Aktuelles
  • Herzlich Willkommen im Balkanforum
    Sind Sie neu hier? Dann werden Sie Mitglied in unserer Community.
    Bitte hier registrieren

Nachrichten aus der Türkei

Erdogans kurdische Doppelstrategie
In Syrien bekämpfen von der Türkei unterstützte Milizen die Kurden, im eigenen Land aber geht die Regierung in Ankara auf die kurdische Bevölkerung zu. Was steckt hinter dieser türkischen Doppelstrategie?

"Künftig werden wir entschlossene Schritte gehen, um unsere Vision für eine Türkei und eine ganze Region ohne Terror zu verwirklichen", sagte Präsident Recep Tayyip Erdoğan in seiner diesjährigen Neujahransprache. Seine Worte waren ein Verweis auf den derzeitigen Versöhnungsprozess zwischen Türken und Kurden, der vor etwa drei Monaten von Erdogans Koalitionspartner Devlet Bahçeli, dem Anführer der "Nationalistischen Bewegung" (MHP), eingeleitet worden war.

Erst über Jahre hinweg den Tod einer Person fordern und ihn dann plötzlich ins Parlament einladen? Genau dies tat der Ultranationalist Bahçeli vor drei Monaten und überraschte damit die gesamte türkische Öffentlichkeit. Bevor er diese Initiative ergriff, hatte seine Partei jahrelang die Wiedereinführung der Todesstrafe gefordert, hauptsächlich damit der inhaftierte Anführer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, hingerichtet werden sollte. Nun aber verfolgt die MHP, die seit 2015 als Mehrheitsbeschaffer für Erdoğans AKP dient, die Idee, Öcalan ins Parlament einzuladen, damit er dort in einer Rede die Kämpfer der PKK auffordert, ihre Waffen niederzulegen.

 
Zeit für Hoffnung?
Die 1978 gegründete paramilitärische PKK wird in der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft und befindet sich seit 1984 im bewaffneten Konflikt mit dem türkischen Staat.

Insgesamt gibt es heute rund 30 Millionen Kurden, nach Ende des Ersten Weltkrieges wurde ihr Siedlungsgebiet im Wesentlichen zwischen der Türkei, Syrien, dem Iran und dem Irak aufgeteilt. Seitdem kämpfen die Kurden für einen eigenen Staat oder zumindest für mehr Selbstbestimmung. Ein Autonomiestatus blieb ihnen in der Türkei bis heute verwehrt. Dem gewaltsamen Konflikt zwischen der Türkei und der kurdischen PKK sollen zwischen 1984 und 2009 rund 40.000 Menschen zum Opfer gefallen sein. PKK-Gründer Öcalan sitzt bereits seit 1999 in einem Gefängnis auf der Insel Imrali im Marmarameer.

Vor diesem Hintergrund überraschte der türkische Ultranationalist Bahçeli Anfang Oktober 2024 die türkische Öffentlichkeit, als er im Parlament die Hände von Vertretern der pro-kurdischen "Partei für Emanzipation und Demokratie der Völker" (DEM) schüttelte. Nur wenige Tage später richtete er den Appell an PKK-Anführer Abdullah Öcalan, die Waffen niederzulegen. Kurz danach verwies er auf die "tausendjährige Brüderlichkeit" zwischen Türken und Kurden und sagte: "Das Problem der Türkei sind nicht die Kurden, sondern ihre separatistische Terrororganisation. Öcalan sollte ins Parlament kommen und verkünden, dass die PKK aufgelöst wird." Der Angesprochene reagierte positiv und erklärte sich bereit, dahingehend "Verantwortung zu übernehmen".

Nach Bahçelis Appell besuchten am 28. Dezember zwei Vertreter der pro-kurdischen DEM Öcalan im Gefängnis von Imrali und sagten danach, sie seien "voller Hoffnung." Momentan gibt es Konsultationen der DEM-Politiker mit Vertretern der Erdoğan-Regierung sowie der Opposition.

 
Zurück
Oben