G
Gast829627
Guest
Neue Beiträge zum Dossier über die Verbrechen in Gospic
"Globus" veröffentlicht die fürchterliche Zeugenaussage von Ibrahim Suljkanovic, einem früheren Angehörigen der 118. Brigade, über die Verbrechen, die während des Krieges in Gospic an Serben und Bürgern anderer Nationalität verübt wurden und die er dem befehlshabenden Stadtkommandanten Tihomir Oreskovic und dem HDZ-Abgeordneten Miroslav Petry zur Last legt:
Ibrahim Suljkanovic, früherer Soldat der kroatischen Armee aus Gospic, behauptet: Tihomir Oreskovic hat vor meinen Augen einen Menschen erwürgt, und den HDZ-Abgeordneten im Sabor Miroslav Petry habe ich 1992 einen Flüchtlings frau vergewaltigen sehen
Autor: Zeljko Peratovic Fotos: Roberto Orlic und Archiv von "Globus"
Tihomir Oreskovic
Der Sabor - (kroatische Parlaments-, Anm. d. Ü.) Abgeordnete der Liberalen Partei Bozo Kovacevic verlangt in einem offenen Brief von Staatsanwalt Berislav Zivkovic die Eröffnung eines Verfahrens im "Fall Gospic" – auf der Basis von Daten, die am 30. April 1999 in "Globus" veröffentlicht wurden. Außer den Funden über massenhafte Verbrechen 1991, die nach den Worten des Gospic-Verteidigers und Haager Zeugen Milan Levar auf Befehl von Tihomir Oreskovic, Milan Canic Bico und Mirko Norac verübt wurden, haben wir die bewegende Zeugenaussage von E. H. gebracht. Sie hat ausgesagt, dass Oresković zwei minderjährige Mädchen in seiner Gewalt hatte, die einem damaligen kroatischen Minister sexuell zu Willen sein mussten.
Staatsanwalt Zivkovic hat sich zum Begehren von Kovacevic nicht geäußert. In der Zwischenzeit sind in unserer Redaktion einige halbe Dementis von Personen eingegangen, die in dem Text erwähnt wurden.
Am interessantesten ist die Reaktion von Tihomir Oreskovic, die wir im letzten Heft abgedruckt haben. In einem fünfseitigen Text reagiert Oreskovic zum ersten Mal auf die Behauptungen, er sei für Kriegsverbrechen verantwortlich, über die schon seit 1993 offen geschrieben wurde.
Er dementiert nicht eine einzige Behauptung des Textes. Statt dessen versucht Oreskovic den Hintergrund der Angriffe gegen sich zu erhellen und behauptet unter anderem, dahinter stünden frühere UDBA-Leute (Geheimdienstler, Anm. d. Ü.), Anhänger der Komintern und heutige Mitarbeiter des Belgrader Geheimdienstes...
Tage bevor er mit seinem Brief an "Globus" reagierte, rief die Zeugin E.H. - deren Initialen wir erfunden haben, um ihre Identität zu schützen – den unterzeichneten Journalisten an. Sie bat, ihre Aussage zurückzunehmen, da sie Probleme mit ihrem Ehemann bekommen habe, das Fürsorgeamt ihr das Kind weggenommen habe und dergleichen.
Der unterzeichnete Journalist bekräftigt in voller moralischer und materieller Verantwortlichkeit, dass nichts von dem, was unter den Initialen E.H. als Zitat publiziert wurde, verändert wurde und alles das exakt wiedergibt, was die Frau uns vor Zeugen in ihrer Wohnung in Gračac gesagt und was wir mitgeschnitten haben.
Als die Frau uns das letzte Mal anrief und sagte, sie habe im Zusammenhang mit dem gedruckten Text auch mit Tihomir Oreskovic geredet, dem Mann also, den sie in ihrer Aussage beschuldigte, er habe ethnische Säuberungen in Gospic angeordnet, sind wir zu der Auffassung gelangt, dass uns nun nichts mehr verpflichtet, ihre Identität zu wahren.
Fatima Skula
Im Folgenden hat es uns nicht mehr überrascht, als wir in der Reaktion von Tihomir Oreskovic auf eine Berichtigung von Fatima Skula stießen, die wir im Text als E.H. bezeichnet hatten und in der sie alles dementiert, was sie vor Zeugen und vor dem Mikrofon ausgesagt hat.
In diesen Tagen melden sich bei "Globus" weitere Zeugen im Falle Gospic. Milan Levar und Frau K. N. , eine Serbin aus Gospic und Zeugin aus Kriegstagen, und erneuern ihre Behauptungen, Fatima Skula habe – zur Verwendung beim Haager Gerichtshof – im Hause des kroatischstämmigen deutschen Politiker Marko Erceg in Duga Resa (bei Karlovac, Anm. d. Ü.) eine Aussage gemacht, in der sie "viel schlimmere Einzelheiten über die Verbrechen in Gospic mitgeteilt hat als im "Globus".
Ein neuer Zeuge im Fall Gospic ist Ibrahim Suljkanovic (43), während des Krieges Angehöriger der 118. Brigade der kroatischen Armee. Er ist in Gospic ununterbrochen Drohungen ausgesetzt, weil er Teilnehmer und Zeuge bei etlichen kriminellen Handlungen war, auch unmittelbar während der "Aktion Gewitter" (der Eroberung der Krajina durch kroatische Truppen Anfang August 1995, Anm. d. Ü.).
Am Dienstag, dem 1. Juni, sprachen wir telefonisch mit Suljkanovic, der sich in der Gospicer Wohnung von Milan Levar aufhielt. Während unseres Gesprächs, in dem Suljkanovic einige neue Details über angebliche Verbrechen in Gospic 1991, aber auch in Donji Lapac 1995 mitteilte, war in Levars Wohnung auch der Polizei-Inspektor Zeljko Jurkovic aus Gospic anwesend.
Seit Suljkanovic sich entschlossen hat, über seine Erkenntnisse zu sprechen, wird enormer Druck auf ihn ausgeübt, das bleiben zu lassen. So musste er nach dem Gespräch mit uns den Schutz der Polizeistation in Gospic in Anspruch nehmen.
In seiner Aussage, die wir auf Tonband aufgenommen haben, beschuldigt Suljkanovic den Sabor-Abgeordneten der HDZ Miroslav Petry der Vergewaltigung, Tihomir Oreskovic, er habe mit nackten Händen einen Menschen erwürgt, und den früheren Vize-Kommandanten der 118. Brigade Milan Canic Bico, er habe mit einer Pistole mit Schalldämpfer in Donji Lapac sechs serbische Zivilisten erschossen.
"Mir hat dieser Krieg alles genommen. Zwei meiner Söhne sind umgekommen. Vater und Mutter sind in Bosnien umgekommen, und von meiner früheren Frau habe ich kein Lebenszeichen. Durch eine Verletzung habe ich die rechte Lunge verloren. Die Wohnungsfrage ist für mich ungelöst, und ich schlafe bei meiner jetzigen Frau Ankica auf dem Boden. Solange ich die Uniform eines kroatischen Soldaten trug, war ich gut, aber nachher haben sie mich schikaniert, weil ich Muslim bin. Sie haben mir sogar die Wohnung weggenommen, für die ich einen 'Beschluss zur vorläufigen Verwendung' hatte", klagt Ibrahim Suljkanovic.
Im "Globus" vom 30. April bezeugt Fatima Skula, sie sei im Herbst und Winter 1991 als persönliche Sekretärin von Tihomir Oreskovic bei Morden im Gebäude des Operationsstabs in für die Region Lika zugegen gewesen. "Sie haben nicht nur Serben umgebracht. Wenn jemand sie gestört hat, mussten sie es nur Tihomir Oreskovic sagen, und der machte dann kurzen Prozess, ob Kroate oder Serbe. Wenn Leichen über Nacht im Stab liegen blieben, habe ich eine Zeitung über ihre Augen gelegt, damit sie mich nicht anschauten."
Ibrahim Suljkanovic
Milan Levar hat zu einem früheren Zeitpunkt öffentlich erklärt, in seiner Anwesenheit habe Tihomir Oreskovic mit eigenen Händen einen Menschen erwürgt.
"Ich wiederhole das heute. Und warum hat mich Tihomir Oreskovic nicht angezeigt, wenn es nicht die Wahrheit war? Im Übrigen habe ich reichlich Beweismaterial für den Fall, dass jemand eine Untersuchung beginnen möchte", erzählt er uns und zeigt Handschellen, von denen er behauptet, mit ihnen seien Gefangene an den Heizkörper gefesselt worden. Mit einer DNS-Analyse, fügt Levar hinzu, lasse sich auch feststellen, wer mit ihnen angekettet worden sei.
Auch Ibrahim Suljkanovic ist Zeuge des Mordes, von den Levar spricht.
"In einem Haus gegen Smiljan zu hat Oreskovic einen Mann mit einem Schnauzbart erwürgt. Er hat nur gesagt, man solle mit der Leiche auf bekannte Weise verfahren.", sagt Ibrahim.
Er kann auch bezeugen, wie die Kroatin Marija Miskovic und ihr Ehemann Nikola, ein Serbe, umgekommen sind. Nach Suljkanovic wurden sie auf Befehl von Tihomir Oreskovic in Perusic getötet und hinter dem Ortsdenkmal begraben.
Suljkanovic erinnert sich auch an Vergewaltigungen, die mehrere Menschen gesehen haben: "Der Sabor-Abgeordnete der HDZ Miroslav Petry, der den ganzen Krieg über stets betrunken war, verbarg sich in einem öffentlichen Schutzraum in Gospic, in dem sich während eines Gefechts bei Ribnik 1992 einmal 350 Leute aufhielten. Ich war anwesend, als Petry mit der Pistole eine Frau, Flüchtling aus Kosinj (die vollständigen Daten hat die Redaktion), zwang, ihm sexuell zu Willen zu sein. Diese Szene haben ebenfalls mit angesehen meine Frau Ankica, Ärzte aus dem Krankenhaus Gospic, das Ehepaar Jochmann, Ivanka Krizmanic und andere. Mir wird übel, wenn ich Petry im Fernsehen noch immer im Sabor sitzen sehe."
Milan Levar rief uns am Sonntag an und beschwerte sich, ihm sei der erwähnte Sabor-Abgeordnete am selben Tag in Gospic begegnet und habe ihn mit dem Tode bedroht, weil er die Veröffentlichung der Zeugenaussage ermöglicht habe. Levar will die Aufhebung der Immunität von Miroslav Petry erreichen.
Ibrahim Suljkanovic hat sich entschlossen, den "Globus"-Journalisten alles zu erzählen, was er über die kriminellen Handlungen nach der "Aktion Gewitter" weiß.
"Als 'Gewitter' begann, war ich in Pension. Ich habe mich aber entschlossen, daran teilzunehmen. Ich schloss mich einer Einheit an, die vom Regierungsbeauftragten für den Ort Licki Osik, Puskaric, geführt wurde. Wir brachen vom Dorf Gujin nach Donji Lapac auf. Als wir nahe der Stadt waren, haben wir eine Beobachtungsstation von UNPROFOR (der damaligen Uno-Schutztruppe für das frühere Jugoslawien) erstürmt. Eine Panzerfaust, die mir Puskaric gegeben hat, hat vier UNPROFOR-Leute niedergestreckt. Säter haben wir gesagt, dass die Tschetniks sie getötet hätten.
Vor der Ankunft in Donji Lapac hat uns Tihomir Oreskovic in Reih und Glied gestellt, in Zivilkleidung und mit einem Armeebarett auf dem Kopf. Von dort ist er um Kriegsbeute aufgebrochen, Geld und so weiter. Ich selbst habe von einer toten alten Frau aus einer Gardine vor ihrer Haustür 6000 DM entnommen.
Milan Canic Bico war der Stellvertreter von Mirko Norac, dem Kommandeur der 118. Brigade. Auch er war während des 'Gewitters' als Zivilist in Donji Lapac. Er war in erster Linie an Rache interessiert. Während des Krieges haben die Serben seinen Neffen Baja Canic getötet. Milan Canic hat im Keller des Kaufhauses in Lapac mit einer Pistole mit Schalldämpfer sechs männliche Zivilisten erschossen. Danach wurde das Kaufhaus angezündet. Nach dem 'Gewitter' habe ich serbische Pferde eingefangen und sie dem Vize-Polizeichef Ivica Tomljenovic Mima verkauft.
Mima hat Käufern aus Ungarn in einer einzigen Nacht 170 Pferde verkauft. Heute kennt mich von diesem Kriegsfreunden keiner mehr, und noch immer drohen sie mir, ich solle doch zu meinem Alija Izetbegovic gehen, oder es gebe mich irgendwann nicht mehr", klagt Suljkanovic.
Milan Levar erklärt, es seien immer mehr Zeugen bereit, über die Kriegsverbrechen von Gospic auszusagen. "Niemand wird mich hindern, endlich die Wahrheit vor das Antlitz der Gerechtigkeit zu bringen. Oberst Nikola Rendulic – dem nach seiner Aussage euch gegenüber Ivica Oreckovic gesagt hat, sein Bruder Tihomir habe ich den achtziger Jahren für den CIA gearbeitet – ist heute ein verängstigter Mann. Ich habe verlässliche Informationen, dass nach eurem Artikel Tihomir Oreskovic mit drei Invaliden des Vaterländischen Krieges in seiner Wohnung erschienen ist und von ihm verlangt hat, zu widerrufen, was er in 'Globus' geschrieben habe. Eben dieser Rendulic hat mir jahrelang zugeredet, ich solle die Gospic-Geschichte an die Öffentlichkeit bringen. Das ist ein Mann mit einem schwachen Charakter. Er wollte ehrlich sein und aus allem noch einen Nutzen ziehen – und dass ihm kein Haar gekrümmt würde."
Levar will nicht, dass jemand die Kriegsgeschichte von Gospic manipuliert. Besonders wütend ist er auf Marko Erceg aus Duga Resa, ein Mitglied der deutschen SPD, der heute keine Aussagen von Gospic-Zeugen aufgenommen haben will und ihm bei alledem materielle Hilfe versprochen hat.
"Mir war wichtig, dass jemand die Personen beschützt, die bereit sind, über die Verbrechen in Gospic auszusagen, und dass jemand ihnen hilft. Deshalb habe ich eingewilligt, dass Fatima Skula und andere Zeuginnen zu Marko Erceg nach Duga Resa gebracht werden – nicht nach Deutschland, wie in Ihrem Text fälschlich steht. Ich habe verstanden, dass dieser Erceg, der sich gern als Freund Kanzler Schröders vorstellt und dessen Sohn angeblich die Nummer 4 in der Rangordnung des BND ist, mit den Aussagen der Zeuginnen und ihren Schicksalen herummanipuliert. Dieser selbe Marko Erceg hat mir erzählt, er habe eine ausgezeichnete Zusammenarbeit mit dem Haager Gerichtshof und auch die Zeugenaussage von (dem kroatischen Politiker, Anm. d. Ü.) Slavko Degoricija in Graz organisiert.
Weil ich ihm von Anfang an nicht voll vertraut habe, habe ich alle Gespräche mit ihm aufgenommen. Mir kommt vor, als sei es sein Interesse und das derjenigen, die ihn bezahlen, die Nachfolger von Minister Gojko Susak in der kroatischen Regierung und die Linie der amerikanischen Politik, die Susaks Leute unterstützt, aus dem Spiel zu bringen. Mich interessiert die Wahrheit, nicht ein solcher tendenziöser Zugang zum Problem. Ich will nicht, dass Kroatien mit den Kriegsverbrechen von Gospic für alle Zeiten und nach eigenem Bedarf danach eingeschätzt wird, wer wem gefällt.
Erceg hat auch von Milan Djukic, dem Vorsitzenden der SNS (Serbische Volkspartei in Kroatien, Anm. d.Ü.), Material über Gospic verlangt und mir nachher erzählt, Djukic habe als Gegendienst Geld verlangt. Erceg war bei (der kroatischen Wochenzeitung, Anm. d. Ü.) 'Feral Tribune' und hat die Aussage von Miro Bajramovic über (den Schauplatz eines anderen Kriegsverbrechens, Anm. d. Ü.) Pakracka poljana verlangt. Die Feral-Leute haben mir gesagt, sie hätten ihn weggejagt."
Josip Manolic
"Denken Sie mal, er hat in den fünfziger Jahren zweieinhalb Jahre auf (der Gefängnisinsel, Anm. d. Ü.) Sveti Grgur verbracht, und nach der Entlassung aus dem Gefängnis hat ihm der damalige UDBA-Oberst (und spätere kroatische Politiker, Anm. d. Ü.) Josip Boljkovac einen Pass gegeben, damit er das Land verlassen konnte. Erceg ist erst in die Schweiz emigriert und von dort nach Deutschland gegangen. Er ist der häufig zitierte Verbindungsmann von Josip Manolic und Josip Boljkovac zum BND. Später hat er arrangiert, dass Josip Boljkovac erster kroatischer Polizeiminister wurde. Mag sein, dass er Kroatien wirklich 7 Millionen Mark gegeben hat, wie er in einem Brief an 'Globus' schreibt, aber das war sicher nicht sein eigenes Geld", sprudelt Levar heraus, ohne Atem zu holen.
Der Mann, der über die Verbrechen in Gospic in Den Haag Zeugnis abgelegt hat und Haager Ermittler Ende 1997 in eine Höhle im Velebit-Gebirge führte, von der er sagt, sie sei voller menschlicher Überreste, ist von der Arbeit dieses Gerichtshofs im Fall Gospic nicht begeistert. "Ich verstehe, dass der Haager Gerichtshof nicht hinreichend mit Personal ausgestattet ist, dass sie alle unsere Verhältnisse nicht kennen, besonders die zu Kriegszeiten nicht. Die Leute in Den Haag werfen mir vor, dass ich eine ihrer wichtigsten Regeln verletzt habe: dass ich weiter öffentlich geredet habe, als ich ihr Zeuge wurde. Aber natürlich habe ich weiter geredet, weil ich es ja auch schon vorher getan habe und noch bevor der Gerichtshof überhaupt eingerichtet wurde und besonders, weil sie sich nicht so, wie es sein soll, um den Schutz von Zeugen kümmern, die sich, wie ich, nicht selbst schützen können. Ich bin verbittert über die Haager Anklagebehörde, denn sie erschwert eine Anklage, obwohl es doch, nach meiner Meinung, genug Beweise gibt, sogar materielle. Deshalb meine ich, dass der Gerichtshof in einem gewissen Maße politisiert und tendenziös ist.
Mit der Hilfe des Zagreber Anwalts Slobodan Budak, der die meisten Zeugen vertritt, habe ich ein Gespräch bei der US-Botschaft wahrgenommen. Es wundert mich, dass Herr Budak in der Öffentlichkeit über den Fall Budak nicht mehr viel redet.
Ich will nicht aufhören, und besonders nicht jetzt, wo sich jeden Tag neue Zeugen melden. Auf dem Gewissen haben das die, die ich erwähnt habe, oder auch diejenigen um (die kroatischen Politiker, Anm. d. Ü.) Drazen Budisa oder Zdravko Tomac , die als Minister in der Regierung der nationalen Einheit rechtzeitig über alles informiert worden sind", sagt Levar entschieden.
In Gospić haben wir uns das Haus angesehen, in dem Levars Mutter lebt. An den Fenstern und auf der Fassade sind noch die Spuren von Warnschüssen zu erkennen. Levar hat uns auch den LKW gezeigt, mit dem er früher einmal seinen Lebensunterhalt verdient hat. Er behält ihn im Hof des Hauses seiner Schwiegermutter, weil er bei einer Explosion zerstört wurde.
Levar erinnert sich, wie er einst wegen kroatischen Nationalismus von der Schule flog – erst aus dem Fliegergymnasium in Mostar und dann aus der Industrieschule in Gospic.
"Auch im alten System haben mir Kommunisten und UDBA-Leute das Leben schwer gemacht, aber sie haben mich immerhin arbeiten lassen. Heute gestatten mir ihre geistigen Nachfolger nicht einmal zu arbeiten und sie würden mir auch nichts zum Leben geben, wäre ich nicht geschickt und vorsichtig genug", sagt er.
Viele 'Globus'-Leser haben uns angerufen und gebeten, Milan Levar ihrer Unterstützung zu versichern, aber sie haben auch ihrer Verwunderung Ausdruck gegeben, wie ein Mann, der soviel weiß, noch immer in Gospic leben kann.
Die größte Stütze für Milan Levar ist seine Familie: seine Frau Vesna, die bei der Wetterwarte in Gospic arbeitet, und der Sohn Leon, der vorigen Sonntag zum erstenmal zur Kommunion gegangen ist.
Als wir am frühen Donnerstag Abend mit Levar durch die Straßen seiner Stadt gegangen sind, haben ihn etliche Passanten begrüßt. Schon daraus lässt sich schließen, dass die Menschen in Gospić Milan Levar nicht für einen Verräter oder für einen Geisteskranken halten, als den Tihomir Oreskovic ihn gerne hinstellen möchte.
http://www.peratovic.net/levar/sturm_d_lapac/sturm_d.lapac.html
"Globus" veröffentlicht die fürchterliche Zeugenaussage von Ibrahim Suljkanovic, einem früheren Angehörigen der 118. Brigade, über die Verbrechen, die während des Krieges in Gospic an Serben und Bürgern anderer Nationalität verübt wurden und die er dem befehlshabenden Stadtkommandanten Tihomir Oreskovic und dem HDZ-Abgeordneten Miroslav Petry zur Last legt:
Ibrahim Suljkanovic, früherer Soldat der kroatischen Armee aus Gospic, behauptet: Tihomir Oreskovic hat vor meinen Augen einen Menschen erwürgt, und den HDZ-Abgeordneten im Sabor Miroslav Petry habe ich 1992 einen Flüchtlings frau vergewaltigen sehen
Autor: Zeljko Peratovic Fotos: Roberto Orlic und Archiv von "Globus"
Tihomir Oreskovic
Der Sabor - (kroatische Parlaments-, Anm. d. Ü.) Abgeordnete der Liberalen Partei Bozo Kovacevic verlangt in einem offenen Brief von Staatsanwalt Berislav Zivkovic die Eröffnung eines Verfahrens im "Fall Gospic" – auf der Basis von Daten, die am 30. April 1999 in "Globus" veröffentlicht wurden. Außer den Funden über massenhafte Verbrechen 1991, die nach den Worten des Gospic-Verteidigers und Haager Zeugen Milan Levar auf Befehl von Tihomir Oreskovic, Milan Canic Bico und Mirko Norac verübt wurden, haben wir die bewegende Zeugenaussage von E. H. gebracht. Sie hat ausgesagt, dass Oresković zwei minderjährige Mädchen in seiner Gewalt hatte, die einem damaligen kroatischen Minister sexuell zu Willen sein mussten.
Staatsanwalt Zivkovic hat sich zum Begehren von Kovacevic nicht geäußert. In der Zwischenzeit sind in unserer Redaktion einige halbe Dementis von Personen eingegangen, die in dem Text erwähnt wurden.
Am interessantesten ist die Reaktion von Tihomir Oreskovic, die wir im letzten Heft abgedruckt haben. In einem fünfseitigen Text reagiert Oreskovic zum ersten Mal auf die Behauptungen, er sei für Kriegsverbrechen verantwortlich, über die schon seit 1993 offen geschrieben wurde.
Er dementiert nicht eine einzige Behauptung des Textes. Statt dessen versucht Oreskovic den Hintergrund der Angriffe gegen sich zu erhellen und behauptet unter anderem, dahinter stünden frühere UDBA-Leute (Geheimdienstler, Anm. d. Ü.), Anhänger der Komintern und heutige Mitarbeiter des Belgrader Geheimdienstes...
Tage bevor er mit seinem Brief an "Globus" reagierte, rief die Zeugin E.H. - deren Initialen wir erfunden haben, um ihre Identität zu schützen – den unterzeichneten Journalisten an. Sie bat, ihre Aussage zurückzunehmen, da sie Probleme mit ihrem Ehemann bekommen habe, das Fürsorgeamt ihr das Kind weggenommen habe und dergleichen.
Der unterzeichnete Journalist bekräftigt in voller moralischer und materieller Verantwortlichkeit, dass nichts von dem, was unter den Initialen E.H. als Zitat publiziert wurde, verändert wurde und alles das exakt wiedergibt, was die Frau uns vor Zeugen in ihrer Wohnung in Gračac gesagt und was wir mitgeschnitten haben.
Als die Frau uns das letzte Mal anrief und sagte, sie habe im Zusammenhang mit dem gedruckten Text auch mit Tihomir Oreskovic geredet, dem Mann also, den sie in ihrer Aussage beschuldigte, er habe ethnische Säuberungen in Gospic angeordnet, sind wir zu der Auffassung gelangt, dass uns nun nichts mehr verpflichtet, ihre Identität zu wahren.
Fatima Skula
Im Folgenden hat es uns nicht mehr überrascht, als wir in der Reaktion von Tihomir Oreskovic auf eine Berichtigung von Fatima Skula stießen, die wir im Text als E.H. bezeichnet hatten und in der sie alles dementiert, was sie vor Zeugen und vor dem Mikrofon ausgesagt hat.
In diesen Tagen melden sich bei "Globus" weitere Zeugen im Falle Gospic. Milan Levar und Frau K. N. , eine Serbin aus Gospic und Zeugin aus Kriegstagen, und erneuern ihre Behauptungen, Fatima Skula habe – zur Verwendung beim Haager Gerichtshof – im Hause des kroatischstämmigen deutschen Politiker Marko Erceg in Duga Resa (bei Karlovac, Anm. d. Ü.) eine Aussage gemacht, in der sie "viel schlimmere Einzelheiten über die Verbrechen in Gospic mitgeteilt hat als im "Globus".
Ein neuer Zeuge im Fall Gospic ist Ibrahim Suljkanovic (43), während des Krieges Angehöriger der 118. Brigade der kroatischen Armee. Er ist in Gospic ununterbrochen Drohungen ausgesetzt, weil er Teilnehmer und Zeuge bei etlichen kriminellen Handlungen war, auch unmittelbar während der "Aktion Gewitter" (der Eroberung der Krajina durch kroatische Truppen Anfang August 1995, Anm. d. Ü.).
Am Dienstag, dem 1. Juni, sprachen wir telefonisch mit Suljkanovic, der sich in der Gospicer Wohnung von Milan Levar aufhielt. Während unseres Gesprächs, in dem Suljkanovic einige neue Details über angebliche Verbrechen in Gospic 1991, aber auch in Donji Lapac 1995 mitteilte, war in Levars Wohnung auch der Polizei-Inspektor Zeljko Jurkovic aus Gospic anwesend.
Seit Suljkanovic sich entschlossen hat, über seine Erkenntnisse zu sprechen, wird enormer Druck auf ihn ausgeübt, das bleiben zu lassen. So musste er nach dem Gespräch mit uns den Schutz der Polizeistation in Gospic in Anspruch nehmen.
In seiner Aussage, die wir auf Tonband aufgenommen haben, beschuldigt Suljkanovic den Sabor-Abgeordneten der HDZ Miroslav Petry der Vergewaltigung, Tihomir Oreskovic, er habe mit nackten Händen einen Menschen erwürgt, und den früheren Vize-Kommandanten der 118. Brigade Milan Canic Bico, er habe mit einer Pistole mit Schalldämpfer in Donji Lapac sechs serbische Zivilisten erschossen.
"Mir hat dieser Krieg alles genommen. Zwei meiner Söhne sind umgekommen. Vater und Mutter sind in Bosnien umgekommen, und von meiner früheren Frau habe ich kein Lebenszeichen. Durch eine Verletzung habe ich die rechte Lunge verloren. Die Wohnungsfrage ist für mich ungelöst, und ich schlafe bei meiner jetzigen Frau Ankica auf dem Boden. Solange ich die Uniform eines kroatischen Soldaten trug, war ich gut, aber nachher haben sie mich schikaniert, weil ich Muslim bin. Sie haben mir sogar die Wohnung weggenommen, für die ich einen 'Beschluss zur vorläufigen Verwendung' hatte", klagt Ibrahim Suljkanovic.
Im "Globus" vom 30. April bezeugt Fatima Skula, sie sei im Herbst und Winter 1991 als persönliche Sekretärin von Tihomir Oreskovic bei Morden im Gebäude des Operationsstabs in für die Region Lika zugegen gewesen. "Sie haben nicht nur Serben umgebracht. Wenn jemand sie gestört hat, mussten sie es nur Tihomir Oreskovic sagen, und der machte dann kurzen Prozess, ob Kroate oder Serbe. Wenn Leichen über Nacht im Stab liegen blieben, habe ich eine Zeitung über ihre Augen gelegt, damit sie mich nicht anschauten."
Ibrahim Suljkanovic
Milan Levar hat zu einem früheren Zeitpunkt öffentlich erklärt, in seiner Anwesenheit habe Tihomir Oreskovic mit eigenen Händen einen Menschen erwürgt.
"Ich wiederhole das heute. Und warum hat mich Tihomir Oreskovic nicht angezeigt, wenn es nicht die Wahrheit war? Im Übrigen habe ich reichlich Beweismaterial für den Fall, dass jemand eine Untersuchung beginnen möchte", erzählt er uns und zeigt Handschellen, von denen er behauptet, mit ihnen seien Gefangene an den Heizkörper gefesselt worden. Mit einer DNS-Analyse, fügt Levar hinzu, lasse sich auch feststellen, wer mit ihnen angekettet worden sei.
Auch Ibrahim Suljkanovic ist Zeuge des Mordes, von den Levar spricht.
"In einem Haus gegen Smiljan zu hat Oreskovic einen Mann mit einem Schnauzbart erwürgt. Er hat nur gesagt, man solle mit der Leiche auf bekannte Weise verfahren.", sagt Ibrahim.
Er kann auch bezeugen, wie die Kroatin Marija Miskovic und ihr Ehemann Nikola, ein Serbe, umgekommen sind. Nach Suljkanovic wurden sie auf Befehl von Tihomir Oreskovic in Perusic getötet und hinter dem Ortsdenkmal begraben.
Suljkanovic erinnert sich auch an Vergewaltigungen, die mehrere Menschen gesehen haben: "Der Sabor-Abgeordnete der HDZ Miroslav Petry, der den ganzen Krieg über stets betrunken war, verbarg sich in einem öffentlichen Schutzraum in Gospic, in dem sich während eines Gefechts bei Ribnik 1992 einmal 350 Leute aufhielten. Ich war anwesend, als Petry mit der Pistole eine Frau, Flüchtling aus Kosinj (die vollständigen Daten hat die Redaktion), zwang, ihm sexuell zu Willen zu sein. Diese Szene haben ebenfalls mit angesehen meine Frau Ankica, Ärzte aus dem Krankenhaus Gospic, das Ehepaar Jochmann, Ivanka Krizmanic und andere. Mir wird übel, wenn ich Petry im Fernsehen noch immer im Sabor sitzen sehe."
Milan Levar rief uns am Sonntag an und beschwerte sich, ihm sei der erwähnte Sabor-Abgeordnete am selben Tag in Gospic begegnet und habe ihn mit dem Tode bedroht, weil er die Veröffentlichung der Zeugenaussage ermöglicht habe. Levar will die Aufhebung der Immunität von Miroslav Petry erreichen.
Ibrahim Suljkanovic hat sich entschlossen, den "Globus"-Journalisten alles zu erzählen, was er über die kriminellen Handlungen nach der "Aktion Gewitter" weiß.
"Als 'Gewitter' begann, war ich in Pension. Ich habe mich aber entschlossen, daran teilzunehmen. Ich schloss mich einer Einheit an, die vom Regierungsbeauftragten für den Ort Licki Osik, Puskaric, geführt wurde. Wir brachen vom Dorf Gujin nach Donji Lapac auf. Als wir nahe der Stadt waren, haben wir eine Beobachtungsstation von UNPROFOR (der damaligen Uno-Schutztruppe für das frühere Jugoslawien) erstürmt. Eine Panzerfaust, die mir Puskaric gegeben hat, hat vier UNPROFOR-Leute niedergestreckt. Säter haben wir gesagt, dass die Tschetniks sie getötet hätten.
Vor der Ankunft in Donji Lapac hat uns Tihomir Oreskovic in Reih und Glied gestellt, in Zivilkleidung und mit einem Armeebarett auf dem Kopf. Von dort ist er um Kriegsbeute aufgebrochen, Geld und so weiter. Ich selbst habe von einer toten alten Frau aus einer Gardine vor ihrer Haustür 6000 DM entnommen.
Milan Canic Bico war der Stellvertreter von Mirko Norac, dem Kommandeur der 118. Brigade. Auch er war während des 'Gewitters' als Zivilist in Donji Lapac. Er war in erster Linie an Rache interessiert. Während des Krieges haben die Serben seinen Neffen Baja Canic getötet. Milan Canic hat im Keller des Kaufhauses in Lapac mit einer Pistole mit Schalldämpfer sechs männliche Zivilisten erschossen. Danach wurde das Kaufhaus angezündet. Nach dem 'Gewitter' habe ich serbische Pferde eingefangen und sie dem Vize-Polizeichef Ivica Tomljenovic Mima verkauft.
Mima hat Käufern aus Ungarn in einer einzigen Nacht 170 Pferde verkauft. Heute kennt mich von diesem Kriegsfreunden keiner mehr, und noch immer drohen sie mir, ich solle doch zu meinem Alija Izetbegovic gehen, oder es gebe mich irgendwann nicht mehr", klagt Suljkanovic.
Milan Levar erklärt, es seien immer mehr Zeugen bereit, über die Kriegsverbrechen von Gospic auszusagen. "Niemand wird mich hindern, endlich die Wahrheit vor das Antlitz der Gerechtigkeit zu bringen. Oberst Nikola Rendulic – dem nach seiner Aussage euch gegenüber Ivica Oreckovic gesagt hat, sein Bruder Tihomir habe ich den achtziger Jahren für den CIA gearbeitet – ist heute ein verängstigter Mann. Ich habe verlässliche Informationen, dass nach eurem Artikel Tihomir Oreskovic mit drei Invaliden des Vaterländischen Krieges in seiner Wohnung erschienen ist und von ihm verlangt hat, zu widerrufen, was er in 'Globus' geschrieben habe. Eben dieser Rendulic hat mir jahrelang zugeredet, ich solle die Gospic-Geschichte an die Öffentlichkeit bringen. Das ist ein Mann mit einem schwachen Charakter. Er wollte ehrlich sein und aus allem noch einen Nutzen ziehen – und dass ihm kein Haar gekrümmt würde."
Levar will nicht, dass jemand die Kriegsgeschichte von Gospic manipuliert. Besonders wütend ist er auf Marko Erceg aus Duga Resa, ein Mitglied der deutschen SPD, der heute keine Aussagen von Gospic-Zeugen aufgenommen haben will und ihm bei alledem materielle Hilfe versprochen hat.
"Mir war wichtig, dass jemand die Personen beschützt, die bereit sind, über die Verbrechen in Gospic auszusagen, und dass jemand ihnen hilft. Deshalb habe ich eingewilligt, dass Fatima Skula und andere Zeuginnen zu Marko Erceg nach Duga Resa gebracht werden – nicht nach Deutschland, wie in Ihrem Text fälschlich steht. Ich habe verstanden, dass dieser Erceg, der sich gern als Freund Kanzler Schröders vorstellt und dessen Sohn angeblich die Nummer 4 in der Rangordnung des BND ist, mit den Aussagen der Zeuginnen und ihren Schicksalen herummanipuliert. Dieser selbe Marko Erceg hat mir erzählt, er habe eine ausgezeichnete Zusammenarbeit mit dem Haager Gerichtshof und auch die Zeugenaussage von (dem kroatischen Politiker, Anm. d. Ü.) Slavko Degoricija in Graz organisiert.
Weil ich ihm von Anfang an nicht voll vertraut habe, habe ich alle Gespräche mit ihm aufgenommen. Mir kommt vor, als sei es sein Interesse und das derjenigen, die ihn bezahlen, die Nachfolger von Minister Gojko Susak in der kroatischen Regierung und die Linie der amerikanischen Politik, die Susaks Leute unterstützt, aus dem Spiel zu bringen. Mich interessiert die Wahrheit, nicht ein solcher tendenziöser Zugang zum Problem. Ich will nicht, dass Kroatien mit den Kriegsverbrechen von Gospic für alle Zeiten und nach eigenem Bedarf danach eingeschätzt wird, wer wem gefällt.
Erceg hat auch von Milan Djukic, dem Vorsitzenden der SNS (Serbische Volkspartei in Kroatien, Anm. d.Ü.), Material über Gospic verlangt und mir nachher erzählt, Djukic habe als Gegendienst Geld verlangt. Erceg war bei (der kroatischen Wochenzeitung, Anm. d. Ü.) 'Feral Tribune' und hat die Aussage von Miro Bajramovic über (den Schauplatz eines anderen Kriegsverbrechens, Anm. d. Ü.) Pakracka poljana verlangt. Die Feral-Leute haben mir gesagt, sie hätten ihn weggejagt."
Josip Manolic
"Denken Sie mal, er hat in den fünfziger Jahren zweieinhalb Jahre auf (der Gefängnisinsel, Anm. d. Ü.) Sveti Grgur verbracht, und nach der Entlassung aus dem Gefängnis hat ihm der damalige UDBA-Oberst (und spätere kroatische Politiker, Anm. d. Ü.) Josip Boljkovac einen Pass gegeben, damit er das Land verlassen konnte. Erceg ist erst in die Schweiz emigriert und von dort nach Deutschland gegangen. Er ist der häufig zitierte Verbindungsmann von Josip Manolic und Josip Boljkovac zum BND. Später hat er arrangiert, dass Josip Boljkovac erster kroatischer Polizeiminister wurde. Mag sein, dass er Kroatien wirklich 7 Millionen Mark gegeben hat, wie er in einem Brief an 'Globus' schreibt, aber das war sicher nicht sein eigenes Geld", sprudelt Levar heraus, ohne Atem zu holen.
Der Mann, der über die Verbrechen in Gospic in Den Haag Zeugnis abgelegt hat und Haager Ermittler Ende 1997 in eine Höhle im Velebit-Gebirge führte, von der er sagt, sie sei voller menschlicher Überreste, ist von der Arbeit dieses Gerichtshofs im Fall Gospic nicht begeistert. "Ich verstehe, dass der Haager Gerichtshof nicht hinreichend mit Personal ausgestattet ist, dass sie alle unsere Verhältnisse nicht kennen, besonders die zu Kriegszeiten nicht. Die Leute in Den Haag werfen mir vor, dass ich eine ihrer wichtigsten Regeln verletzt habe: dass ich weiter öffentlich geredet habe, als ich ihr Zeuge wurde. Aber natürlich habe ich weiter geredet, weil ich es ja auch schon vorher getan habe und noch bevor der Gerichtshof überhaupt eingerichtet wurde und besonders, weil sie sich nicht so, wie es sein soll, um den Schutz von Zeugen kümmern, die sich, wie ich, nicht selbst schützen können. Ich bin verbittert über die Haager Anklagebehörde, denn sie erschwert eine Anklage, obwohl es doch, nach meiner Meinung, genug Beweise gibt, sogar materielle. Deshalb meine ich, dass der Gerichtshof in einem gewissen Maße politisiert und tendenziös ist.
Mit der Hilfe des Zagreber Anwalts Slobodan Budak, der die meisten Zeugen vertritt, habe ich ein Gespräch bei der US-Botschaft wahrgenommen. Es wundert mich, dass Herr Budak in der Öffentlichkeit über den Fall Budak nicht mehr viel redet.
Ich will nicht aufhören, und besonders nicht jetzt, wo sich jeden Tag neue Zeugen melden. Auf dem Gewissen haben das die, die ich erwähnt habe, oder auch diejenigen um (die kroatischen Politiker, Anm. d. Ü.) Drazen Budisa oder Zdravko Tomac , die als Minister in der Regierung der nationalen Einheit rechtzeitig über alles informiert worden sind", sagt Levar entschieden.
In Gospić haben wir uns das Haus angesehen, in dem Levars Mutter lebt. An den Fenstern und auf der Fassade sind noch die Spuren von Warnschüssen zu erkennen. Levar hat uns auch den LKW gezeigt, mit dem er früher einmal seinen Lebensunterhalt verdient hat. Er behält ihn im Hof des Hauses seiner Schwiegermutter, weil er bei einer Explosion zerstört wurde.
Levar erinnert sich, wie er einst wegen kroatischen Nationalismus von der Schule flog – erst aus dem Fliegergymnasium in Mostar und dann aus der Industrieschule in Gospic.
"Auch im alten System haben mir Kommunisten und UDBA-Leute das Leben schwer gemacht, aber sie haben mich immerhin arbeiten lassen. Heute gestatten mir ihre geistigen Nachfolger nicht einmal zu arbeiten und sie würden mir auch nichts zum Leben geben, wäre ich nicht geschickt und vorsichtig genug", sagt er.
Viele 'Globus'-Leser haben uns angerufen und gebeten, Milan Levar ihrer Unterstützung zu versichern, aber sie haben auch ihrer Verwunderung Ausdruck gegeben, wie ein Mann, der soviel weiß, noch immer in Gospic leben kann.
Die größte Stütze für Milan Levar ist seine Familie: seine Frau Vesna, die bei der Wetterwarte in Gospic arbeitet, und der Sohn Leon, der vorigen Sonntag zum erstenmal zur Kommunion gegangen ist.
Als wir am frühen Donnerstag Abend mit Levar durch die Straßen seiner Stadt gegangen sind, haben ihn etliche Passanten begrüßt. Schon daraus lässt sich schließen, dass die Menschen in Gospić Milan Levar nicht für einen Verräter oder für einen Geisteskranken halten, als den Tihomir Oreskovic ihn gerne hinstellen möchte.
http://www.peratovic.net/levar/sturm_d_lapac/sturm_d.lapac.html