islam Konferenz teilnehmen, um zu zeigen, wie viele Deutschtürken denken, die nicht in Vereinen organisiert sind und für die ihre Religion im Alltag kaum eine Rolle spielt.
Scharfe Kritik an Migrantenverbänden
"Die Migrantenverbände richten sich viel zu sehr an der türkischen Innenpolitik aus", sagt die Autorin Gülcin Wilhelm, ebenfalls eine Unterzeichnerin des Briefes in Gedenken an Jonny.
"In der Türkei wird Gewalt immer noch verherrlicht und in traditionellen Familien ein falsches Männlichkeitsbild anerzogen." Oftmals fehle der Vater jugendlichen Heranwachsenden als Vorbild, weil für die Erziehung in traditionellen Familien ausschließlich die Mutter zuständig sei.
Yasaroglu, Wilhelm und ihre Freunde wollen mit ihrem Engagement erreichen, dass es mehr soziale Kontrolle gibt, dass jeder sich verantwortlich fühlt und nicht sagt: "Was kümmert es mich? Das ist nicht mein Sohn."
Giuseppes Mutter: "Opfer ist gleich Opfer"
Die Facebook-Gemeinschaft "Wir trauern um Jonny" hat jüngst ein neues Mitglied bekommen: Vaja Marcone, die Mutter des im vergangenen Jahr zu Tode gekommenen Giuseppe.
Sie hat Kontakt aufgenommen zur Schwester Jonnys. Familie Marcone wollte eigentlich am Berliner Kaiserdamm, wo Giuseppe gegen ein Auto rannte, ein Denkmal für ihren Sohn errichten. Nun soll es am Alexanderplatz entstehen. "Als Zeichen", schreibt Vaja Marcone auf der Facebook-Seite, "dass Opfer gleich Opfer ist."
Auf den Mord türkischstämmiger Schläger an Jonny K. haben Migrantenverbände kaum reagiert. Auch Justiz und Sozialarbeiter in Berlin schützen Schwerstkriminelle. Scharfe Kritik kommt von Deutschtürken.Von Freia Peters
"Wenn ich Mist baue, macht nichts, ich komme morgen wieder frei!" Das ist so ein Satz, den Ercan Yasaroglu oft hört von seinen Jugendlichen. Seit fast 30 Jahren arbeitet er nun als Sozialarbeiter in Berlin, vor allem mit Drogenabhängigen. "Unsere Justiz sucht immer Milde in der Strafe", sagt Yasaroglu. Und: "Ich halte das für ein fatales Signal an Jugendliche, die auf der Straße aufwachsen."
Neben seiner Arbeit mit Jugendlichen betreibt Yasaroglu ein Café in Berlin-Kreuzberg, in dem der Gast sich auf Polstermöbeln niederlässt und Tee serviert bekommt. Er ist Deutscher türkischer Herkunft, doch von Migrantenverbänden wie etwa der Türkischen Gemeinde Deutschland fühlt er sich nicht vertreten. "Diese Verbände betreiben separatistische Politik", sagt Yasaroglu.
"Die schweigen, solange ein Opfer nicht türkischer Herkunft ist. Erst wenn ein Türke einem Verbrechen zum Opfer fällt, ist der Aufstand groß." Als Beispiel nennt er die NSU-Morde. Lange Zeit standen auf den Internetseiten vieler Migrantenverbände nur die acht Fotos der türkischen Opfer – die Fotos des zu Tode gekommenen Griechen und der deutschen Polizistin fehlten.
"Gelyncht, weil jemand schlechte Laune hatte"
Gemeinsam mit 15 deutschtürkischen Intellektuellen hat er einen Brief unterzeichnet, in dem er seiner Empörung Ausdruck verleiht über die Reaktionslosigkeit von Gesellschaft und Justiz über das Attentat an Jonny K., jenem 20-Jährigen, der vor gut einem Monat am Berliner Alexanderplatz zusammengeschlagen wurde und verstarb.
"Da wird ein junger Mensch gelyncht, mitten unter uns, weil jemand schlechte Laune hatte", sagt Yasaroglu. "Ich stelle mir bloß vor, ein Faschist hätte einen Türken zusammengeschlagen. Das hätte einen Aufschrei gegeben!"
Dieses Mal aber war das Opfer Sohn eines Deutschen und einer Thailänderin. Die Täter allem Anschein nach türkischer Herkunft. Die Türkische Gemeinde hat sich nicht zu dem Vorfall geäußert – nach dem Motto: Egal, hat keinen von uns getroffen, sagt Yasaroglu.
"Mich schreckt diese Form des Rassismus ab. Jeder Verein nutzt eine Tat für seine Interessen. Opfer ist Opfer." Gewartet hätten er und seine Mitstreiter, ob Migrantenpolitiker und Verbandsvertreter von sich aus ihre Betroffenheit zeigen würden. Aber es sei keine Reaktion gekommen....
Ursachen der Gewalt in Berlin werden ignoriert
"Den Ursachen der Gewalt in unserer Stadt wird nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt; und Jonny ist das neuste Opfer dieser sinnlosen und anhaltenden Brutalität", heißt es darin.
An Gewalttaten wie dieser trügen "die Ignoranz der Mehrheitsgesellschaft, das Justizsystem, die Familien, die Politiker, die im Namen von Migranten agieren, sowie Verantwortliche in der Bildungs- und Jugendpolitik eine Mitschuld". Die 16 Unterzeichner sind Erzieher, Fußballtrainer, Pfleger, Juristen, Bauunternehmer. Man könnte sagen: ein Querschnitt der deutschtürkischen Gesellschaft.
"Letztlich gibt es immer nur dieselben acht Türken, die reden und in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden", sagt Yasaroglu. "Das kritisieren wir." Gerne würde der Sozialarbeiter selbst einmal etwa an der Deutschen Islam Konferenz teilnehmen, um zu zeigen, wie viele Deutschtürken denken, die nicht in Vereinen organisiert sind und für die ihre Religion im Alltag kaum eine Rolle spielt.
Scharfe Kritik an Migrantenverbänden
"Die Migrantenverbände richten sich viel zu sehr an der türkischen Innenpolitik aus", sagt die Autorin Gülcin Wilhelm, ebenfalls eine Unterzeichnerin des Briefes in Gedenken an Jonny.
"In der Türkei wird Gewalt immer noch verherrlicht und in traditionellen Familien ein falsches Männlichkeitsbild anerzogen." Oftmals fehle der Vater jugendlichen Heranwachsenden als Vorbild, weil für die Erziehung in traditionellen Familien ausschließlich die Mutter zuständig sei.
Yasaroglu, Wilhelm und ihre Freunde wollen mit ihrem Engagement erreichen, dass es mehr soziale Kontrolle gibt, dass jeder sich verantwortlich fühlt und nicht sagt: "Was kümmert es mich? Das ist nicht mein Sohn."
Giuseppes Mutter: "Opfer ist gleich Opfer"
Die Facebook-Gemeinschaft "Wir trauern um Jonny" hat jüngst ein neues Mitglied bekommen: Vaja Marcone, die Mutter des im vergangenen Jahr zu Tode gekommenen Giuseppe.
Sie hat Kontakt aufgenommen zur Schwester Jonnys. Familie Marcone wollte eigentlich am Berliner Kaiserdamm, wo Giuseppe gegen ein Auto rannte, ein Denkmal für ihren Sohn errichten. Nun soll es am Alexanderplatz entstehen. "Als Zeichen", schreibt Vaja Marcone auf der Facebook-Seite, "dass Opfer gleich Opfer ist."